Ungeziefer den Profis überlassen

Schädlingsbekämpfer helfen bei ungebetenen Gästen. Dazu hantieren sie regelmäßig mit Gefahrstoffen und setzen sich Stichen und Keimen aus. Doch die größte Gefahr lauert an anderer Stelle.

Auf dem alten Dachboden haben sich Wespen ein Nest gebaut, der Keller wird von Mäusen bevölkert und im Garten treibt der Buchsbaumzünsler sein Unwesen: Hier ist professionelle Schädlingsbekämpfung gefragt. Denn diese Dinge selbst in die Hand zu nehmen, bedeutet häufig, sich durch Stiche oder Bisse zu gefährden oder mehr Chemie als nötig einzusetzen.

VIELE DER VERWENDETEN GEFAHRSTOFFE SIND LEICHT ENTZÜNDLICH, ÄTZEND ODER GIFTIG.

Trotzdem wird gerade der Umgang mit leicht toxischen Gefahrstoffen auf die leichte Schulter genommen, weiß Werner Stein­heuser. Neben seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender des Fachverbands der Schädlingsbekämpfer Südwest ist er Dozent für Hygienetechnik an der Fachschule für Hygienetechnik Bad Kreuznach. Statt einen Fachmann zu beauftragen, gehen viele lieber in den Baumarkt und verwenden das nach Gutdünken gekaufte Mittel dann nach dem Prinzip „Viel hilft viel“.

Sein Fachverband habe schon viele gescheiterte Selbstversuche gesehen. Und die haben oft Konsequenzen für Gesundheit und Umwelt. Viele der verwendeten Gefahrstoffe seien leicht entzündlich, ätzend oder giftig. Im Extremfall gefährdet man sich selbst, seine Mitmenschen, Tiere und Umwelt und macht sich auch noch strafbar. Nicht umsonst ist das Handwerk des Schädlingsbekämpfers – der Begriff des Kammerjägers ist veraltet – ein dreijähriger Ausbildungsberuf.

Im Unterschied zu Laien haben Schädlingsbekämpfer Zugriff auf ein Gefahrstoffkataster, in dem der Umgang mit Gefahrstoffen detailliert beschrieben ist und das laufend aktualisiert wird. Hinsichtlich der Verwendung von Bioziden, also nicht agrarisch eingesetzten Chemikalien oder Mikroorganismen zur Schädlingsbekämpfung, habe sich viel getan. Schwere „Giftkeulen“ kommen heute deutlich seltener zum Einsatz als in vergangenen Zeiten, weil in vielen Fällen weniger gesundheitsschädliche Alternativen gefunden wurden. „Die Dosis macht das Gift“, sagt Steinheuser. Als er 1997 als Schädlingsbekämpfer angefangen hat, sei es Standard gewesen, sieben- bis zwölfprozentige Mischungen anzusetzen, erzählt er. Mittlerweile bestünden sie nur noch aus 0,7 bis 1,5 Prozent.

SCHWERE „GIFTKEULEN“ KOMMEN HEUTE DEUTLICH SELTENER ZUM EINSATZ ALS IN VERGANGENEN ZEITEN, WEIL IN VIELEN FÄLLEN WENIGER GESUNDHEITSSCHÄDLICHE ALTERNATIVEN GEFUNDEN WURDEN.

GROSSE ABSTURZGEFAHR

Doch auch auf professionelle Schädlingsbekämpfer lauern zahlreiche Gefahren. Das größte Risiko geht jedoch nicht von Insekten oder Tieren, sondern von Leitern aus. Da sie oft – etwa bei der Taubenabwehr, Insektenbekämpfung oder beim Holz- und Bautenschutz – in großer Höhe arbeiten müssen, sind Leitern ein naheliegendes Arbeitsmittel. Bei rund drei Vierteln aller gemeldeten Arbeitsunfälle von Schädlingsbekämpfern handelt es sich laut Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) um Abstürze, teils mit schweren Verletzungen wie Knochenbrüchen oder Kopfverletzungen.

„BEI EINEM STICH IST DER STURZ VON DER LEITER VORPROGRAMMIERT.“

Wer der Natur an den Kragen will, dem will eben auch mal die Natur an den Kragen. Trotz stichfester Arbeitskleidung entstehen manchmal unberechenbare Situationen, etwa wenn ein Wespennest aus einer Dachrinne entfernt wird. „Bei einem Stich ist der Sturz von der Leiter vorprogrammiert“, sagt Steinheuser. Doch für Stürze von Leitern brauche es oft nicht mal ein unvorhergesehenes Ereignis.

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Illustration: shutterstock.com/Seahorse Vector

„Die Arbeit auf einer Leiter ist sehr ermüdend, da lässt die Konzentration früher oder später automatisch nach.“ Die beste Vermeidungsstrategie solcher Unfälle sei, erst gar keine Leiter einzusetzen. Ein typisches Beispiel für „Substitution der Gefahrenquelle“, der ersten Kategorie von Schutzmaßnahmen nach dem STOP-Prinzip. Die weiteren Buchstaben stehen für technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen. Besser sei es immer, einen flachen Untergrund herzustellen, etwa durch eine Arbeitsbühne, eine Hubarbeitsbühne oder ein Rollgerüst. Zusätzlich sollten sich die Mitarbeiter mit Geschirren sichern. Auch mit einer Lanze, anhand derer das Insektizid ausgebracht wird, kann das Arbeiten auf einer Leiter vermieden werden. Hier hätten sich die technischen Möglichkeiten deutlich verbessert.

Früher war es sehr schwer, 750 Milliliter auf einer sechs Meter langen Lanze zu handhaben, da hat man dann sechs Kilogramm in der Hand“, sagt Steinheuser. Durch Steigleitungen, Verlängerungslanzen und Transportlanzen gebe es nun die Möglichkeit, die Flüssigkeit oder das Puder durch Druck nach oben zu bringen. Wenn trotzdem nicht auf eine Leiter verzichtet werden kann, sollte die Arbeitszeit auf diesem Hilfsmittel zwei Stunden pro Tag keinesfalls überschreiten, sagt Steinheuser. „

SCHÄDLINGSBEKÄMPFUNG BEGINNT MIT DER PLANUNG.

Wo welches Hilfsmittel eingesetzt wird und was es sonst noch zu beachten gibt, muss bei jedem neuen Einsatzort vorab bei der Gefährdungsbeurteilung geprüft und geeignete Schutzmaßnahmen festgelegt werden. Wie zum Beispiel ist der Keller beleuchtet? Ist die Treppe des maroden Hauses noch stabil genug? Besteht Brand- oder Explosionsgefahr?

„Die Planung der Sicherheit ist anspruchsvoll“, sagt Steinheuser. Vor allem, weil sich im Alltag eine gewisse Lethargie einzuschleichen drohe. „Wenn auf dem Dachboden ein Meter dick Taubenscheiße liegt, muss ich mir erst einen Statiker holen“, sagt Steinheuser, „in undurchsichtige Umstände läuft man nicht einfach so rein.“ Notfalls müsse das Haus erst mal geräumt und abgestützt werden, bevor der Schädlingsbekämpfer mit seiner Arbeit beginnen könne – womit wir bei den technischen Maßnahmen des STOP-Prinzips wären. Im Zweifel sollte der Dachboden mit Gehbalken abgesichert und Stolperfallen aus dem Arbeitsbereich entfernt werden.

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Prallgefüllt: Der Transporter eines Schädlingsbekämpfers. Foto: Thomas Veh
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Die Entfernung von Wespennestern ist Alltag. Foto: stock.adobe.com/RS.Foto

AUCH UNGENÜGENDE BELEUCHTUNG, WIE SIE OFT AUF DACHBÖDEN ANZUTREFFEN IST, IST EINE TYPISCHE UNFALLURSACHE.

So trivial es klingen mag: Auch ungenügende Beleuchtung, wie sie oft auf Dachböden oder in Kellerräumen anzutreffen ist, ist eine typische Unfallursache. Ohne gleichmäßige Ausleuchtung können Balken, Bodenluken oder sonstige Stolperfallen leicht übersehen werden. Wenn Tageslicht oder die vorhandene Beleuchtung nicht ausreichen, müssen Arbeitsleuchten eingesetzt werden.

Stehen gefährliche Arbeiten an, sollten immer mindestens zwei Beschäftigte eingesetzt werden – ein Beispiel für eine organisatorische Schutzmaßnahme. Werden Schädlingsbekämpfer etwa wegen Lebensmittelschädlingen in Getreidesilos oder -bunker gerufen, wo nicht genügend Sauerstoff vorhanden ist, brauche man Pressluft, sagt Steinheuser.

Solche Arbeiten sollten nie allein erledigt werden. Denn wenn doch etwas passiert, ist zumindest noch ein anderer da, der Hilfe rufen und Erste Hilfe leisten kann.

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ATEMSCHUTZMASKEN, WIE DIE FFP3-MASKEN, DIE AUCH AEROSOLE ABHALTEN, SIND EINWEGARTIKEL.

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Foto: Nehlsen/Andreas Caspari

Da in der Schädlingsbekämpfung tagein, tagaus mit Gefahrstoffen und scharfen Fallen hantiert wird, ist natürlich auch die persönliche Schutzausrüstung (PSA) ein wesentlicher Faktor in der Prävention von Unfällen. Biozide können sonst über Haut oder Atemwege aufgenommen, etwa durch Sprays oder Aerosole. Dasselbe kann beim Anmischen von Köderpräparaten passieren. Zur PSA zählen neben stichfester Schutzkleidung, Schutzhandschuhen, Schutzbrille, Atemschutz und geeignetem Schuhwerk daher auch Schutzanzüge, etwa der Kategorie 3, Typ 5 oder 6 aus mikroporösem Film. Sie haben eine Wasserbarriere und sind für Spritz- und Nebelarbeiten, Räumung von Taubenspeichern und ­Reinigung von Leichenwohnungen ausgelegt.

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Illustration:
shutterstock.com/Seahorse Vector

„Sie helfen nicht nur gegen chemische oder biologische Gefahrstoffe, sondern schützen auch vor Viren und Keimen, die von Schädlingen wie Mäusen, Ratten oder Schaben übertragen werden können“, sagt Steinheuser, eine unterschätzte Gefahr. Als Dozent für Hygienetechnik weise er immer deutlich darauf hin, dass Atemschutzmasken, wie die FFP3-Masken, die auch Aerosole abhalten, Einwegartikel sind. „Die Bakterien kleben von außen dran, wenn Sie die abnehmen, haben Sie die an der Hand“, erklärt er. Dasselbe gelte für Schutzhandschuhe.

Schutzhandschuhe sind ein wichtiger Bestandteil der PSA, allerdings sollten sie nicht zu lange getragen werden, da sie kaum Sauerstoff an die Haut lassen. Nach zwei Stunden sogenannter Feuchtarbeit, dazu zählt die Arbeit mit Schutzhandschuhen, brauche die Haut eine Pause. Das heißt, die Handschuhe sollten ausgezogen werden und man sollte sich einer anderen Tätigkeit widmen. „Wir empfehlen Nitrilhandschuhe, ungepudert und regelmäßiges Wechseln, bevor die Hände nass geschwitzt sind“, sagt Steinheuser. Außerdem sind Schädlingsbekämpfungsunternehmen dazu verpflichtet, immer genügend Schutzkleidung sowie geeignete Hautschutz-, Hautreinigungs- und Hautpflegepräparate zur Verfügung zu stellen.

VERKEHRSSICHERHEIT

Die meisten der rund 5.800 Schädlingsbekämpfer in Deutschland suchen ihre Kunden vor Ort auf. Dazu transportieren sie häufig feuergefährliche oder giftige Gefahrstoffe. Ein 2-kg-Pulverlöscher der Brandklassen A, B und C muss deshalb immer mitgeführt werden. Der Feuerlöscher muss sicher fixiert und für den Fahrer trotzdem leicht zugänglich sein. Die Ladung muss sicher verstaut werden können. Zum einen sollten die Sitze und der Laderaum durch eine Wand, ein Schutzgitter oder -netz getrennt sein. Zum anderen dürfen Chemikaliengebinde nur in geeigneten, mit Deckel verschließbaren Kisten und Behältern transportiert werden, die während der Fahrt festgezurrt werden. Wenn Chemikalien in größeren Mengen gebraucht werden, sollten sie nach Möglichkeit vom Lieferanten direkt zum Einsatzort gesendet werden.

BRANDSCHUTZ

Da Schädlingsbekämpfer häufig mit leicht entzündlichen Mitteln arbeiten, sollten am Einsatzort nicht mehr Gefahrstoffe als nötig gelagert werden. Größere Mengen entzündlicher Flüssigkeiten und Sprays dürfen nur in einem Sicherheitsschrank oder einem geeigneten Lagerraum, Flüssiggasflaschen nur gut gesichert im Freien aufbewahrt werden. Ausführliche Schutzvorschriften finden sich in der Betriebssicherheitsverordnung und den Brandschutzverordnungen der Länder.

TIPP

Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege veranschaulicht in ihrer Broschüre „Gefährdungsbeurteilung in der Schädlingsbekämpfung“ anhand praktischer Beispiele typische Gefährdungen in der Arbeitssicherheit und liefert einen Überblick über die geltenden Vorschriften. Die Arbeitsblätter ermöglichen es, alle relevanten Arbeitsbereiche systematisch unter die Lupe zu nehmen und notwendige Arbeitsschutzmaßnahmen zu ermitteln.

Im Internet: www.bgw-online.de

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Illustration: shutterstock.com/Seahorse Vector

Text:  Katharina Müller-Güldemeister