„Ein ergonomisches Büro erhöht die Produktivität“

INTERVIEW MIT MARTIN LAUBLE

Der Arbeitssystemgestalter und Quality Office Consultant Martin Lauble erklärt im Interview mit PRÄVENTION AKTUELL wie das perfekte ergonomische Büro aussieht und welche Vorteile sich daraus für Unternehmen ergeben.

Fast die Hälfte aller Beschäftigten arbeitet in einem Büro. Körperliche Bewegung findet kaum statt. Doch häufiges Sitzen und mangelnde Bewegung sind ungesund, Rückenschmerzen und Muskel-Skelett-Erkrankungen sind oft die Folge. Doch was können Unternehmen tun, um ihre Büroarbeiter gesund zu erhalten? Die Antwort: Die Büros ergonomisch einrichten. Was Unternehmen dabei beachten sollten, hat mir der Arbeitssystemgestalter und Quality Office Consultant  Martin Lauble erklärt.

Martin Lauble ist Arbeitssystemgestalter und Quality Office Consultant
Martin Lauble ist Arbeitssystemgestalter und Quality Office Consultant. Foto: Privat
HERR LAUBLE, WENN ICH DIE MÖGLICHKEIT HABE, EIN BÜRO NEU EINZURICHTEN: WIE MÜSSTE ICH VORGEHEN, DAMIT ES PERFEKT ERGONOMISCH GESTALTET IST?

Das ist eine wunderbare Frage, weil sie viel zu selten an die richtigen Personen gestellt wird. Aber vorab möchte ich erwähnen, dass es kein perfekt gestaltetes Büro gibt. Wir leben in einer polaren Welt, wir müssen und wollen miteinander kommunizieren und Ideen austauschen. In einer Konzentrationsphase wird das als störend empfunden. Um aber auf Ihre Frage zurückzukommen:

Wie in jeder Produktionsstätte sollte zunächst die Aufgabe klar definiert sein, denn ein Außendienstler ist wesentlich seltener am Arbeitsplatz, als eine Buchhalterin, welche sich im Umgang mit den Zahlen extrem konzentrieren muss. In der Produktion würde anschließend die Methode festgelegt mit der die Arbeitsaufgabe erledigt werden kann. Natürlich würden Effektivität und Produktivität dabei eine große Rolle spielen, damit der Arbeitsraum und Arbeitsplatz optimiert genutzt werden kann. Und natürlich würden die Arbeitsmittel an die Menschen angepasst und die passenden Menschen für die Arbeit gesucht. Im Büro dagegen wird meistens erst reagiert, wenn die Beschäftigten schon über Probleme klagen, wenn zu viele Fehler geschehen oder die guten Leute das Unternehmen verlassen und sich keine neuen finden lassen.

ALSO SOLLTEN UNTERNEHMEN SICH PRODUKTIONSSTÄTTEN ALS VORBILD NEHMEN, WENN SIE NEUE BÜROS PLANEN UND EINRICHTEN?

Wenn wir die Produktivität in Büros mit denen von Produktionslinien vergleichen, liegt es auf der Hand, dass ein ergonomisch gut gestaltetes Büro in erster Linie prospektiv und präventiv betrachtet werden muss, wie man es in der Gestaltung von Produktionslinien auch macht. Meistens wird Ergonomie jedoch mit Anthropometrie, also der Lehre der Ermittlung und Anwendung der Maße des menschlichen Körpers, verwechselt und geglaubt, indem ein Sitz-Steh-Tisch mit gutem dreidimensionalem Stuhl eingesetzt wird, ist der Ergonomie genüge getan. Das ist natürlich zu einfach gedacht.

OK, ERGONOMIE IST ALSO MEHR ALS EIN SITZ-STEH-TISCH UND AUCH MEHR ALS EIN HÖHENVERSTELLBARER SCHREIBTISCH. WAS GEHÖRT NOCH DAZU?

Ergonomie heißt ja die Anpassung der Arbeit an den Menschen und umgekehrt. Es geht hier also um ein Arbeitssystem, bei dem alle Komponenten berücksichtigt werden sollten. Denn es ist eine grundlegende Aufgabe der Ergonomie, die Arbeit menschengerecht zu gestalten. Dabei sollten natürlich die arbeitswissenschaftlichen Kriterien Ausführbarkeit, Erträglichkeit, Zumutbarkeit, Zufriedenheit und Persönlichkeits-Förderung sowie Belastungs- und Beanspruchungsmodelle sowie miteinbezogen werden. Denn Menschen gehen mit Belastungen unterschiedlich um und werden somit unterschiedlich beansprucht. Doch auf Dauer wirken sich Belastungen immer negativ auf Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit aus.


Martin Lauble ist Arbeitssystemgestalter und Quality Office Consultant. Sie finden ihn hier: https://lauble.net/ Außerdem veröffentlicht er alle 14 Tage den sehr hörenswerten Podcast Office Talk – DER Podcast fürs gesunde Büro


DANN MACHT ES NATÜRLICH NOCH MEHR SINN, DIE BELASTUNGEN AUF EIN MINIMUM ZU REDUZIEREN. KOMMEN WIR ABER NOCH EINMAL AUF DEN ANFANG ZURÜCK UND RICHTEN UNSER BÜRO EIN. ES KOMMT DARAUF AN, ZU WELCHEM ZWECK DAS BÜRO GENUTZT WIRD. BLEIBEN WIR BEI DER BUCHHALTERIN. WIE RICHTE ICH FÜR SIE DAS BÜRO ERGONOMISCH EIN?

Ich möchte hier bewusst keine verallgemeinernde Antwort geben. Denn was ich mich im Großen über die Arbeitsaufgabe frage, gilt auch im Kleinen: Ich muss zunächst die Bedarfe klären. Wie viel wird noch mit Papier gearbeitet, ist alles schon digitalisiert, gibt es aktuell Beschwerden bei der Buchhalterin ? Sitzt Sie im Einzel- oder Mehrpersonenbüro und so weiter. Nur mit diesen Daten kann in der Mikroplanung – also dem Arbeitsplatz – die richtige Wahl getroffen werden und dann kann man an die Makroplanung gehen, also den Raum und wie ich die festgelegten Möbel dort platziere.

In meinen Beratungen versuche ich immer das TOP–Modell und dessen Wichtigkeit zu vermitteln. Technik – Organisation und persönliches Verhalten – diese Faktoren müssen gut zusammen „spielen“, damit ein gutes Arbeitsumfeld entsteht, in welchem die Beschäftigten gesund und leistungsfähig bleiben.

DIE BÜROEINRICHTUNG SOLLTE ALSO GENAU GEPLANT WERDEN. HERR LAUBLE, GEHEN WIR DOCH EINMAL INS DETAIL UND SCHAUEN UNS EINIGE TYPISCHE BÜRO-ARBEITSMITTEL AN. IST ES EGAL, WIE ICH DEN MONITOR UND TASTATUR MEINES COMPUTERS AUF DEM SCHREIBTISCH PLATZIERE?

Nein, natürlich nicht, hierfür gibt es auch gute Unterlagen von der Verwaltungsberufsgenossenschaft oder Informationen in meinem eigenen Podcast. Doch zurück zur Frage. Bei Monitor und Tastatur kann extrem viel falsch gemacht werden. Optimalerweise sollte der Bildschirm parallel zum Fenster stehen, damit die Beschäftigten nicht mit Blendungen im Bildschirm zu kämpfen haben. Auch den Bildschirm bitte nicht mit Blick zum Fenster aufstellen, dann leiden die Leute an hohen Leuchtdichte-Unterschieden.  Was jedoch am meisten falsch gemacht wird – wir arbeiten ja heutzutage meist mit zwei Monitoren –, dass die Monitore zu hoch und dann beide Monitore zu schräg stehen, sodass der Nacken immer unter Anspannung steht. Durch das zu hohe Aufstellen, leiden auch die Augen, weil weniger Flüssigkeit für die Augen produziert wird. Und gerade das Thema Augen und Sehen wird in Zukunft eines der größten Probleme werden, mit denen sich die Menschen beschäftigen müssen.

DANN SPIELT SICHER AUCH DIE BELEUCHTUNG EINE GROSSE ROLLE?

Natürlich, nur durch Licht  können wir überhaupt erst sehen. Außerdem wirkt Licht auf den Menschen auch in psychologischer Hinsicht. Grelles Licht kann beim konzentrierten Arbeiten unterstützen, während gedämpftes Licht die Kreativität unterstützt. Aber Achtung, auch hier sind die subjektiven Empfindungen zu berücksichtigen.

GERADE IN GROSSRAUMBÜROS ODER OFFENEN BÜROLANDSCHAFTEN LÄSST SICH LÄRM NICHT VERMEIDEN. WAS KÖNNEN UNTERNEHMEN TUN, DAMIT DER LÄRM IN EINEM VERTRETBAREN RAHMEN BLEIBT?

Während meiner Beratungen in Behörden, großen Konzernen aber auch KMU´s erlebe ich sehr häufig die Beschwerde über Lärm. Allerdings halte ich dieses Thema für überbewertet. Schauen wir uns die Lärmursachen an. Das war früher oft die Technik. Doch die ist deutlich leiser geworden. Außerdem wird Lärm oft mit Akustik verwechselt. In der Praxis sieht es nämlich so aus, dass wir in Büros Zeiten haben, in denen extrem viel telefoniert wird. Bei den typischen Viererblöcken in Großraumbüros, die ich immer wieder vorfinde, schaukelt sich der Lärm dann hoch.  Hier ist Lärm tatsächlich ein Problem.

Es gibt aber auch in allen Büros Phasen, da wird wenig telefoniert und die Beschäftigten versuchen sich zu konzentrieren. Sobald in dieser Phase eine Person spricht, ist nicht mehr der Lärm das Problem, sondern der Inhalt der gesprochenen Worte, weil wir können nicht nicht hören. Wir nehmen die Informationen auf und sind in dem Dilemma, welchen Gedanken denke ich. Zuhören und nichts verpassen – was bei gewissen Worten – je nach Persönlichkeit unvermeidbar ist. Somit bin ich von meiner Konzentrationstätigkeit weg, weil zwei Gedanken gleichzeitig denken kann niemand.

ABER ES BLEIBT JA EIN PROBLEM, DAS GELÖST WERDEN MUSS.

Richtig. In solchen Fällen helfen häufig Schirmungen am Arbeitsplatz. Diese Schirmungen gibt es in unterschiedlichen Absorber-Qualitäten. Leider wird hier sehr viel Unfug auf dem Markt behauptet und Unternehmen investieren viel Geld in solche Absorber, die dann nichts nutzen. Deshalb sollte man auch hier auf Qualität achten. Doch was ist der von Ihnen erwähnte vertretbare Rahmen?

Es gibt Normen, die das festlegen. Aber darauf allein sollten sich Unternehmen nicht verlassen. Denn was hilft es dem Unternehmen, wenn die Normen und Richtwerte zwar eingehalten werden, die Mitarbeiter sich aber trotzdem nicht konzentrieren können und deswegen Fehler machen.


PRÄVENTION AKTUELL FOLGE 29 – DAS RAUMKLIMA

https://praevention-aktuell.de/wp-content/uploads/2020/03/Praevention_Aktuell_Folge_29-Das-Raumklima.mp3


GYMNASTIKBÄLLE ODER SPEZIELLE HOCKER. SIND DAS GESUNDE ODER ERGONOMISCHE ALTERNATIVEN?

Ich bin kein Freund von Pauschalisierungen, nur soviel: Für Dauerarbeitsplätze sind sie gar nicht zulässig, weil sie keine Rückstütze und Lehne haben. Die Frage ist, habe ich einen guten Stuhl, bei dem ich in Bewegung bleibe oder einen Stuhl der gerade mal über die besagte Rückenstütze verfügt.  Habe ich nur letzteren zur Verfügung, dann macht es Sinn, dann und wann auf den Hocker oder Gymnastikball zu wechseln, weil es die Bewegung fördert.

Denn gerade die Bürobeschäftigten bewegen sich viel zu wenig. Solche Gymnastikbälle und beweglichen Hocker fördern die Bewegung, stimulieren trainieren den Gleichgewichtssinn. Ich kann das wirklich empfehlen – probieren Sie aus, nur bitte nicht dauerhaft gegen den Stuhl eintauschen. Aber ab und an mal darauf wechseln, wird Ihnen gut tun. Sie werden erstaunt sein, wie schnell Ihr Körper darauf anspricht und wie schnell sich Ihre Sinne wieder entwickeln.

Ein Artikel von
Falk Sinß

11. Juli 2018

Kategorie

Wissen