Maschinensicherheit

Die rechtssichere ­ Gefährdungsbeurteilung

Auch für die Sicherheit von Maschinen ist die Gefährdungsbeurteilung das zentrale Element. Sie hilft, Risiken zu identifizieren, zu bewerten und geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Unser Beitrag zeigt, wie Unternehmen eine effektive Gefährdungsbeurteilung im Rahmen der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG durchführen können.

Text: Franz Roiderer (Redaktion)

AUF DEN PUNKT

  • Die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG fordert eine umfassende Risikobeurteilung für jede Maschine
  • Hersteller müssen die Ergebnisse der Risikobeurteilung in der technischen Dokumentation festhalten
  • Betreiber sind verpflichtet, die Gefährdungsbeurteilung an ihre spezifischen Einsatzbedingungen anzupassen

Die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG bildet den rechtlichen Rahmen für die Sicherheit von Maschinen im europäischen Wirtschaftsraum. Sie verpflichtet Hersteller, eine umfassende Risikobeurteilung durchzuführen und Maschinen so zu konstruieren und zu bauen, dass sie sicher betrieben, eingerichtet und gewartet werden können.

Die Risikobeurteilung nach Maschinenrichtlinie umfasst folgende Schritte:

  1. Festlegung der Grenzen der Maschine: Dies beinhaltet die bestimmungsgemäße Verwendung sowie jede vernünftigerweise vorhersehbare Fehlanwendung, wenn also beispielsweise die Maschine bei der Wartung ungesichert ist, falsches Material oder die falsche Menge an Material mit der Maschine bearbeitet werden soll.
  2. Ermittlung der Gefährdungen: Alle möglichen Gefährdungen, die von der Maschine ausgehen können, müssen identifiziert werden. Die Norm DIN EN ISO 12100 „Sicherheit von Maschinen“ bietet hierfür einen umfassenden Katalog möglicher Gefährdungen und bildet somit die normative Grundlage der Gefährdungsbeurteilung.
  3. Risikoeinschätzung: Für jede identifizierte Gefährdung muss das Risiko eingeschätzt werden. Dabei werden Faktoren wie Schadensausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit berücksichtigt.
  4. Risikobewertung: Es wird entschieden, ob eine Risikominderung erforderlich ist.
  5. Risikominderung: Maßnahmen zur Risikominderung werden nach dem Prinzip der dreistufigen Sicherheitsstrategie festgelegt. Die Stufen bestehen aus einer inhärent sicheren Konstruktion, den technischen ­Schutzmaßnahmen und den Benutzerinformationen zu Restrisiken.

Die Maschinenrichtlinie fordert, dass Hersteller diesen Prozess so lange wiederholt („iterativ“) durchführen, bis ein akzeptables Restrisiko erreicht ist. Die Ergebnisse müssen in der technischen Dokumentation festgehalten werden.

Gefährdungsbeurteilung baut auf Risikobeurteilung auf

Für Betreiber von Maschinen ist die Gefährdungsbeurteilung nach Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) verpflichtend. Sie baut auf der Risikobeurteilung des Herstellers auf, muss aber die spezifischen Einsatzbedingungen berücksichtigen. Dazu gehören unter anderem die Arbeitsumgebung (wie Lärm, Beleuchtung), die Wechselwirkung mit anderen Maschinen oder die Qualifikation der Bediener.

Die Gefährdungsbeurteilung muss regelmäßig überprüft und bei Änderungen aktualisiert werden. Besondere Aufmerksamkeit erfordern Umbauten oder Modifikationen an der Maschine, Veränderungen im Produktionsprozess und neue Erkenntnisse über Gefährdungen oder Schutzmaßnahmen.

Ein wichtiger Aspekt der Maschinensicherheit ist die Beachtung des Stands der Technik. Die harmonisierten europäischen Normen konkretisieren die Anforderungen der Maschinenrichtlinie und bieten Herstellern und Betreibern wichtige Orientierung. Besonders relevant sind:

  • EN ISO 12100: Sicherheit von Maschinen
  • EN ISO 13849: Sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen
  • EN 60204: Elektrische Ausrüstung von Maschinen

Die Anwendung dieser Normen führt zur Konformitätsvermutung, erleichtert also den Nachweis der Übereinstimmung mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Maschinenrichtlinie.

Für komplexe Maschinen oder Produktionsanlagen kann es sinnvoll sein, Methoden wie FMEA (Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse) oder HAZOP (Hazard and Operability Study) einzusetzen. Diese strukturierten Verfahren helfen, potenzielle Fehler und deren Auswirkungen systematisch zu analysieren.

Dokumentation als Instrument für das Sicherheitsmanagement

Die abschließende Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung ist nicht nur rechtlich vorgeschrieben, sondern auch ein wichtiges Instrument für das Sicherheitsmanagement. Sie sollte mindestens enthalten:

  • Beschreibung der Maschine und ihrer Verwendung
  • identifizierte Gefährdungen und Risiken
  • getroffene Schutzmaßnahmen
  • Beurteilung der Wirksamkeit der Maßnahmen
  • Hinweise auf verbleibende Restrisiken

Betriebsanweisungen berücksichtigen die Einsatzbedingungen

Für Betreiber ist es unerlässlich, die Betriebsanleitung des Herstellers sorgfältig zu beachten. Sie enthält wichtige Informationen zur sicheren Verwendung, Wartung und Instandhaltung der Maschine. Ergänzend dazu müssen Betriebsanweisungen erstellt werden, die die spezifischen Einsatzbedingungen berücksichtigen.

Die Einbeziehung der Beschäftigten in die Gefährdungsbeurteilung ist zwar nicht vorgeschrieben, aber praktisch sinnvoll. Die Mitarbeiter kennen die täglichen Arbeitsabläufe und potenzielle Gefahrenquellen oft am besten. Ihre Erfahrungen können wertvolle Hinweise für die Verbesserung der Maschinensicherheit liefern.

Eine gründliche Gefährdungsbeurteilung im Sinne der Maschinenrichtlinie sorgt für die Erhöhung der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes sowie für Rechtssicherheit. Zudem kann sie helfen, die Produktqualität durch stabile Prozesse zu verbessern. Sie ist ein komplexer, aber unverzichtbarer Prozess für die Arbeitssicherheit und erfordert daher fundiertes Fachwissen, sorgfältige Durchführung und regelmäßige Überprüfung.