Innerbetriebliches Notfallmanagement

Täglich werden in Betrieben oder bei Logistikdienstleistern gefährliche Stoffe und Güter in Behältern transportiert. Dabei kann nicht immer ausgeschlossen werden, dass Gefahrstoffe austreten. Dann muss ein Notfallmanagement greifen.

Wenn in der Produktionshalle eines Betriebes oder in einem Labor Chemikalien benötigt werden, müssen die meist aus einem Lager geholt und an die Verbrauchsstelle transportiert werden. Und in manchen Fällen nach dem Einsatz auch entsorgt werden. Diese innerbetrieblichen Transporte von Gebinden unterschiedlichster Größe und Eigenschaft können von Hand, mit Flurförderzeugen oder mit Förderanlagen erfolgen. Dabei sind Beschädigungen von Gebinden nicht auszuschließen, durch die gefährliche Stoffe und Güter unbeabsichtigt freigesetzt werden können.

Bei der Gefährdungsbeurteilung muss die Unternehmensleitung feststellen, ob beim innerbetrieblichen Transport von gefährlichen Stoffen und Gütern Gefährdungen auftreten können. Ein unbeabsichtigtes Austreten von gefährlichen Stoffen und Gütern, insbesondere durch Beschädigungen von Gebinden, ist immer möglich, beispielsweise durch Umkippen eines Behälters oder durch unbemerkte Leckagen.

DIE EINFÜHRUNG EINES NOTFALLMANAGEMENTS IST EIN ENTSCHEIDENDES MITTEL.

Die Beurteilung der Gefährdungen kann vorgenommen werden zum Beispiel anhand der Technischen Regel für Gefahrstoffe „Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“ (TRGS 400), der stoffgruppen- und stoffspezifischen DGUV Informationen, des GESTIS-Stoffmanagers oder des Einfachen Maßnahmenkonzepts Gefahrstoffe (EMKG) der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Auch das unbeabsichtigte Austreten von Stoffen und Gütern mit unbekanntem Gefährdungspotenzial muss im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden.

Der Betrieb muss beim Umschlag und inner­betrieblichen Transport von gefährlichen Stoffen und Gütern auf einen u­nbeabsichtigten Austritt vorbereitet sein. Die Einführung eines ­Notfallmanagements ist dabei das entscheidende Mittel. Es gewährleistet im Idealfall ein zielgerichtetes Vorgehen bei der Schadensbegrenzung und der Beseitigung der ausgetretenen Stoffe, ohne Notfallhelfer oder andere Personen im Umfeld der Austrittsstelle zu gefährden. Das Notfallmanagement legt auch fest, wann welche Personen welche Aufgaben bei einem Notfall übernehmen und wie sie und andere Anwesende sich zu verhalten haben.

Der Notfallmanager selbst ist ein Mitarbeiter mit besonderen betriebsspezifischen und produktbezogenen Kenntnissen, der verbindliche Entscheidungen trifft und die erforderlichen Anweisungen erteilt. Er wird von der Geschäftsleitung bestimmt und muss über die erforderliche Entscheidungs- und Weisungsbefugnis verfügen. Diese kann, wenn nötig, auch übliche betriebliche Hierarchien außer Kraft setzen. Der Notfallmanager wird durch einen Aushang bekannt gegeben und muss während der Betriebszeiten ständig erreichbar sein. Auch muss klar geregelt sein, wer ihn beispielsweise bei Urlaub oder Krankheit vertritt.

Im Rahmen des Notfallmanagements ist ein Alarmplan aufzustellen. In diesem Plan sind die Anweisungen enthalten, die für die ­Anwesenden bei einem Schadensfall gelten. Zusätzlich sollten Alarmierungsmittel wie ­beispielsweise Glocken, Sirenen oder Signalhörner vorhanden sein. Zur Absicherung des Gefahrenbereichs müssen die erforderlichen Absperrmittel wie rot-weiße Bänder oder Ketten vorhanden und schnell zugänglich sein. Auch müssen alle Beschäftigten vor Aufnahme der Tätigkeit und dann mindestens einmal im Jahr unterwiesen werden, wie sie sich bei einem Produktaustritt zu verhalten haben.

Innerbetriebliches Notfallmanagement
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Zu den wichtigsten Aufgaben von Notfallmanagerinnen und Notfallmanagern zählen die Einstufung des Notfalls und die darauffolgende Festlegung der Alarmstufe. „Kein Notfall“ liegt vor, wenn sich der vermutete Produktaustritt beispielsweise als Regenwasser herausstellt. Wenn aber tatsächlich ein Produktaustritt vorliegt, müssen der Notfallmanager oder die von ihm beauftragten Nothelfer die Produkteigenschaften ermitteln, die Menge abschätzen sowie Umgebungsbedingungen (Temperatur, Lüftung etc.) berücksichtigen. Für die Produkteigenschaften sind die Sicherheitsdatenblätter heranzuziehen, die Lieferanten, Einführer oder Hersteller von Gefahrstoffen ihren Produkten beilegen müssen.

Sollten dann auch genug geeignete Notfallhelfer anwesend und genügend geeignete Hilfsmittel wie beispielsweise persönliche Schutzausrüstungen (PSA) vorhanden sein, kann der Notfall­manager den Produktaustritt mit „Risiko beherrschbar“ bewerten und den Notfall in Eigenregie (Alarmstufe 1) abarbeiten. ­Alarmstufe 2 bedeutet, dass der Notfall optional von einem Dienstleister bearbeitet wird, weil die Notfallhelfer Maßnahmen der Alarmstufe 1 nicht oder nicht vollständig durchführen können. Wenn auch der Dienstleister den Notfall nicht hinreichend in den Griff bekommt, sind zwingend Einsatzkräfte (Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienst) zu verständigen (Alarmstufe 3).

FÜR DIE PRODUKTEIGENSCHAFTEN SIND DIE SICHERHEITSDATENBLÄTTER HERANZUZIEHEN.

Die Einsatzkräfte müssen auch immer dann verständigt werden, wenn Personen verletzt oder kontaminiert wurden oder der Notfall sich auf Bereiche außerhalb des Betriebsgeländes auswirkt. Es empfiehlt sich, bereits während der Planungsphase des Notfallmanagements den örtlichen Einsatzkräften die betrieblichen Abläufe zu zeigen und mit ihnen Notfallszenarien zu besprechen. Gemeinsame regelmäßige Notfallübungen von Einsatzkräften und den betrieblichen Notfallakteuren können ebenfalls für mehr Sicherheit sorgen.

Text: Franz Roiderer