Mehr als ein Sitz-Steh-Tisch

Die meisten Menschen arbeiten in Büros. Körperliche Bewegung findet selten statt. Doch häufiges Sitzen und mangelnde Bewegung sind ungesund, Rückenschmerzen und Muskel-­Skelett­-Erkrankungen oft die Folge. Bei den Fehltagen sind Muskel-­Skelett­-Erkrankungen regelmäßig führend. Büros sollten deshalb so gestaltet sein, dass sie nicht die Gesundheit der Beschäftigten schädigen und gleichzeitig deren Leistungsfähigkeit erhalten. Mit anderen Worten: Das Büro sollte ergonomisch sein. Die Arbeit sollte sich an den Menschen anpassen.

In der Realität erlebt der Arbeitssystemgestalter und Ergonomieberater Martin Lauble aber häufig das Gegenteil. „Oft wird die Ergonomie mit der Anthropometrie, der Lehre der Ermittlung und Anwendung der Maße des menschlichen Körpers, verwechselt und geglaubt, indem ein Sitz-­Steh­-Tisch mit gutem dreidimensionalen Stuhl eingesetzt wird, also einer, der Bewegungen und Haltungswechsel in alle Richtungen ermöglicht, ist der  Ergonomie Genüge getan.“ Doch dieser Schluss greife zu kurz. Ergonomie sei mehr als ein höhenverstellbarer Schreibtisch. Den Unternehmen wäre mehr geholfen, wenn sie Büros wie eine betriebliche Produktionsstätte betrachten und behandeln würden.

Das Büro ist eine betriebliche Produktionsstätte

„Wie in jeder anderen Produktionsstätte auch sollte zunächst die Aufgabe klar definiert sein“, rät Lauble. „Ein Außendienstler ist wesentlich seltener am Arbeitsplatz als eine Buchhalterin, die sich im Umgang mit den Zahlen extrem konzentrieren muss.“ In der Produktion werde anschließend die Methode festgelegt, mit der die Arbeitsaufgabe erledigt werden kann. „Effektivität und Produktivität spielen dabei natürlich eine große Rolle, damit  Arbeitsraum und Arbeitsplatz optimal genutzt werden können“, so der Ergonomieberater. Und natürlich würden die Arbeitsmittel an die Menschen angepasst und die passenden Menschen für die Arbeit gesucht. „Im Büro dagegen wird meistens erst reagiert, wenn die Beschäftigten schon über Probleme klagen, wenn zu viele Fehler geschehen oder die guten Leute das Unternehmen verlassen und sich keine neuen finden lassen“, sagt Lauble. Dann sei es aber oft schon zu spät. Besser sei es, sich bei der Planung im Klaren darüber zu sein, für welchen Zweck das Büro genutzt werden soll.

„In meinen Beratungen versuche ich immer das TOP-­Modell und dessen Wichtigkeit zu vermitteln. Technik,  Organisation und persönliches Verhalten – diese Faktoren müssen  ‚zusammenspielen‘, damit ein gutes Arbeitsumfeld entsteht, in dem die Beschäftigten gesund und leistungsfähig bleiben“, so Lauble. „Das Büro ist ein Arbeitssystem, bei dem alle Komponenten berücksichtigt werden sollten.“ Neben der eigentlichen Arbeitsaufgabe sollten vorab auch die verschiedenen  Bedarfe geklärt werden. Wird noch viel mit Papier gearbeitet? Oder nur noch rein digital? Haben Beschäftigte  aktuell schon Rückenbeschwerden? Soll ein Ein­ oder Mehrpersonenbüro eingerichtet werden? Dabei sollten natürlich die arbeitswissenschaftlichen Kriterien Ausführbarkeit, Erträglichkeit, Zumutbarkeit, Zufriedenheit und Persönlichkeitsförderung sowie Belastungs-­ und Beanspruchungsmodelle beachtet werden. Nur mit diesen, teils sehr individuellen, arbeitsplatzbezogenen Daten kann die Arbeit wirklich menschengerecht gestaltet und die passenden Möbel und Einrichtungsgegenstände im Raum platziert werden.

Die zahlreichen Informationsmaterialien der Berufsgenossenschaften  sowie die Technischen Regeln für Arbeitsstätten bieten dafür eine gute Orientierung und erklären zum Beispiel, welcher Tastaturtyp geeignet ist, wo und wie Monitore aufgestellt werden sollen, welche Höhe Bürostuhl und Schreibtisch haben sollen, welche Lichtquellen genutzt werden können oder was Firmen unternehmen können, um die bestmögliche Büroraumakustik zu schaffen.


5 Tipps für mehr Produktivität im Büro

Teambüros von Viererblöcken in Zweireihen-Besiedelung umgestalten

Der persönliche Arbeitsbereich soll ohne mit im Rücken laufender Personen nutzbar und gern auch mit einer entsprechenden Privatheit ungehindert erreichbar sein. Damit wird nebenbei auch die zur Verfügung stehende Fläche deutlich besser genutzt.

Schirmungen

Schirme sind uns aus dem Alltag als gern genutzter Schutz bekannt. Im Büro und insbesondere am Arbeitsplatz sorgen sie in der richtigen Höhe für eine Minderung der akustischen und visuellen Ablenkungen. Hierbei  sollte auf eine gute Dämpfung der sprachrelevanten Frequenzen geachtet werden.

Anthropometrie

Beschäftigte sind Individuen. Deren Leistungsfähigkeit hängt unmittelbar mit der Gesundheit zusammen, weshalb das Mobiliar sich dem Körper anpassen sollte und nicht umgekehrt. Stuhl und Tisch sollten Bewegungen zulassen, denn die beste Haltung ist die nächste.

Digitalisierung

Die technischen Entwicklungen beschleunigen die Informationsverarbeitung, zwei Monitore sind heute Standard am Arbeitsplatz und erhöhen laut Fraunhofer ­Institut die Produktivität. Gleichzeitig birgt dies die Gefahr von Fehlhaltungen, die Sie am besten vermeiden, wenn die Monitore ohne Minderung der Tischflächen in einer dritten Ebene angebracht sind. Um Verspannungen zu vermeiden, sollte der Blick zum Hauptmonitor ohne Verdrehen des Kopfes möglich sein.

Meetings

Meetings werden häufig als Sitzungen missverstanden. Machen Sie doch eine „Stehung“ daraus, insbesondere bei Angelegenheiten, die in einigen Minuten geklärt werden können. Hierbei können bis zu zwölf Prozent Zeit eingespart werden, allerdings sollten hierzu die entsprechenden Rückzugszonen mit Stehtischen vorhanden sein.

Quelle: Martin Lauble

Ein Artikel von
Falk Sinß

3. Juli 2020

Kategorie

Wissen