Auf den Führungsstil kommt es an

Menschen sind verschieden. Diese Aussage ist zwar eine Binse, aber sie trifft natürlich auch auf Führungskräfte zu. Die Chefs und Chefinnen in deutschen Unternehmen unterscheiden sich in ihren Führungsstilen zum Teil erheblich. Und wie eine Führungskraft reagiert und agiert, hat natürlich auch Einfluss auf den Unternehmenserfolg.

Der US-amerikanische Verhaltenspsychologe William R. Torbert und der britische Unternehmensberater David Rooke haben 2005 in einem weitbeachteten Artikel im Harvard Business Manager sieben verschiedene Managertypen identifiziert: den Opportunisten, den Diplomaten, den Experten, den Macher, den Individualisten, den Strategen und den Alchemisten.

Etwas mehr als die Hälfte der befragten Führungskräfte (55 Prozent) ließen sich den Opportunisten, den Diplomaten oder den Experten zuordnen. Allerdings sind Unternehmen, die von einem dieser drei Managertypen geführt werden, weniger erfolgreich als Unternehmen, die von den anderen vier Managertypen geführt werden. Die erfolgreichsten Unternehmen der Untersuchung wurden von Individualisten, Strategen oder Alchemisten geführt, die rund 15 Prozent der Stichprobe ausmachten. Aber die gute Nachricht ist: Führungskräfte können ihr Verhalten und damit auch ihren Führungsstil ändern und somit zum Beispiel vom Diplomaten zu einem Individualisten oder Alchemisten werden. Dafür müssen sie aber verstehen, welcher Handlungslogik sie folgen und welcher Typ sie sind.

Der Opportunist

Der Opportunist

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Opportunisten sind vor allem an ihrem persönlichen Gewinn interessiert und suchen nach Möglichkeiten, andere Menschen auszunutzen. Häufig anzutreffende Charaktereigenschaften sind Misstrauen, Egozentrik und manipulatives Verhalten. Sie leben oft nach dem Motto „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Erfreulich ist: Torbert und Rooke schätzen ihre Zahl unter Führungskräften auf nur fünf Prozent.

Der Diplomat

Der Diplomat

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Diplomaten werden von Torbert und Rooke als treue Diener beschrieben, die versuchen, Kollegen in höheren Positionen zu gefallen und Konflikte zu vermeiden. Der Diplomat fügt sich gut in die Gruppe ein, kooperiert gerne und erfüllt seine täglichen Aufgaben gut. Er ist häufig auf unteren Managementebenen zu finden. In Top-Führungspositionen sind Diplomaten problematisch, da sie Konflikte gerne aus dem Weg gehen und sich deshalb vor Veränderungen scheuen, auch wenn diese unbedingt nötig sein sollten.

Der Experte

Der Experte

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Der Experte ist der am häufigsten anzutreffenden Typ unter den Führungskräften. Nach Torbert und Rooke sind fast 40 Prozent der Führungskräfte Experten. Dieser Typus strebt nach ständiger Verbesserung, Effizienz und Perfektion. Sie gelten deshalb als Leistungsträger und argumentieren mit Daten, Fakten und Zahlen. Allerdings neigen Experten dazu, in der täglichen Zusammenarbeit Menschen, die sie als weniger kompetent erachten, mit Verachtung zu behandeln. Die emotionale Intelligenz ist oft wenig ausgeprägt. Experten sind häufig in Berufen wie Wirtschaftsprüfer, Marktforscher, Softwareingenieur oder Unternehmensberater zu finden.

Der Macher

Der Macher

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Macher schaffen eine gute Arbeitsatmosphäre, die die Mitarbeiter fördert und fordert, und sich auf das Erreichen guter Ergebnisse konzentriert. Allerdings neigen sie dazu, zu selten über den eigenen Tellerrand zu schauen. Macher sind offen für Feedback und wissen, dass viele Konflikte des täglichen Lebens auf unterschiedliche Interpretationen der Welt zurückzuführen sind. Und dass die Lösung von Konflikten eine gewisse Sensibilität ebenso erfordert wie die Fähigkeit, andere positiv zu beeinflussen. Macher können ein Team zuverlässig führen, neue Strategien über einen Zeitraum von ein bis drei Jahren entwickeln und dabei ein Gleichgewicht zwischen unmittelbaren und langfristigen Zielen herstellen. Torbert und Rooke zählen rund 30 Prozent der Führungskräfte zu dieser Gruppe.

Der Individualist

Der Individualist

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Die Individualisten unter den Führungskräften fallen dadurch auf, dass sie wissen, dass soziale Beziehungen Konstruktionen sind. Diese Erkenntnis und Fähigkeit hilft ihnen dabei, gut mit anderen Managertypen auszukommen. Sie sind gut darin, unkonventionelle Lösungen zu suchen.  Gleichzeitig neigen sie aber dazu, Regeln zu ignorieren, die sie für irrelevant halten. Das allerdings führt zu Konflikten mit Kollegen und Vorgesetzten. Torbert und Rooke verorten rund zehn Prozent der Führungskräfte in diese Gruppe.

Der Stratege

Der Stratege

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Strategen konzentrieren sich auf organisatorische Zwänge und Wahrnehmungen, die sie als diskutabel und veränderbar betrachten. Sie können die Auswirkungen von Veränderungen auf die Organisation gut einschätzen. Strategen sind zudem in der Lage, Visionen zu entwickeln, die verschiedene Managertypen ansprechen. Sie können gut mit Konflikten umgehen und wissen instinktiv, wie sie der menschlichen Abneigung gegen Veränderungen begegnen können. Etwa vier Prozent der Führungskräfte zählen zu dieser Gruppe.

Der Alchemist

Der Alchemist

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Die kleinste Gruppe nach Torbert und Rooke stellen die Alchemisten dar, die rund ein Prozent der Führungskräfte ausmachen. Ihnen wird die Fähigkeit zugeschrieben, sich selbst und ihre Organisation auf historisch bedeutsame Weise zu erneuern oder zu erfinden. Alchemisten sind in der Lage, sich gleichzeitig mit vielen Situationen auf mehreren Ebenen auseinanderzusetzen. Alchemisten sind typischerweise charismatische und äußerst bewusste Menschen, die nach hohen moralischen Standards leben. Sie konzentrieren sich intensiv auf die Wahrheit.

Welchem Typus rechnen Sie sich zu? Falls Sie nicht damit zufrieden sein sollten: Die gute Nachricht ist, dass diese Typen nicht in Stein gemeißelt sind. Wir können uns ändern. Manchmal sind es äußere Einflüsse wie etwa eine Beförderung, die einen ganz neuen Blick auf die internen Organisationszusammenhänge erlauben und eine Veränderung anstoßen. Dasselbe können auch Weiterbildungen oder Umgestaltungen im Arbeitsumfeld bewirken.

Die Entwicklungsreise einer Führungskraft ist nicht einfach. Manche Menschen verändern sich im Laufe ihres Lebens nur wenig, andere wiederum erheblich. Doch wer bereit ist, an der eigenen Entwicklung zu arbeiten und sich dieser bewusst zu werden, hat den größten Schritt schon getan. Unternehmen, die ihren Führungskräften bei diesem Schritt helfen, werden mit großer Wahrscheinlichkeit davon profitieren.

Ein Artikel von
Falk Sinß

2. Dezember 2021

Kategorie

Wissen