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Digitale Handlungshilfen zur Gefährdungsbeurteilung können gerade für Kleinbetriebe die Hemmschwelle zum Einsatz dieses Arbeitsschutzinstrumentes senken.

Die Gefährdungsbeurteilung ist das zentrale Instrument des Arbeitsschutzes. Jeder Arbeitgeber muss sie für die in seinem Betrieb vorhandenen Arbeitsplätze durchführen, das schreibt das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) vor. Und es ist dabei unerheblich, ob der Betrieb 10.000 Beschäftigte hat. Jeder Beschäftigte soll unabhängig von der Betriebsgröße unter den bestmöglichen Sicherheitsstandards arbeiten können.

DER KONTROLLDRUCK DER ARBEITSSCHUTZBEHÖRDEN IST GERING

Gerade Kleinbetriebe tun sich oft schwer mit der Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung. Entweder sie führen sie überhaupt nicht durch oder sie kommen mit der „Bürokratie“ nicht klar und gehen im Dschungel des Regelwerks verloren. Darüber hinaus fehlt es ihnen oft an Personal, Zeit, Geld oder notwendigem Wissen. Die Verantwortung für den Arbeitsschutz liegt häufig in den Händen des Firmeninhabers und der empfindet ihn oft als unproduktiv oder zu aufwendig. Nicht zuletzt ist der Kontrolldruck der Arbeitsschutzbehörden zu gering, sodass fehlende Gefährdungsbeurteilungen nicht auffallen. Sollte es jedoch zu einem Arbeitsunfall kommen, können die straf- und haftungsrechtlichen Konsequenzen für den Unternehmer schwerwiegend sein.

Für diejenigen, die trotzdem ihrer Pflicht nachkommen wollen, existiert eine Fülle von Handlungshilfen für die Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung. Besonders die Möglichkeit, die Gefährdungsbeurteilung softwarebasiert durchzuführen, kann eine erhebliche Erleichterung bei der Erstellung sein, oft führen Assistenten den Anwender vom ersten Schritt, bei dem Arbeitsbereiche und Tätigkeiten festgelegt werden, über die Ermittlung der Gefährdungen bis hin zur Fortschreibung der Gefährdungsbeurteilung. Auch die geforderte Dokumentation wird durch die Softwarelösungen enorm erleichtert.

ONLINE-LÖSUNGEN FUNKTIONIEREN ANHAND VORGEGEBENER MUSTERBETRIEBE

State of the Art sind mittlerweile Lösungen, die eine Gefährdungsbeurteilung „online“ versprechen. Das bedeutet, dass die eingegebenen Daten nicht mehr lokal gespeichert werden, sondern auf den Servern der Anbieter liegen. Das hat unter anderem den Vorteil, dass keine zusätzliche Software installiert werden muss, sondern direkt im Browser gearbeitet werden kann.

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Illustration: shutterstock.com/Olga1818 & Liebchen+Liebchen GmbH

Online-Lösungen funktionieren anhand vorgegebener Musterbetriebe. Für kleine und mittlere Unternehmen werden für viele Gewerbezweige Vorlagen mit Arbeitsplätzen, Maschinen und spezifischen Gefährdungen angeboten. Wer allerdings glaubt, es sei damit getan und er könne seine Gefährdungsbeurteilung komplett bequem vom Rechner aus durchführen, sollte vorsichtig sein.

Die in den Vorlagen dargestellten Verhältnisse stimmen nicht notwendigerweise mit den konkreten Bedingungen am Arbeitsplatz im Betrieb überein, sie sind lediglich eine „Handlungshilfe“. Um die Ermittlung und Beurteilung von Gefährdungen vor Ort kommt der Unternehmer nicht herum und die Vorlagen müssen angepasst werden. Diese Möglichkeit ist bei nahezu allen Anbietern von Online-Lösungen vorhanden wie beispielsweise bei der kommerziellen Software „Gefährdungs-Manager“.

Der Gefährdungs-Manager ist eine Softwarelösung für alle Arbeitsbereiche und Tätigkeiten, mit der Sie unternehmensweit Ihre Gefährdungsbeurteilungen schnell und einfach online erstellen, dokumentieren und managen können – von der Gefährdungsanalyse bis zur Wirksamkeitsprüfung. Jetzt informieren!

VIELE KOMMERZIELLE ANBIETER STELLEN DEMOVERSIONEN ZUR VERFÜGUNG

UM DIE ERMITTLUNG UND BEURTEILUNG VON GEFÄHRDUNGEN VOR ORT KOMMT DER UNTERNEHMER NICHT HERUM

Sowohl kommerzielle Anbieter als auch Berufsgenossenschaften und Unfallkassen mischen mit auf dem Markt der Online-Lösungen für die Gefährdungsbeurteilung. Während Letztere ihre Produkte ihren Mitgliedsbetrieben kostenlos zur Verfügung stellen, sind die kommerziellen Lösungen kostenpflichtig. Einige davon bieten dafür aber auch einen erweiterten Funktionsumfang. Jeder, der sich für diese Art der Gefährdungsbeurteilung interessiert, sollte sich vorher informieren, welche Lösung am besten zu ihm passt. Bei den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung meldet man sich mit seinen Firmendaten an, kann die Software sofort nutzen und prüfen. Die meisten kommerziellen Anbieter stellen auf ihren Webseiten Demoversionen zur Verfügung.

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung hat im DGUV Grundsatz 311-003 „Erstellung von Handlungshilfen zur Gefährdungsbeurteilung“ eine Liste von 13 Mindestanforderungen zusammengestellt, die die Handlungshilfen erfüllen müssen, um eine rechtssichere Gefährdungsbeurteilung erstellen zu können. Daran sollte man sich orientieren, bevor man eine Lösung auswählt.

  1. Die Handlungshilfen müssen darauf hinweisen, dass eine rechtskonform funktionierende Aufbau- und Ablauforganisation des Arbeitsschutzes eine Voraussetzung für eine wirksame Gefährdungsbeurteilung ist.
  2. Handlungshilfen müssen Hinweise darauf geben, dass die Verantwortlichkeiten zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung festgelegt werden.
  3. Sie müssen darauf hinweisen, dass bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung gegebenenfalls weitere Expertise hinzugezogen werden muss.
  4. Handlungshilfen müssen auf die spezielle Betrachtung besonderer Personengruppen hinweisen, wie zum Beispiel Jugendliche, werdende und stillende Mütter, Beschäftigte ohne ausreichende Deutschkenntnisse, Menschen mit Behinderung, Leiharbeitnehmer, Praktikanten und Berufsanfänger.
  5. Sie müssen auf vom Regelbetrieb abweichende Betriebszustände wie Wartung, Instandhaltung, Reinigung, Störungsbeseitigung etc. hinweisen.
  6. Hinweise zur Bewertung der Gefährdungen sowie zur Priorisierung und Rangfolge der Schutzmaßnahmen müssen enthalten sein.
  7. Die Handlungshilfen müssen geeignete Maßnahmen vorschlagen, aus denen die Anwender auswählen können. Bei der Beschreibung der Maßnahmen ist die Maßnahmenhierarchie zu berücksichtigen.
  8. Es müssen Wege aufgezeigt werden, wie die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen überprüft und auf Dauer gewährleistet werden kann.
  9. Handlungshilfen müssen Hinweise geben, wann eine Gefährdungsbeurteilung zu aktualisieren beziehungsweise zu überprüfen ist.
  10. Handlungshilfen müssen Hinweise zur Dokumentation geben.
  11. Sofern Handlungshilfen Mustervorlagen beinhalten, müssen sie unter anderem die Festlegung der Maßnahmen und der verantwortlichen Personen und Termine ermöglichen. Dies gilt auch für die Wirksamkeitskontrolle.
  12. Es muss der Hinweis enthalten sein, dass allein durch die Anwendung einer Handlungshilfe die Gefährdungsbeurteilung nicht automatisch vollständig ist und die besonderen betrieblichen Gegebenheiten zu berücksichtigen sind.
  13. In Handlungshilfen ist auf die Rechtsunverbindlichkeit des Inhaltes hinzuweisen. Das bedeutet, dass sich der Anwender im Zweifel direkt im Regelwerk informieren muss.

Text: Franz Roiderer