Mit Statistik zu besseren Prozessen

Six Sigma gilt als eines der effektivsten Managementsysteme, die zurzeit verfügbar sind. Wie arbeitet man damit und welche Möglichkeiten bietet es?

Jeder Fehler in den Prozessen eines Unternehmens kostet Geld und verärgert am Ende auch die Kunden. Daher legt Six Sigma den Fokus auf Fehlervermeidung, um über die reine Kostenreduzierung hinaus auch den Kundennutzen zu vergrößern. Der Begriff „Sigma“ stammt aus der Stochastik, einem Teilgebiet der Mathematik, der als Oberbegriff die Gebiete Wahrscheinlichkeitstheorie und mathematische Statistik zusammenfasst.

DREI SIGMA BEDEUTET: BEI EINER MILLION FEHLERMÖGLICHKEITEN IN EINEM PROZESS TRETEN STATISTISCH ÜBER 66.000 FEHLER AUF

„Sigma“ entspricht der Standardabweichung einer Gauß‘schen Normalverteilung. Aus der festgestellten Anzahl der Fehler in einem Prozess lässt sich das Sigma-Niveau ermitteln, auf dem das Unternehmen agiert. Ein durchschnittliches Unternehmen bewegt sich dabei bei rund drei Sigma. Das bedeutet, dass bei einer Million Fehlermöglichkeiten in einem Prozess statistisch über 66.000 Fehler auftreten. Würde auf einem Niveau von sechs Sigma gearbeitet, würden nur noch vier Fehler auftreten, es wäre quasi eine Null-Fehler-Produktion erreicht. Ein besserer Sigma-Wert führt also unmittelbar zu Kosteneinsparungen, weil weniger Fehler auftreten.

Die am häufigsten eingesetzte Six-Sigma-Methode ist der sogenannte „DMAIC“-Zyklus (Define – Measure – Analyse – Improve – Control, auf Deutsch also Definieren – Messen – Analysieren – Verbessern – Steuern, siehe Grafik). Hierbei handelt es sich um einen Projekt- und Regelkreis-Ansatz. Der DMAIC-Kernprozess wird eingesetzt, um bestehende Prozesse im Unternehmen messbar zu machen und sie nachhaltig zu verbessern.

Grafik: Liebchen+Liebchen GmbH

In der ersten Phase (D) jedes Six-Sigma-Projektes wird der zu verbessernde Prozess identifiziert, dokumentiert und das Problem mit diesem Prozess beschrieben. Darauf folgt die Untersuchung, inwieweit der Prozess „prozessfähig“ ist (M), also: wie gut der Prozess wirklich die bestehenden Kundenanforderungen erfüllt. Ziel der nächsten Phase (A) ist es, die Ursachen dafür zu finden, warum der Prozess die Kundenanforderungen bislang noch nicht im gewünschten Maß erfüllt.

An dieser Stelle des Projektes ist abschließend herausgearbeitet, wie der Prozess funktioniert. Nun folgen Planung, Test und Einführung der Verbesserung (I). Das Six-Sigma-Projekt endet mit der statistischen Überwachung des geänderten Prozesses (C). Für alle Prozessphasen steht eine umfangreiche Anzahl von Werkzeugen zur Verfügung, die teilweise auch außerhalb von Six Sigma weitverbreitet sind, hier aber in einem systematischen Zusammenhang angewendet werden.

Bei jedem Six-Sigma-Projekt muss darauf geachtet werden, dass Aufwand und Ertrag in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Der Aufwand für einen vollständigen DMAIC-Zyklus ist sehr hoch, sodass sich die Umsetzung erst lohnt, wenn die zu erwartende Kostenreduzierung groß genug ausfällt. Auch über das angestrebte Sigma-Niveau muss Klarheit herrschen, denn: je höher, desto aufwendiger. Bei manchen Prozessen wäre eine extrem niedrige Fehlertoleranz völlig unnötig, bei anderen dagegen unverzichtbar, beispielsweise bei der Montage von Flugzeugturbinen.

ÜBER DAS ANGESTREBTE SIGMA-NIVEAU MUSS KLARHEIT HERRSCHEN, DENN: JE HÖHER, DESTO AUFWENDIGER

Six-Sigma-Projekte werden von eigens dafür ausgebildeten Mitarbeitern geleitet. Die meisten Trainingsanbieter orientieren sich dabei an den Standards und Vorgaben der American Society for Quality (ASQ). Dort sind die Schulungsinhalte festgelegt.

VOM GELBEN GÜRTEL BIS ZUM CHAMPION: RANGKENNZEICHEN WIE BEI JAPANISCHEN KAMPFSPORTARTEN

Das Führungskonzept von Six Sigma beruht auf Rollendefinitionen, die sich an den Rangkennzeichen (Gürtelfarben) japanischer Kampfsportarten orientieren. Die unterste Ausbildungsstufe ist häufig der gelbe Gürtel (yellow belt), wer den Gürtel tragen darf, hat einen Überblick über verschiedene Six-Sigma-Methoden und unterstützt die höheren Rangstufen.

Darüber folgt der grüne Gürtel (green belt), nach diesem Ausbildungsschritt leitet der Mitarbeiter kleinere Verbesserungsprojekte. Er arbeitet zu rund 50 Prozent seiner Arbeitszeit an Six-Sigma-Projekten und muss die DMAIC-Methode sowie deren Tools beherrschen.

Der schwarze Gürtel (black belt) verfügt über breite Kenntnisse statistischer Methoden und beaufsichtigt die Arbeit der yellow und green belts. Seine wichtigsten Werkzeuge sind Projektmanagement, Kommunikationstechniken sowie Konfliktlösungsinstrumente. 

Träger des schwarzen Meistergürtels (master black belt) arbeiten in Vollzeit als Trainer und Ausbilder. Zusammen mit der Geschäftsführung erarbeiten sie die strategische Planung.

An der Spitze der Six-Sigma-Hierarchie stehen die Champions, die häufig Mitglieder des Vorstandes beziehungsweise der Geschäftsführung sind. Sie initiieren und wählen Verbesserungsprojekte aus und kontrollieren deren Fortschritte.

Six Sigma ist im Kern ein Qualitätsmanagement mit statistischen Mitteln. Damit sich das Unternehmen nicht in den Untiefen seiner statistischen Zusammenhänge verirrt, sollten die Verantwortlichen wie bei allen Managementsystemen genau wissen, was sie tun und welche Ziele sie erreichen wollen. Ansonsten kommt die angestrebte Verbesserung der Unternehmensprozesse schnell ins Stocken.

Text: Franz Roiderer