Smarter Schutz für die Feuerwehr

Wie PSA die Sicherheit erhöht und Einsätze erleichtert

Schutz ist gut, intelligenter Schutz ist besser: Mit Technologie und Vernetzung wertet das Start-up „Smart PSA“ die persönliche Schutzausrüstung (PSA) für die Einsatzkräfte der Feuerwehr auf.

Text: Holger Toth (Redaktion)

AUF DEN PUNKT

  • Funktionen der Feuerwehrjacke: Messung von Vitalfunktionen und Umgebungstemperatur, intelligenter Totmann-Warner und LED-Beleuchtung
  • Einsatzkräfte lassen sich über das „FloriaX“-System genau verorten
  • Temporäre Vernetzung zwischen verschiedenen Feuerwehren kann Einsatzkoordination erleichtern

Ein RFID-Chip im Sicherheitsschuh erkennt, wenn sich sein Träger einem bestimmten Bereich nähert. Die Tür öffnet sich dann ganz automatisch, sofern er eine Zugangsberechtigung hat. Hilfreich und praktisch, wenn der Beschäftigte zum Beispiel die Hände nicht frei hat oder wenn er in einem sensiblen Bereich arbeitet, in dem Berührungen zu vermeiden sind. Aber auch smart? Für den Unternehmensgründer Denis Weber reicht das noch nicht aus. „Smart wird persönliche Schutzausrüstung in dem Moment, in dem sie Daten ihres Nutzers erhebt und auswertet“, sagt er. Das Ergebnis können beispielsweise Warnungen sein oder Hinweise, um Fluchtwege zu erreichen.

Mit seinem Start-up „Smart PSA“ stellt er genau solche Systeme her. Marktreif sind inzwischen die Feuerwehrjacke und die zugehörige Software „FloriaX“. „Der Träger soll die PSA nutzen können, ohne irgendwelche anderen Geräte anziehen oder anschließen zu müssen“, lautet die Prämisse Webers. Durch die Jacke lassen sich ohne großen Aufwand verschiedene Funktionen überwachen. Sie misst über eingearbeitete Sensoren Puls, Blutsauerstoffsättigung und Körpertemperatur ihres Trägers sowie die Umgebungstemperatur.

Das System warnt, die Menschen entscheiden

Der Clou: Die Jacke ist mit „FloriaX“ vernetzt, diese Plattform steuert das System. Dort laufen alle Daten und Informationen zusammen, sodass die Einsatzleitung auf ihrem Bildschirm sehen kann: Die Vitalfunktionen des Kameraden A sind besorgniserregend – raus aus dem Einsatz! Oder: Die Umgebungstemperatur bei den Kameraden B und C ist zu hoch, es droht Überhitzung – weg da! „Der ausschlaggebende Punkt ist die multiple Messung“, erklärt Weber. Ein erhöhter Puls könne im Einsatz vorkommen. In Verbindung mit einer auf beispielsweise 39 Grad gestiegenen Körpertemperatur würde das System aber die Warnung ausgeben, dass ein kritischer Punkt erreicht sei. „Letztendlich müssen dann natürlich immer der PSA-Träger oder die Einsatzleitung entscheiden, ob jemand aus dem Einsatz rausgeholt wird.“

Die Jacke verfügt an den Reflektorstreifen über LED-Beleuchtung. Die lässt sich individuell anpassen, sodass alle beispielsweise sofort erkennen können: Die Kameraden mit den rot leuchtenden Jacken gehören zur Angriffstruppe bei der Wohnungsbrandbekämpfung, der Wassertrupp trägt Blau, der Schlauchtrupp Grün.

Sensoren können Einsatzkräfte in Gebäuden orten

Die intelligente Version eines Totmann-Warners ist ebenfalls in die Jacke integriert. Er erkennt Stürze und gibt nach 45 Sekunden der Bewegungslosigkeit automatisch eine Warnmeldung an die Einsatzleitung. Die kann sofort handeln und den Rettungstrupp in das Gebäude hineinschicken. Auf „analogem“ Wege läuft die Kontrolle üblicherweise so ab, dass die Atemschutzüberwachung im Abstand von fünf Minuten Funkkontakt zum Angriffstrupp im Gebäude aufnimmt: Wie viel Druckluft habt ihr noch? Wo seid ihr? Wie geht es euch? „Darauf zu antworten kann unter Umständen nervig sein, wenn ich gerade mit Löscharbeiten beschäftigt bin“, sagt Weber. Weitere Probleme: Passiert ein Unfall direkt nach dem Funkspruch, dauert es fünf Minuten, bis die Atemschutzüberwachung bemerkt, dass etwas nicht stimmt. Außerdem vergeht wertvolle Zeit, wenn der Rettungstrupp die Kameraden im Gebäude erst einmal suchen und finden muss.

Die Suche nach dem verunfallten Kameraden gestaltet sich mit „FloriaX“ einfacher. „Dank der Sensoren in der Feuerwehrjacke sind wir in der Lage, die Einsatzkräfte innerhalb eines Gebäudes zu orten und dies auf einer Karte darzustellen“, erklärt Weber. Dafür brauche man keine Netzdienste wie GSM, kein GPS und auch keine Beacons (Funkbaken auf Bluetooth-Basis).

Bei der Entwicklung hat Weber seine eigenen Erfahrungen einfließen lassen. 17 Jahre lang war er bei der freiwilligen Feuerwehr tätig. Er weiß, dass Feuerwehrleute bei Gefährdungen wie Flammen, Hitze und Rauch häufig an ihre Grenzen gehen. Manchmal sogar darüber hi­naus. „Ich hatte selbst schon Einsätze, bei denen ich mich schlecht gefühlt habe und die ich trotzdem durchgezogen habe“, sagt er. Denn: Wer will sich schon eingestehen, dass er nicht mehr kann und aus dem brennenden Haus raus muss, während die Kollegen das Feuer weiter bekämpfen? Da ist es äußerst nützlich, wenn die ­Einsatzleitung von außen die Reißleine zieht – bevor der Rettungstrupp einen ohnmächtigen Kameraden suchen und retten muss.

„Irgendwas mit Atemschutzarbeiten“

Das Tüfteln hat Denis Weber schon als Kind gelernt. Als Siebenjähriger hatte er eine Akustikgitarre, wollte aber lieber auf einer E-Gitarre spielen. Sein Vater zeichnete einen Schaltplan und besorgte die nötigen Teile bei einem Elektrohändler. „Er hat mich meinen Verstärker selbst bauen lassen“, sagt Weber. Der Grundstein für seine berufliche Laufbahn war damit gelegt. Auch wenn es ein paar Umwege bis zum Start-up brauchte. So war Weber schon im Bereich Payment und Ticketing tätig, brachte beispielsweise in verschiedenen Stadien der Fußball-Bundesliga das bargeldlose Zahlen auf den Weg. „Das war aber nie meine Erfüllung“, sagt Weber.

Dass nicht nur Rettungs- und Einsatzkräfte Atemschutzmasken und -geräte benutzen, bemerkte der Feuerwehrfan zufällig – an einer roten Ampel in Darmstadt wartete neben ihm ein Fahrzeug, auf dem „irgendwas mit Atemschutzarbeiten“ stand, so ganz genau erinnert er sich nicht mehr an den Wortlaut. „Auf einmal“ sei er in der Industrie tätig gewesen. Jeden Tag Chemikalienschutzanzüge, Wasserhöchstdruckreiniger, Atemschutz. Für Atemschutzgeräteträger ist Weber sogar Ausbilder. Er erzählt das alles so, als sei es einfach passiert und als habe es nichts mit seinem Entdeckerdrang und seinem Erfindergeist zu tun.

Tankabnahme mithilfe eines Livestreams

Dabei halfen ihm während dieser Zeit genau diese Eigenschaften dabei, erste Erfahrungen mit der Aufwertung von persönlicher Schutzausrüstung zu machen. Aus der Not heraus. Denn für die Kontrolle eines Tanks hätte ein Sachverständiger eigentlich in den Behälter hineingemusst. Allerdings hatte der Prüfer nicht die erforderliche Ausbildung im Umgang mit Atemschutzgeräten und auch nicht die Berechtigung für die Arbeit in engen Räumen und Behältern. Die Stilllegung des Tanks hätte für das Unternehmen einen großen wirtschaftlichen Schaden bedeutet. Was also tun?

Weber improvisierte fachmännisch, baute eine Point-of-View-Kamera in eine Atemschutzmaske ein, setzte sich die Maske auf und kletterte selbst in den Tank. Es funktionierte! Der Prüfer sah draußen am Bildschirm live, was Weber sah, und konnte ihn dirigieren, wenn er sich diese oder jene Schweißnaht noch einmal näher anschauen wollte. „Am Ende konnte der Tank abgenommen werden. Noch dazu hatten wir das erste Mal eine Foto- und Videodokumentation vom Tankinnenraum“, sagt Weber.

LEDs auf den Reflektorstreifen als Knackpunkt

Die Idee, Feuerwehr-Equipment intelligenter und sicherer zu machen, war geboren. Aus mehreren Gründen: Erstens konnte Weber seine eigene Erfahrung einbringen. Zweitens aus Marketing-Überlegungen – die Schutzausrüstung der Einsatzkräfte macht in der Außenwirkung ordentlich was her. Drittens gehören die Anforderungen für die Feuerwehr-PSA zu den striktesten überhaupt. Also war Weber schon bei der Entwicklung klar: Alles, was er an Elektronik in die Feuerwehr-Schutzausrüstung integrieren kann, kann er auch in andere Workwear integrieren.

Knackpunkt seien die LEDs auf den Reflektorstreifen gewesen. „Die dürfen nicht brennen“, bringt es Weber auf den Punkt. Er unterzog die Jacke mit den LEDs einem Test, der über das hinausgeht, was die DIN-Norm EN 469:2020 („Schutzkleidung für die Feuerwehr – Leistungsanforderungen für Schutzkleidung für Tätigkeiten der Feuerwehr“) fordert. „Wir haben unsere LEDs 15 Sekunden lang einer Beflammung von 1.500 Grad ausgesetzt“, so Weber. Test bestanden.

Die Feuerwehrjacke mit dem „FloriaX“-System verfügt über LED-Beleuchtung und einen intelligenten Totmann-Warner, sie misst die Vitalfunktionen des Trägers und die Temperatur. Screenshot: Holger Toth/UNIVERSUM

Einziger Haken: Die Normung ist noch nicht für smarte PSA ausgelegt (siehe auch Interview mit Prof. Werner auf Seite 8). Deshalb müssen Feuerwehren, die die intelligente Schutzausrüstung verwenden wollen, dafür eine Gefährdungsbeurteilung erstellen. Die Schutzfunktion der Jacke bleibe aber ohnehin das Wichtigste und werde durch die Elektronik nicht beeinträchtigt, versichert Weber. Die intelligente Schutzausrüstung hält auch Industriewäschen stand.

System kann Feuerwehren ­einfach miteinander vernetzen

Mittlerweile hat Weber bereits Kooperationen mit einigen Herstellern von Feuerwehr-PSA angestoßen. Die Unternehmen bringen ihre Reichweite und ihre Fertigkeiten in der Herstellung von Textilien ein. Denis Weber liefert die Technologie. „Das kann man sich vorstellen wie bei Zulieferern, die für Automobilhersteller Kabelbäume herstellen“, sagt der 39-Jährige. Nur dass die Elektronik eben in Textilien integriert wird.

Das System ist so aufgebaut, dass verschiedene Feuerwehren sich temporär miteinander verbinden können. Bei einer städteübergreifenden Großschadenslage können beispielsweise die Wiesbadener und Mainzer Feuerwehr ihre Daten teilen und die Stabsstelle weiß sofort, wie viele Einsatzkräfte insgesamt im Einsatz sind und wo sie sich gerade befinden. „FloriaX“ funktioniert sogar bundesweit, sollte ein Katastrophenfall wie seinerzeit im Ahrtal eintreten und Einsatzkräfte aus ganz Deutschland hinzugezogen werden. „In dem Fall ist der Puls oder die Körpertemperatur einzelner Einsatzkräfte für die Stabsstelle vielleicht weniger interessant. Aber bei der Einsatzlogistik kann das System unterstützen“, sagt Weber.

Wie Schuhe bei der Evakuierung helfen können

Die Ideen gehen Denis Weber damit längst nicht aus. Smarte Schuhe könnten das nächste Projekt werden, sowohl Feuerwehrstiefel als auch normale Sicherheitsschuhe. Eine recht simple Anwendung wäre zum Beispiel: Der Schuh ermittelt das Gewicht seines Trägers und erkennt, wenn ein Lagerarbeiter ein höheres Gewicht trägt, als er soll. Mit Vibrationen warnt er seinen Träger vor der Überbelastung. Eine andere Sicherheitsfunktion könnte bei Arbeiten in Räumen mit Gaslöschanlagen greifen. Dann würde der Schuh ein Signal an die Löschanlage senden, dass sich noch eine Person im Raum befindet und dieser nicht mit Gas geflutet werden darf.

Auch die Evakuierung eines Gebäudes ließe sich auf der Grundlage des „FloriaX“-Systems verbessern. Eine Karte, in der unter anderem Fluchtwege, Notausgänge und Feuerlöscher eingetragen sind, und die Kopplung des Systems an die Rauchmeldeanlage bilden dafür die Basis. Im Brandfall registriert das System, welcher Rauchmelder ausgelöst hat. Über die Schuhe sind die genauen Positionen der Beschäftigten im Raum verortet. Sie lotsen ihre Träger dann auf dem besten Weg zu den Notausgängen: Vibrieren beide Schuhe, heißt das geradeaus; vibriert nur ein Schuh, heißt das abbiegen in die entsprechende Richtung. „Somit habe ich eine dynamische Fluchtwegführung aus dem Gebäude heraus“, fasst Weber zusammen.