Alles gleichzeitig und sofort

Arbeitsunterbrechungen und Multitasking sind Teil der modernen Arbeitswelt. Vor allem Multitasking gilt Vielen aber als unverzichtbare Fähigkeit, um in der heutigen Arbeitswelt bestehen zu können. Doch das ist ein Irrglaube. Multitasking ist nicht nur ungesund, es ist auch unproduktiv. Denn es sorgt vor allem für eines: Stress.

Der Patient aus Zimmer 312 drückt seit geraumer Zeit seine Patientenklingel, das Telefon im Dienstzimmer klingelt unaufhörlich und die Hälfte der Patienten auf Station wartet noch auf ihr Frühstück. Doch zunächst muss Herr K. von der Toilette geholt und wieder ins Bett gebracht werden. Kaum eine Tätigkeit lässt sich in Ruhe und ohne Unterbrechung durchführen, stattdessen: Stress pur und damit Arbeitsalltag für viele Pflegekräfte in deutschen Krankenhäusern.

Multitasking und Arbeitsunterbrechungen sind hier an der Tagesordnung, wie eine Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) ergeben hat. Demnach wurden die beobachteten Pflegekräfte an einem Tag durchschnittlich 62,8 Mal unterbrochen und übten 66,8 Mal zwei oder mehr Tätigkeiten gleichzeitig aus. Diese Mehrfachbelastung findet sich in vielen Berufen – mal stärker, mal weniger stark ausgeprägt. Für alle gilt: Sie wirkt sich negativ auf die Arbeitsleistung aus und belastet die Psyche.

BELASTUNGEN FÜR DIE PSYCHE

„Arbeitsunterbrechungen kommen unvorhergesehen und unfreiwillig, die betroffene Person wird von der eigentlichen Tätigkeit abgelenkt und muss kurzfristig zwei Aufgaben mit einander koordinieren“, sagt Christian Pangert von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Ähnlich verhalte es sich mit dem Multitasking, dem scheinbar gleichzeitigen Ausüben von zwei oder mehr Tätigkeiten.

Multitasker gelten oftmals zwar als besonders effektiv, doch der Eindruck täuscht. „Zwei Dinge ‚gleichzeitig‘ tun, die die volle Aufmerksamkeit erfordern und einen Verarbeitungsprozess von Informationen nach sich ziehen, geht nicht“, erklärt Pangert. Stattdessen wechsle man zwischen zwei oder mehr Aufgaben hin und her. „Der unschöne Nebeneffekt ist, dass man sich jedes Mal neu auf die Aufgabe konzentrieren muss und dadurch insgesamt mehr Zeit braucht.“ Je mehr Aufgaben man anfange, desto länger brauche man auch für das Hin-und-her-Wechseln. „Mit anderen Worten: In der Regel sinkt die Leistungsfähigkeit.“

PRÄVENTION AKTUELL PODCAST FOLGE 16 – ALLES GLEICHZEITIG UND SOFORT

Hinzu komme: „Arbeitsunterbrechungen und Multitasking sind Stressfaktoren, wirken also eher negativ auf das Befinden.“ Das könne schnell zu Überforderung und damit zu Fehleranfälligkeit führen. Ist der Stress von Dauer, sinken nicht nur die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit der Betroffenen, es drohen auch gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Magen-Darm-Probleme, Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Beschwerden oder gar Depressionen. Zudem steige das Unfallrisiko. „Sowohl am als auch außerhalb des Arbeitsplatzes, wie zum Beispiel auf dem Arbeitsweg, kann Multitasking zu einer erhöhten Unfallgefährdung führen. Wichtige Informationen können dann nämlich nicht mehr angemessen verarbeitet werden“, erklärt Pangert.

Multitasking
Arbeitsunterbrechungen und Multitasking sind Stressfaktoren, die schnell zu Überforderung und damit zu Fehleranfälligkeit führen können. Sie sollten deshalb auf ein Minimum reduziert werden. Foto: popaye – stock.adobe.com

UNTERBRECHUNGEN AUF EIN MINIMUM REDUZIEREN

Unternehmen sollten sich deshalb überlegen, wie sich Arbeitsunterbrechungen und Multitasking auf ein Minimum reduzieren lassen. Das gehe am besten mit Teamabsprachen über Zeiten für ungestörtes Arbeiten sowie Erreichbarkeits- oder Vertretungsregelungen, sagt Pangert. „Dabei sollten sowohl die Erwartungen der Führungskräfte an die Beschäftigten als auch umgekehrt besprochen und gemeinsame Lösung gesucht werden.“

Das gelte natürlich auch für die Beschäftigten untereinander. Neben organisatorischen Lösungen kann aber auch jeder selbst Strategien anwenden, um Arbeitsunterbrechungen und Multitasking zu reduzieren. Denn gänzlich vermeiden lassen werden sich diese Stressfaktoren nicht.

SO VERMEIDEN SIE MULTITASKING UND ARBEITSUNTERBRECHUNGEN

ORGANISATORISCHE STRATEGIEN KÖNNEN SEIN:

  • Besprechen Sie im Team, was Ursachen für Arbeitsunterbrechungen sein können.
  • Suchen Sie gemeinsam nach Lösungen, mit denen sich Arbeitsunterbrechungen reduzieren lassen.
  • Sorgen Sie für unterbrechungsfreie Zeiten und stimmen Sie diese mit Kollegen und Vorgesetzten ab (z. B. Stummschalten des Telefons und der E-Mail-Benachrichtigungen).
  • Legen Sie Zeiten fest, in denen ungestört gearbeitet werden kann. Diese Zeiten sollten nur in dringenden Fällen nicht eingehalten werden.
  • Es ist Aufgabe der Führungskräfte, die gefundenen Lösungen zu etablieren.

PERSÖNLICHE STRATEGIEN KÖNNEN SEIN:

  • Nicht jede Unterbrechung ist gleich ein Notfall. Setzen Sie Prioritäten.
  • Beenden Sie möglichst die aktuelle Aufgabe, bevor Sie sich der neuen widmen.
  • Ist das nicht möglich, bearbeiten Sie die aktuelle Aufgabe bis zu einem Punkt, an dem sie gut unterbrochen werden kann

Ein Artikel von
Falk Sinß

5. September 2017

Kategorie

Wissen