Arbeitsmedizinische Vorsorge bei Lärm

PSA: Lärm- und Schallschutz

Die DGUV Empfehlung „Lärm“ hat den Grundsatz G 20 aus den seit mehr als 50 Jahren bekannten „DGUV Grundsätzen für arbeitsmedizinische Untersuchungen“ abgelöst. Die inhaltlich neu strukturierten, aktualisierten und ergänzten DGUV Empfehlungen gelten als neues Standardwerk für Arbeitsmedizin.

Text: Franz Roiderer (Redaktion)

Wenn Mitarbeiter während ihrer Tätigkeiten mit ausgeprägtem Lärm konfrontiert werden, gehen sie das Risiko von Hörschäden ein. Mit arbeitsmedizinischer Vorsorge werden Hörschäden rechtzeitig erkannt und vermieden. Die Lärmschwerhörigkeit gehört zu den am häufigsten bestätigten Berufskrankheiten, Vorsorge ist also besonders wichtig.

Die Arbeitgeber müssen daher eine Angebotsvorsorge anbieten, wenn ein Tages-Lärmexpositionspegel von 80 oder mehr dB(A) beziehungsweise ein Spitzenschalldruckpegel von 135 dB(C) oder mehr erreicht wird (untere Auslösewerte nach Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung – LärmVibrationsArbSchV).

AUF DEN PUNKT

  • Arbeitsmedizinische Vorsorge kann ­Hörschäden rechtzeitig erkennen
  • Die neuen DGUV Empfehlungen rücken die Beratung stärker in den Blickpunkt
  • Aktuellere Datenbasis als im Grundsatz G 20 und angepasste Hörverlustwerte

Eine Pflichtvorsorge muss dann erfolgen, wenn ein Tages-Lärmexpositionspegel von 85 oder mehr dB(A) beziehungsweise ein Spitzenschalldruckpegel von 137 dB(C) oder mehr (obere Auslösewerte nach LärmVibrationsArbSchV) erreicht wird.

Für die inhaltliche Umsetzung der arbeitsmedizinischen Vorsorge können Betriebsärzte seit 2022 die DGUV Empfehlung „Lärm“ heranziehen, die den DGUV Grundsatz G 20 „Lärm“ abgelöst hat. Die DGUV Empfehlung „Lärm“ ist Teil des neuen Gesamtwerks der „DGUV Empfehlungen für arbeitsmedizinische Beratungen und Untersuchungen“ (siehe nachfolgender Infokasten).

Infokasten. Grafische Darstellung: Liebchen+Liebchen GmbH

Die Untersuchungen laufen nach einem festgelegten Programm ab und sind in drei Stufen gegliedert:

  • Lärm I (Siebtest beziehungsweise Screening): Kurzanamnese, Besichtigung des Außenohres, Tonaudiometrie sowie Beratung zum Gehörschutz
  • Lärm II (bei Auffälligkeiten bei Lärm I): ärztliche Anamnese, otoskopische Untersuchung und weitere Hörtests sowie individuelle Beratung. Weist die Lärm-II-Untersuchung einen Hörverlust von 2 kHz 40db oder mehr aus, wird eine Lärm-III-Untersuchung nötig.
  • Lärm III: Otoskopie, Luft- und Knochenleitungsmessungen, Sprachaudiogramm, gegebenenfalls weitere Untersuchungen und individuelle Beratung. Eventuell ist nach der Lärm-III-Untersuchung ein Hörgerät angezeigt.

Die Beratung der Versicherten hat in den neuen Empfehlungen deutlich an Gewicht gewonnen und gehört verpflichtend zur Durchführung der Vorsorge.

Neues Standardwerk für Arbeitsmedizin

Die Inhalte der neuen „DGUV Empfehlungen für arbeitsmedizinische Beratungen und Untersuchungen“ sind nicht rechtsverbindlich, bieten aber detaillierte praxisnahe Unterstützung auf der Basis des allgemein anerkannten Stands der Arbeitsmedizin. Auch für andere Akteure auf der betrieblichen Ebene sind die Empfehlungen relevant, da sie wichtige ergänzende Informationen zu den in der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) beschriebenen Vorsorgeanlässen enthalten.

Die DGUV Empfehlungen wurden im Ausschuss Arbeitsmedizin der Gesetzlichen Unfallversicherung (AAMED-GUV) in interdisziplinären Teams aus Arbeitsmedizinern der betrieblichen Praxis und der Wissenschaft, Fachleuten diverser medizinischer und auch technischer Sachgebiete sowie Sachverständigen der Unfallversicherungsträger erarbeitet. Sie wurden in Kooperation mit den Sozialpartnern, Wissenschaftlern und arbeitsmedizinischen Fachgesellschaften gestaltet und gelten als neues Standardwerk für Arbeitsmedizin.

Was ist neu in der DGUV Empfehlung „Lärm“?

Zunächst hat sich bei der DGUV Empfehlung „Lärm“ der Datenbestand geändert. Stammte er bei der G 20 noch aus audiologischen Messungen, die um 1960 durchgeführt wurden, sind die Daten der Empfehlung nach 1980 erhoben worden.

Im früheren DGUV Grundsatz G 20 begründeten zudem erst relativ deutliche Hörverlustwerte eine sogenannte Lärm-II- oder Lärm-III-Ergänzungsuntersuchung. Die Hörverlustwerte wurden in der neuen DGUV Empfehlung „Lärm“ gesenkt und sind näher am altersbedingten Hörverlust. Die Prävention greift dadurch früher und Hörverluste führen schneller zu Lärm-II-Untersuchungen.

Außerdem gibt es jetzt getrennte Hörverlustwerte für Männer und Frauen, weil das Gehör von Frauen mit zunehmendem Alter weniger stark nachlässt als das von Männern. Die Werte, die Ergänzungsuntersuchungen erforderlich machen, sind für Männer und Frauen ab dem 35. Lebensjahr unterschiedlich. Ab diesem Zeitpunkt schreitet der altersbedingte Hörverlust bei Männern schneller voran.

Ein weiterer Teil der Neuerungen in der DGUV Empfehlung „Lärm“ beruht auf den Vorgaben aus der ArbMedVV. Da der Gehörtest freiwillig ist, kann eine Lärmvorsorge also auch ohne Gehörtest durchgeführt werden. In diesen Fällen ist vom Betriebsarzt, der den Arbeitsplatz von Betroffenen und damit vorliegende Lärmexpositionspegel, Arbeitsweisen und Arbeitsumgebungen in der Regel kennt, eine gute, praxisnahe Beratung zum Thema Lärmschutz erst recht gefordert. Die individuelle Beratung der Versicherten steht im Vordergrund. Zusätzlich kann der Betriebsarzt dem Unternehmen Vorschläge für weitere Schutzmaßnahmen machen.

Quelle: Peter Hammelbacher (BGHM): Aus DGUV Grundsatz G 20 „Lärm“ wird die DGUV Empfehlung „Lärm“, 38. Internationaler A+A Kongress 2023, 25. Oktober 2023.