Mehr Corona-Infektionen bei Präsenzarbeit als im Homeoffice
Homeoffice und andere Formen des mobilen Arbeitens sind bei vielen Unternehmen nach fast einem Jahr coronabedingter Einschränkungen nicht mehr das Mittel der Wahl. Trotz eines schärferen zweiten Shutdowns und einem stärkeren Infektionsgeschehens arbeiteten viele Beschäftigte in Vollzeit im Präsenzbetrieb. Manche freiwillig, andere auf Wunsch oder Anordnung des Vorgesetzten oder des Arbeitgebers. Erst mit Inkraftreten der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung hat die Zahl der Beschäftigten im Homeoffice wieder zugenommen. Das Team um Organisationsforscher Prof. Dr. Florian Kunze von der Universität Konstanz wollte wissen, wie es diesen Beschäftigten geht.
Potenzial des Homeoffice wird nicht genutzt
Bereits im Frühjahr 2020 begannen sie deshalb mit einer empirischen Längsschnittstudie. Sie untersuchten Vor- und Nachteile von Homeoffice und Präsenzarbeit und befragten dafür stets dieselben Personen, um die Entwicklung der Einstelllungen zum Homeoffice über einen längeren Zeitraum verfolgen zu können. Die jüngste Befragung von Ende Januar 2021, also vor Inkrafttreten der neuen Corona-Arbeitsschutzverordnung, zeigt nun Befunde, die auf beträchtliche Gefährdungen bei einer Rückkehr in die Präsenzarbeit hinweisen, solange die Corona-Pandemie nicht besiegt ist.
Die Forscherinnen und Forscher stellten fest, dass das volle Potenzial des Homeoffices zumindest bis Ende Januar nicht ausgenutzt wurde. Demnach war zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 niemand aus der Stichprobe vollständig in Präsenzarbeit, während es im Mai schon wieder 15 Prozent und im Oktober gar 34 Prozent war. Ende Januar 2021 waren es immer noch 20 Prozent der Befragten in Präsenzarbeit. 37 Prozent der Befragten gaben an, auf Wunsch ihres Arbeitsgebers wieder in Präsenz zu arbeiten und 15 Prozent fügten sich dem Wunsch ihrer Führungskraft und kehrten in den Betrieb zurück. Doch auch die persönlichen Vorlieben oder Voraussetzungen zu Hause spielen eine Rolle: 36 Prozent der Befragten arbeiteten wieder in Präsenz, weil sie es so wollten.
Die Ergebnisse der Stichprobe ähneln denen einer Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung. Demnach hat Ende Januar ein Viertel der Erwerbstätigen in Deutschland vorwiegend oder ausschließlich im Homeoffice gearbeitet. Der Anteil liegt damit aktuell wieder in etwa so hoch wie während des ersten Lockdowns im April 2020 (27 Prozent), und er ist in den vergangenen Monaten gestiegen: von lediglich 14 Prozent im November auf 17 Prozent im Dezember und dann deutlich auf 24 Prozent im Januar. Ein Grund für die Zunahme der im Homeoffice-Arbeitenden ist die Veranschiedung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung, die Arbeitgeber dazu auffordert, „den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen.“ So gab rund ein Drittel der befragten Homeoffice-Arbeitenden an, dass die Beschlüsse der Bundesregierung ein Grund für ihren Wechsel ins Homeoffice waren. Oft, weil ihr Arbeitgeber erstmals Heimarbeit ermöglichte, zum Teil wohl auch, weil sie selbst nun konsequenter zu Hause arbeiten.
Die Produktivität nimmt zu im Homeoffice
Die Konstanzer Homeofficestudie liefert aber auch interessante Werte zur Selbsteinschätzung der eigenen Produktivität im Homeoffice. Wer zumindest einen Teil im Homeoffice verbringt, schätzt die eigene Effektivität höher ein als die Beschäftigten, die einer Präsenzarbeit nachgehen. So stuften 85 Prozent derjenigen, die zumindest zum Teil im Homeoffice waren, ihre Produktivität als „gut“ bis „sehr gut“ ein, während nur 73 Prozent der Präsenzarbeitenden das taten.
Wenig verwunderlich konnte das Forschungsteam einen möglichen Zusammenhang zwischen Präsenzarbeit und Infektionen feststellen. Insgesamt gaben 4,2 Prozent der Befragten in Präsenzarbeit an, seit Oktober 2020 positiv getestet worden zu sein. Die Infektionen lagen damit, abhängig von der jeweiligen Aktivität, um den Faktor vier bis acht höher. Ein Drittel der Befragten gab zudem an, dass noch während des aktuellen Shutdowns in ihrem Unternehmen Besprechungen in Präsenz durchgeführt wurden. Während von den Beschäftigten, bei denen keine Besprechungen in Präsenz durchgeführt werden, nur 1,2 Prozent positiv auf Covid-19 getestet wurden, waren dies bei den Beschäftigten mit Besprechungen vor Ort 9,9 Prozent.
Weniger Corona-Infektionen im Homeoffice
Dieser Trend findet sich auch bei anderen Aktivitäten vor Ort: Von den Beschäftigten, bei denen die Kantine oder das Betriebsrestaurant in letzter Zeit geöffnet gewesen war (22 Prozent), waren 9,8 Prozent seit Oktober 2020 mit Corona infiziert, während es bei den Befragten mit geschlossener Kantine nur 2,7 Prozent waren. Zudem gaben 26 Prozent der Befragten an, sich derzeit noch häufig mit anderen Kolleginnen und Kollegen vor Ort zu treffen. Unter diesen Beschäftigten lag der Anteil an Covid-19-Infektionen bei 9,1 Prozent, während nur 2,5 Prozent derer, die angaben, keine Kolleginnen und Kollegen vor Ort zu treffen, positive Corona-Infektionen aufwiesen.
Weitere Informationen zu Konstanzer Homeoffice-Studie finden Sie hier
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