Sichere Arbeitsplätze schaffen – auch für die Psyche

1. Säule: Arbeits- und Gesundheitsschutz (AUG)

Arbeitgeber sind verpflichtet, die Gefährdungen am Arbeitsplatz zu beurteilen und Arbeitnehmer davor zu schützen. Ein wichtiger Eckpfeiler jedes Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) sind somit Gefährdungsbeurteilungen – auch die von psychischen Belastungen.

Text: Dr. Stefanie Schöler

AUF DEN PUNKT

  • Gefährdungsbeurteilungen dienen dazu, Risiken am Arbeitsplatz zu erkennen und Schutzmaßnahmen abzuleiten
  • Bedeutung psychischer Belastung nimmt zu
  • GBU Psyche hilft bei der Schaffung einer positiven Unternehmenskultur

Arbeits- und Gesundheitsschutz (AUG) umfasst mehr als die physische Gesundheit – auch die psychische Gesundheit muss geschützt werden. Seit 2013 verpflichtet § 5 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) Unternehmen dazu, psychische Belastungen bei der Arbeit zu beurteilen und Maßnahmen abzuleiten. Dennoch zeigen aktuelle Zahlen, dass Ausfalltage aufgrund psychischer Erkrankungen in den vergangenen zehn Jahren um 52 Prozent gestiegen sind (DAK-Psychreport 2024). Sie liegen damit auf Platz zwei der Gründe für Krankheitstage (TK-Gesundheitsreport 2023).

Arbeitsplatz kann Risiko oder Schutzfaktor sein

Mancher mag nun denken: Na ja, eine psychische Erkrankung, das ist ja etwas Privates und hat nichts mit dem Arbeitsplatz zu tun. Die Antwort darauf ist ein klares Jein. Die meisten psychischen Erkrankungen (Top drei in Deutschland: Depressionen, Angststörungen und Suchterkrankungen) sind multifaktoriell bedingt. Der Arbeitsplatz kann dabei sowohl als Risiko wie auch als Schutzfaktor gesehen werden – je nachdem, wie er gestaltet ist. Und Burn-out ist ein Phänomen, das ausschließlich auf eine Überforderung am Arbeitsplatz zuzuführen ist.

Steigender Leistungsdruck, hybride Arbeitsmodelle und Konflikte machen psychische Belastungen zu einem zentralen Thema. Konkrete Beispiele sind: Überstundenkultur, unklare Rollenverteilung, schlechte Führung. Auf der Habenseite können gute soziale Beziehungen zu Kolleginnen und Kollegen, die Anerkennung und das Sinngefühl in der Arbeit auch eine Stabilität ins Leben bringen.

Gefährdungsbeurteilung stärkt die Prävention

Doch woher soll man als Unternehmen nun wissen, welche Faktoren hilfreich und welche belastend für die Mitarbeitenden sind? Genau hier setzt die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung (GB Psyche) an. Gut gemacht, analysiert sie den Status quo, zeigt Risiken und Chancen auf. Ausgehend von den Ergebnissen dieser Analyse können dann konkrete, passgenaue Maßnahmen entwickelt werden.

Damit ist die GBU Psyche der Schlüssel, um Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung zu verbinden. Denn sie hilft bei der Früherkennung von Risiken für psychische Überlastung und stärkt so den Präventionsansatz. Werden diese Risiken reduziert, verringern sich auch die Fehlzeiten, die auf psychische Erkrankungen zurückzuführen sind. Psychisch gesunde Mitarbeitende sind leistungsfähiger, motivierter und weniger fehleranfällig. Die GBU hilft darüber hinaus bei der Schaffung eines Arbeitsumfeldes, in dem Offenheit und Unterstützung gelebt werden, was die Zusammenarbeit und das Wohlbefinden fördert (Stichwort Unternehmenskultur und psychologische Sicherheit).

Umsetzung in der Praxis: Die wichtigsten Schritte

Das A und O bei der Umsetzung ist die Planung. Eine kompakte, divers zusammengesetzte Steuergruppe hilft, die Ziele der GBU Psyche im Blick zu behalten und kluge Entscheidungen zu treffen. In der Praxis gibt es oft große Überschneidungen mit dem Arbeitsschutzausschuss (ASA). Vor allem Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Sifas), Betriebsärzte, BGM-Profis, Unternehmensleitung und die Mitarbeitervertretung sind wichtige Teilnehmer. Ein Projektplan und eine gute Dokumentation der Treffen unterstützen den Überblick.

Im Rahmen der GBU Psyche werden die Felder Arbeitsaufgabe, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit, soziale Beziehungen (innerhalb der Belegschaft, zu Vorgesetzten und Kunden), Arbeitsmittel und Arbeitsumgebung betrachtet. Risiken werden häufig durch Fragebögen ermittelt, um Themen zu priorisieren und allen Mitarbeitenden die Möglichkeit zur Mitwirkung zu geben. Anschließend werden die Schwerpunkte in Mitarbeiter-Workshops vertieft, wo auch praktikable Lösungsansätze entstehen. Ein Entscheidergremium sucht daraus die erfolgversprechendsten Maßnahmen aus, legt die Umsetzung fest und stellt die nötigen personellen und finanziellen Ressourcen bereit. Die Steuergruppe kann weiterhin die Umsetzung begleiten und kontrollieren.

Fünf Tipps zur Durchführung der GBU

  1. Informationen einholen: zum Beispiel bei der zuständigen Berufsgenossenschaft
  2. Gut planen, also Ziele definieren, Steuergruppe bilden, Chance für Verknüpfung zwischen Arbeitssicherheit und BGM nutzen
  3. Bei Bedarf Unterstützung einholen durch externe, psychologische Fachleute
  4. Ressourcen für passgenaue Maßnahmen einplanen
  5. Die GBU Psyche als Verknüpfung zwischen Arbeitssicherheit und BGM wahrnehmen und als Chance für die Prävention nutzen

Herausforderungen bei der Durchführung der GBU Psyche

Die Ergebnisse der Befragung stehen und fallen mit der Beteiligung der Mannschaft. Es lohnt sich daher, in die Kommunikation zu investieren. Warum sollte ich teilnehmen? Was ist für mich drin? Was passiert mit meinen Antworten? Sind meine Daten sicher? Das sind Fragen, die sich Mitarbeitende stellen. Oft senkt es bereits die Vorbehalte, spricht man beispielsweise von einer „Befragung zur guten und gesunden Zusammenarbeit“ statt von „psychischen Belastungen“.

Fazit

Die GBU Psyche ist mehr als eine gesetzliche Pflicht – sie ist eine Investition in die Zukunft des Unternehmens. Ein Arbeitgeber, der die psychische Gesundheit ernst nimmt, schafft nicht nur ein positives Arbeitsumfeld, sondern steigert auch Produktivität, Mitarbeiterbindung und Wettbewerbsfähigkeit.

DIE AUTORIN:

Dr. Stefanie Schöler ist als Psychologin seit mehr als 15 Jahren im Arbeitsschutz aktiv. Mit ihrem Unternehmen „Arbeitsschutz-Universum“ berät und begleitet sie Firmen rund um das Thema mentale Gesundheit am Arbeitsplatz. Sie ist Mitgründerin des ersten digitalen Sifa-Stammtischs in Deutschland. www.arbeitsschutz-universum.de