Kommunikation und Betriebsklima sind wichtiger als digitale Lösungen

Schaut man sich die Veränderungen in der Arbeitswelt an, wird klar: Ob Maschinensteuerung, digitale Laufkarten, Shopfloor-Infopoints oder modernes Wissensmanagement – keine der digitalen Maßnahmen hat nachhaltig betriebliche Probleme vollends gelöst, aber neue Aufgaben und Herausforderungen hervorgebracht. Die meisten Betriebe stehen vor dem Dilemma, einerseits die leistungsfähigsten elektronischen Programme einführen zu wollen, andererseits nicht abhängig zu werden von einer Hardware, einer Software oder dem Dienstleister. Beschäftigte fürchten um ihre Arbeitsplätze, das Management fürchtet um seine Kontrollmöglichkeiten und die Geschäftsführung um die Autonomie ihres Betriebs. Zu diesem Ergebnis kommt das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt „Kommunikation, Innovation und Lernen in der Produktionsorganisation unter Bedingungen agiler Digitalisierung (KILPaD)“ der Universität Witten/Herdecke (UW/H).

„Bei Digitalisierungsvorhaben müssen alle Beteiligten sich untereinander austauschen, nicht nur beispielsweise das Management. Innovation entsteht nur aus einem Prozess, den man nicht für selbstverständlich hält. Man braucht den Mut, seinen eigenen Betrieb neu zu entdecken. Man muss lernen, mit den Programmen umzugehen und mit den neuen Organisationsformaten, die diese Programme nahezu zwangsläufig mit sich führen“, so Projektleiter Prof. Dirk Baecker von der UW/H. „Und immer muss man damit rechnen, dass die wirklichen intelligenten Lösungen bei den Beschäftigten in den Schubladen schlummern. Daher muss ein Betriebsklima sichergestellt werden, in dem es gelingt, die Intelligenz im Betrieb dem Betrieb zur Verfügung zu stellen“, ergänzt Dipl.-Ing. Carsten Meinhardt, Produktionsleiter bei der nass magnet GmbH und einer der Projektpartner.

Mit der Digitalisierung wird die Kommunikation in Betrieben komplexer und wichtiger

„Das wichtigste Ergebnis dieses Projekts ist aus meiner Sicht“, so Tom Henning, Geschäftsführer des Projektpartners SHA Anlagentechnik GmbH, „dass wir im Betrieb wesentlich mehr Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine, aber auch zwischen den Beschäftigten und den Abteilungen haben als wir zuvor dachten. Schon deswegen müssen mehr Leute miteinander reden als wir es gewohnt sind. Daraus ergibt sich ein gewaltiger Lernprozess, in dem wir immer wieder neu herausfinden müssen, wann wir ihn öffnen sollten und wann wir ihn schließen können.“

Kommunikation als eigenen „Posten“ bei der Digitalisierung zu begreifen, ist daher eine Kernbotschaft des Projekts an die Praxis. Nur so schafft man den Sprung von der immer noch vorherrschenden, rein zweckorientierten „Werkzeugperspektive“ der Digitalisierung zu einer Systemperspektive, die es erlaubt wie einfordert, den Betrieb insgesamt auf den Prüfstand zu stellen.

Über das Forschungsprojekt „KILPaD“

Drei Jahre lang untersuchte das BMBF-geförderte Projekt „Kommunikation, Innovation und Lernen in der Produktionsorganisation unter Bedingungen agiler Digitalisierung (KILPaD)“ die Zukunft der Arbeit. Prof. Dirk Baecker, Maximilian Locher und Hannah Cramer von der Universität Witten/Herdecke (UW/H) kooperierten mit Prof. Uwe Elsholz und Martina Thomas vom Lehrgebiet Lebenslanges Lernen an der FernUni Hagen. Hinzu kamen fünf mittelständische Firmen sowie die Zukunftsallianz Maschinenbau, das VDI Technologiezentrum, die Organisationsberatung OSB und die Universität Konstanz mit dem theoretischen Informatiker Prof. Kosub. Nun wurden die Ergebnisse aus wissenschaftlicher und betrieblicher Sicht zusammengetragen und der gemeinsame Konsens und auf einer Abschlussveranstaltung vorgestellt.

Ein Artikel von
Falk Sinß

25. Juli 2022

Kategorie

Wissen