Alles bekifft?
Der Bundestag hat am 23. Februar 2024 das Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis (Cannabisgesetz) beschlossen. Einen Monat später hat der Bundesrat das Gesetz gebilligt. Hat das neue Gesetz Auswirkungen auf die Arbeitswelt?
Das Cannabisgesetz ist die Umsetzung eines im Koalitionsvertrag 2021 beschlossenen Vorhabens. SPD, FDP und die Grünen hatten darin die Einführung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften vereinbart. Ziel ist ein verbesserter Gesundheitsschutz, die Stärkung von Aufklärung und Prävention, die Eindämmung des illegalen Markts für Cannabis sowie die Verbesserung des Kinder- und Jugendschutz.
Das Gesetz trifft auf massive Kritik aus Kreisen von Polizei, Justiz und Medizin. Beispielsweise bezeichnete der Präsident der Landesärztekammer Hessen (LÄKH), Edgar Pinkowski, die Verabschiedung des Ge¬setzes als gravierende Fehlentscheidung und „schwarzen Tag für die Suchtprävention“. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisiert, dass Polizei, Zoll, Justizbehörden und Jugendämter nun mit Mehrbelastung und unnötigen Herausforderungen rechnen müssten.
Die wichtigsten Regelungen
Erwachsene dürfen künftig grundsätzlich bis zu 25 Gramm Cannabis in der Öffentlichkeit zum Eigenkonsum bei sich haben. In der eigenen Wohnung sind drei lebende Cannabis-Pflanzen erlaubt sowie bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. Im öffentlichen Raum darf unter anderem in Schulen und Sportstätten kein Cannabis konsumiert werden (die Sperrzone beträgt 100 Metern Luftlinie um den Eingang).
Was bedeutet das Gesetz für die Arbeitswelt?
Zunächst ist festzuhalten, dass es auch für andere Suchtmittel wie zum Beispiel Alkohol keine gesetzlichen Regelungen gibt, die deren Konsum am Arbeitsplatz regeln. Soll im Betrieb grundsätzliches Alkoholverbot gelten, bedarf dies der Zustimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und des Abschlusses einer Betriebsvereinbarung, die Alkohol am Arbeitsplatz verbietet. Betriebsvereinbarungen sind betriebsverfassungsrechtliche Verträge, die zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat abgeschlossen werden.
Somit muss –falls im Betrieb ein Cannabisverbot herrschen soll – die Betriebsvereinbarung eventuell ergänzt werden. Ist kein Betriebsrat vorhanden, genügt ein Verbot des Arbeitgebers kraft seines Direktionsrechtes.
Die Position der gesetzlichen Unfallversicherung
Die Deutsche gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) tritt dafür ein, Alkohol und Cannabis am Arbeitsplatz und in Bildungseinrichtungen gleich zu behandeln. Konsum jeder Art von Suchtmitteln, der zu Gefährdungen an Arbeitsplätzen und in Bildungseinrichtungen führen kann, muss ausgeschlossen sein. Nach der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ (DGUV Vorschrift 1) dürfen sich Versicherte durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. Gleichzeitig dürfen Unternehmer Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen.
Das gilt insbesondere für das Führen von Maschinen. Wer beispielsweise Baumaschinen wie Radlader, Kräne oder Bagger steuert, hat ein erhöhtes Risiko, andere bei der Arbeit zu gefährden. Entsprechend groß ist die Verantwortung. Sobald bei Maschinenführern eine THC-Konzentration im Blut vorliegt, die ihre Wahrnehmung, ihr Urteilsvermögen oder ihr Verhalten beeinflusst, verstoßen sie laut Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) gegen diese Vorgabe. Daher sei es dringend zu empfehlen, eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, die Cannabis grundsätzlich verbietet. Fehlen solche betrieblichen Regelungen, ist zurzeit ungeklärt, ob der THC-Grenzwert für den Straßenverkehr auch auf den Arbeitskontext übertragen wird (siehe Abschnitt „Cannabis im Straßenverkehr“).
Sind Arbeits- oder Wegeunfälle versichert?
Kommt es unter Einfluss von Cannabis zu einem Unfall, kann für die betroffene Person der Versicherungsschutz durch die Unfallversicherung ausgeschlossen sein, wenn der Konsum der rechtlich wesentliche oder alleinige Grund für den Unfall ist. Kommen dabei andere Personen zu Schaden, macht der Unfallverursacher sich unter Umständen sogar schadensersatzpflichtig.
Darf der Arbeitgeber Cannabis-Kontrollen durchführen?
Betriebliche Cannabis-Kontrollen sind möglich. Diese setzen aber die Existenz einer klaren betrieblichen Regelung zum Verbot von Cannabiskonsum während der Arbeitszeit sowie zur Überwachung dieses Verbots voraus. Zudem müssen konkrete Verdachtsmomente vorliegen, um Beschäftigte kontrollieren zu können. Diese können Hinweisen von anderen Mitarbeitenden oder eigene Beobachtungen des Arbeitgebers beziehungsweise einer Führungskraft sein. Außerdem müssen die durchzuführenden Tätigkeiten ein hohes Gefahrenpotenzial aufweisen, durch das die Sicherheit von anderen Mitarbeitenden oder Dritten gefährdet sein könnte.
Alkohol und Cannabis im Straßenverkehr
Das deutsche Straßenverkehrsrecht erlaubt Autofahrern mit bis zu 0,5 Promille Alkohol im Blut, ein Fahrzeug führen dürfen. Beim Konsum von Cannabis gilt derzeit alles oberhalb eines Grenzwertes von einem Nanogramm THC pro Milliliter (1 ng THC/ml) im Blutserum als Ordnungswidrigkeit.
Weitere Informationen
- 11 Fragen und Antworten: Cannabis-Legalisierung und Arbeitsschutz
www.bgbau.de/service/haeufig-nachgefragt/cannabis-legalisierung-arbeitsschutz-faq#c81523 - Positionspapier der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV): NULL Alkohol und NULL Cannabis bei Arbeit und Bildung
www.dguv.de/medien/inhalt/mediencenter/pm/pressearchiv/2023/4_quartal/dguv_positionspapier_cannabis.pdf