Fein verdrillt

Drahtzieher

Draht ist ein unscheinbarer, aber unverzichtbarer Begleiter des modernen Lebens. Wie selbstverständlich nutzen Menschen das kaltgezogene Metall auf vielfältige Weise, vom Stromkabel bis zur Büroklammer. Lange Zeit kann Draht jedoch nur mit dem speziellen Wissen der Drahtzieher hergestellt werden.

Text: Phillip Berg  Foto: LWL-Medienzentrum für Westfalen

Die Herstellung ist aufwendig: Metallstreifen werden gegossen, feiner ausgeschmiedet und zu Draht verdrillt. Die Technik – das sogenannte Drahtziehen – ist schon vor Beginn unserer Zeitrechnung bekannt, aber nicht weitverbreitet. Entsprechend teuer sind Produkte aus diesem Werkstoff, dessen Vielseitigkeit schon vor mehr als 2.000 Jahren geschätzt wird. Gewaltsame Auseinandersetzungen im frühen Mittelalter führen dazu, dass ein hoher Bedarf an Draht entsteht: Kettenhemden schützen effektiv vor Verletzungen durch Pfeile und Schwerter. So entsteht die Zunft der Drahtzieher.

Körperkraft der Trampelzieher ist gefragt

Mithilfe von Zieheisen oder -steinen können Drähte auf die gewünschten Durchmesser gebracht werden. Dabei wird das angespitzte Metall durch sich verjüngende Löcher – die Hole – gezogen. Diese Arbeit erfolgt zunächst durch Körperkraft: Trampelzieher stehen auf dem Zieheisen und ziehen den Draht durch das Hol. Diese und andere Techniken mit Körpereinsatz finden heute noch – ganz selten – bei der Herstellung von Feindrähten Anwendung. Die Städte Augsburg, Nürnberg, Iserlohn und Altena erlangen besondere Bedeutung in der Drahtproduktion und -verarbeitung. Das technische Wissen der Drahtherstellung wird gut gehütet und stetig weiterentwickelt.

Auch die Herstellung des Ausgangsmaterials ist bis ins hohe Mittelalter Handarbeit von Schmieden. Doch die Nutzung von Wasserkraft erleichtert die Drahtherstellung erheblich: Wasserkraftbetriebene Blasebälge machen die Eisengewinnung deutlich effizienter, Schmiedehämmer können erstmals automatisiert werden, Maschinen erleichtern das Ziehen der Drähte durch die Zieheisen. Im Sauerland – reich an kleinen Wasserläufen, Erz und Holz – konzentrieren sich viele Betriebe. Auf engstem Raum finden Rohstoffabbau, Halbzeugherstellung, das Ziehen der Drähte und deren Veredelung statt.

Das Sauerland als Hochburg der Drahtproduktion

Zwar verlieren Kettenhemden in der Frühen Neuzeit an Bedeutung, die Drahtzieher passen jedoch ihre Produkte an. Nach dem Dreißigjährigen Krieg übernimmt das von Kampfhandlungen weitgehend verschonte Sauerland die Führungsrolle in der Drahtherstellung. Die Industrialisierung führt zu mehr Nachfrage und weiterer technischer Innovation, Arbeiten werden automatisiert. Der Beruf des Drahtziehers hat damit ausgedient. Das Wissen bleibt allerdings in Form des 2013 etablierten Ausbildungsberufs der Fachkraft für Metalltechnik der Fachrichtung Umform- und Drahttechnik erhalten.

Tipp

Das Deutsche Drahtmuseum in Altena bietet interessante ­Einblicke in die Welt der Drahtzieherei.
www.burg-altena.de/museum/deutsches-drahtmuseum

Unser Autor Phillip Berg arbeitet als Kurator bei der DASA Arbeitswelt Ausstellung in Dortmund. Dort erstrecken sich auf einer Größe von fast zwei Fußballfeldern spannende Erlebniswelten zum ­Entdecken und Mitmachen. Hier macht Arbeit sogar Spaß!
www.dasa-dortmund.de


Literatur:
Düttmann, Martina; Sensen, Stephan (Hrsg.): Draht: Vom Kettenhemd zum Supraleiter. Iserlohn 2001.