Stöpsel rein, Lärm raus

Milch, Butter, Joghurt oder Käse – bevor die fertigen Milchprodukte in den Kühlregalen der Supermärkte stehen, sind eine Reihe von Arbeitsprozessen notwendig. In den Molkereien kommen dabei eine Menge Maschinen zum Einsatz, die ordentlich Lärm machen. Der Gehörschutz der Beschäftigten ist daher ein unerlässlicher Teil des Arbeitsschutzes.

Die Molkerei Berchtesgadener Land setzt für ihre Mitarbeiter in der Produktion auf individuell angepassten Gehörschutz. Diese sogenannten Otoplastiken sind zwar teurer als herkömmliche Ohrstöpsel oder ein Kapselgehörschutz, also die großen „Micky-Maus-Ohrenschützer“. Aber das Unternehmen hat sich bewusst dafür entschieden, auf maßgeschneiderten Gehörschutz zurückzugreifen. Denn: Je komfortabler die Schutzausrüstung ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Mitarbeiter die Ausrüstung auch wirklich verwenden und sich damit schützen. Tatsächlich nutzen insgesamt 140 Beschäftigte aus der Produktion sowie aus den Abteilungen Lager, Technik und Labor die Otoplastiken, die gemäß der DIN EN 352-2 als Gehörschutzstöpsel eingestuft werden und damit als persönliche ­Schutzausrüstung (PSA) zählen.

Stöpsel rein, Lärm raus: Otoplastiken
Otoplastiken werden individuell für die Ohren des Trägers angefertigt. Abbildung: bachmaier GmbH

Signalwahrnehmung und Sprachverständlichkeit bleiben erhalten

Für die Umsetzung zog die Molkerei mit der Firma Bachmaier einen Hörakustik-Spezialisten aus der Region hinzu. „Die Stöpsel filtern störenden beziehungsweise schädlichen Lärm zuverlässig und dämmen ihn auf ein absolutes Minimum“, sagt Daniela Hüttinger, Personalleiterin der Molkerei Berchtesgadener Land. „Gleichzeitig bleiben aber die Signalwahrnehmung und die Sprachverständlichkeit, die vor allem bei der Arbeit im Team ganz wichtig ist, erhalten. Das sorgt für eine maximale Arbeitsqualität und sichert eine lang anhaltende Konzentration – ganz ohne lärmbedingte Müdigkeit. Das hat uns überzeugt.“

Für die Anfertigung der Ohrstöpsel kamen Bachmaier-Mitarbeiter zur Molkerei, um Abdrücke der Ohrmuscheln zu nehmen, aus denen später im Labor die Otoplastiken hergestellt werden. „Dazu wird sanft eine hautfreundliche Silikon-Abformmasse in die Ohren gegeben. Nach drei bis fünf Minuten wird das ausgehärtete Material wieder entnommen und die Ohrabformung ist fertig – eigentlich ganz ähnlich, wie man das vom Zahnarzt kennt“, erklärt Alexander Klemenc, Gehörschutz-Produktmanager bei Bachmaier.

Stöpsel rein, Lärm raus: Ein Mitarbeiter der Firma Bachmaier macht einen Abdruck von der Ohrmuschel
Ein Mitarbeiter der Firma Bachmaier macht einen Abdruck von der Ohrmuschel, um für den Beschäftigten der Molkerei Berchtesgadener Land den Gehörschutz herstellen zu können. Foto: bachmaier GmbH

Die Dezibel-(dB-)Grenzwerte für die Verwendung von Gehörschutz sind in der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung festgelegt. Unterschieden wird dabei zweierlei: zum einen der Tages-Lärmexpositions- oder Dauerschallpegel. Dieser gibt den durchschnittlichen Schallpegel an, der während einer Acht-Stunden-Schicht am Arbeitsplatz gemessen wird. Zum anderen der Spitzenschalldruckpegel. Dieser ist der höchste am Arbeitsplatz auftretende Schallpegel. Der auf das Gehör einwirkende Lärm darf die maximal zulässigen Expositionswerte nicht überschreiten. Beim Dauerschallpegel sind das 85 dB(A), was etwa dem Lärm einer Autobahn entspricht. Beim Spitzenschalldruckpegel liegt der Wert bei 137 dB(C), was ein Düsenflugzeug in kurzer Entfernung oder ein Gewehrschuss verursachen kann. Wird einer dieser Werte am Arbeitsplatz erreicht, kann das Gehör der dort Beschäftigten dauerhafte Schäden davontragen.

Überschreitet der Dauerschallpegel den sogenannten „unteren Auslösewert“ von 80 dB(A), ist der Arbeitgeber verpflichtet, seine Mitarbeiter zu unterweisen, Vorsorgeuntersuchungen anzubieten und Gehörschutz zur Verfügung zu stellen. Liegt der Dauerschallpegel über dem „oberen Auslösewert“ von 85 dB(A), muss der Arbeitgeber zusätzlich das Tragen des Gehörschutzes überwachen, eine verpflichtende Vorsorgeuntersuchung für die Mitarbeiter veranlassen, den Zugang zu Lärmbereichen beschränken und die Lärmbereiche kennzeichnen.

Geräuschpegel von über 80 dB(A) können empfindliche Ohren dauerhaft schädigen

Beim Tragen des Gehörschutzes ist darauf zu achten, dass der Restschallpegel – also der Schalldruckpegel unter dem Gehörschutz – auf einen Wert zwischen 70 und 80 dB(A) bei Dauerlärm beziehungsweise unter den Spitzenschalldruckpegel von 135 dB(C) gesenkt wird. Restschallpegel von unter 70 dB(A) stellen eine Überprotektion dar, die die Nutzer des Gehörschutzes meist als störend empfinden und ablehnen. Geräuschpegel von über 80 dB(A) können empfindliche Ohren bereits dauerhaft schädigen und sind daher ebenfalls nicht empfehlenswert.

Wie stark ein Gehörschutz den Lärm reduziert, gibt der SNR-Wert an (englische Abkürzung für „Single Number Rating“, übersetzt etwa „einfacher Dämmwert“). Ein Ohrstöpsel mit einem SNR-Wert von 25 reduziert den Lärm somit um 25 Dezibel. Ideal also bei einem Arbeitsplatz, der einen Dauerschallpegel von 100 dB(A) aufweist, denn: 100 dB(A) – 25 dB(A) = 75 dB(A).

Bei der Molkerei Berchtesgadener Land sorgen verschiedene Lärmquellen wie Abfüllanlagen, Prozesstechnik oder Fördertechnik für die Geräuschkulisse. Technisch beziehungsweise organisatorisch ist es so geregelt, dass „Bereiche mit höherer Lärmbelastung räumlich abgetrennt wurden und keine Dauerarbeitsplätze sind“, erklärt Lorenz Engljähringer, Leiter Qualitätsmanagement und Arbeitssicherheit in der Molkerei Berchtesgadener Land. Wo die Beschäftigten ihre Ohren schützen müssen, ist der individuelle Gehörschutz akzeptiert. „Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nehmen Otoplastiken sehr gut an und nutzen auch die zur Verfügung gestellten Termine zur Prüfung und Nachbesserung der verwendeten Otoplastiken“, sagt Engljähringer.

Text: Holger Schmidt