Corona-Infektion einer Kassiererin ist kein Arbeitsunfall

Urteil

Es ist durchaus möglich, dass eine Corona-Erkrankung als Arbeitsunfall anerkannt wird. Die Beweisführung ist aber schwierig, wie der Fall einer Supermarktverkäuferin zeigt.

Die damals 58-jährige Klägerin war im Herbst 2020 als Verkäuferin in der Berliner Filiale einer Supermarktkette tätig. Dort arbeitete sie unter anderem an der Kasse. Am 20. Oktober 2020 ergab ein bei ihr durchgeführter PCR-Test eine Corona-Infektion. Im Dezember 2021 teilte die behandelnde Hausärztin der zuständigen Berufsgenossenschaft mit, die Klägerin sei seit März 2021 wegen eines Long-COVID-Syndroms dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt.

Die Berufsgenossenschaft lehnte es ab, die Infektion mit dem COVID-19-Virus als Arbeitsunfall anzuerkennen und für die ärztliche Behandlung und Entschädigung der Klägerin aufzukommen. Eine konkrete Person („Index-Person“), auf die die Infektion zurückzuführen sei, habe die Verkäuferin nicht benannt. Eine Ansteckung im nicht versicherten, privaten Umfeld sei nicht ausgeschlossen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Berlin blieb ohne Erfolg.

Corona-Infektion kann grundsätzlich Arbeitsunfall sein

In der Berufung hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die Entscheidung des Sozialgerichts bestätigt. Eine Infektion mit dem COVID-19-Virus komme zwar grundsätzlich als Unfallereignis in Betracht. Allerdings fehle es hier an dem erforderlichen Vollbeweis, dass sich die Übertragung des Virus tatsächlich im Supermarkt zugetragen habe.

Zwar müsse für den Nachweis nicht zwingend ein intensiver Kontakt mit einer infektiösen Person während der Arbeit stattgefunden haben. Es genüge aber auch nicht, dass das Risiko auf der Arbeitsstelle allein wegen der größeren Anzahl an Kontakten höher als im Privatbereich gewesen sei.

Erhöhte Infektionsrisiken im Beruf als Nachweis nicht geeignet

Das Gericht stellte fest, dass niemand ausfindig gemacht werden kann, mit dem die Klägerin im möglichen Ansteckungszeitraum in Kontakt stand und bei dem das COVID-19-Virus hätte nachgewiesen werden können. Eine vollständige Isolation der Verkäuferin im privaten Bereich könne bei lebensnaher Betrachtung nicht angenommen werden. Damit sei angesichts der pandemischen Ausbreitung letztlich nicht aufklärbar, wo sich die Verkäuferin mit dem Virus infiziert habe.

Auch der Verweis der Verkäuferin auf erhöhte Infektionsrisiken in ihrem Beruf sei nicht geeignet, eine konkrete Infektion nachzuweisen. Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin kann beim Bundessozialgericht die Zulassung der Revision beantragen.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 22.07.2024
– L 3 U 114/23 –

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