Ruhe, bitte!

Büroformen im Überblick

Viele Beschäftigte kehren – zumindest teilweise – nach der Corona-Pandemie in die Büros zurück: eine gute Gelegenheit, die Lärmbelastung an den Arbeitsplätzen einer Überprüfung zu unterziehen.

Text: Franz Roiderer (Redaktion)  Illustrationen: Adobestock/Aisyaqilumar 

Großraumbüros sind unter akustischen Gesichtspunkten eine He­rausforderung. Der Kollege am Schreibtisch gegenüber telefoniert, daneben zischt pausenlos ein Drucker und die offenbar gut gelaunten Kollegen bei ihrem Meeting in der Ecke nerven mit Gelächter. Dazu kommt auch noch der Lombard-Effekt, benannt nach dem französischen Wissenschaftler Étienne Lombard. Der hatte beobachtet, dass ein Sprecher bei Vorhandensein von Hintergrundgeräuschen seine Lautstärke und meist auch seine Tonlage erhöht. Der Lärmpegel steigert sich weiter. Von konzentrierter Arbeit kann keine Rede mehr sein.

Dabei stehen im Büro nicht die unmittelbaren Auswirkungen auf das menschliche Gehör im Vordergrund, sondern die extra-auralen (nicht auf das Gehör bezogenen) Einflüsse. Im Büro besteht keine Gefahr für das Hörvermögen wie beim Einsatz lauter Maschinen in einer Fabrikhalle. Vielmehr belasten die verschiedenen physiologischen und psychischen Reaktionen, die über das zentrale und das vegetative Nervensystem des Menschen vermittelt werden (siehe Abbildung).

Die andauernden Stressreaktionen können negative gesundheitliche Auswirkungen haben und langfristig psychische und physische Krankheiten nach sich ziehen.

AUF DEN PUNKT

  • Lärm im Büro führt zu Konzentrationsstörungen, verringert die Produktivität und kann die Gesundheit beeinträchtigen
  • Raumakustische Maßnahmen wie Raumteiler oder der Einsatz schallabsorbierender Materialien führen zu einer Geräuschentlastung
  • Aktive Systeme wie Soundmasking oder Lärmampeln können zusätzlich Lärm reduzieren
Grafik: Vereinfachte Darstellung akuter extra-auraler Lärmeinwirkungen
Abbildung: Vereinfachte Darstellung akuter extra-auraler Lärmeinwirkungen. Liebchen+Liebchen GmbH

Anforderungen an Arbeitsplätze

Arbeitsplätze im Büro unterliegen gesetzlichen Regelungen zur Lärmbelastung. Die ASR (Technische Regel für Arbeitsstätten) A3.7 „Lärm“ konkretisiert dabei die Anforderungen der Verordnung über Arbeitsstätten (ArbStättV) zur Lärmbelastung. Die ASR gilt für das Einrichten und Betreiben jeglicher Art von Arbeitsstätten und Arbeitsplätzen, um Gefährdungen und Beeinträchtigungen für Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten durch Lärmeinwirkungen zu vermeiden.

Auch für die Arbeit im Büro gilt, dass der Schallpegel so niedrig wie möglich zu halten ist. Ergibt die Gefährdungsbeurteilung der Büroarbeitsplätze, dass Lärm ein Problem sein könnte, beispielsweise durch Beschwerden der Beschäftigten, müssen weitere Ermittlungen und eine quantitative Beurteilung der akustischen Situation erfolgen. Die Beurteilung kann entweder mit einem vereinfachten Verfahren durch lärmbezogene Arbeitsplatzbegehung erfolgen oder durch weitergehende Ermittlungsverfahren:

  • Ermittlung der raumakustischen Kennwerte durch Abschätzung
  • Ermittlung der raumakustischen Kennwerte durch Messung
  • Ermittlung von Lärmpegeln für Tätigkeiten durch orientierende Messung

Für Tätigkeiten, die hohe Konzentration und Kreativität erfordern, darf der Beurteilungspegel maximal 55 Dezibel betragen, bei Tätigkeiten mit höherem Routineanteil 70 Dezibel. Außerdem gelten Grenzwerte für den Nachhall.

Raumakustische Maßnahmen

Sollten die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung höhere Pegel ergeben oder starke Hallerscheinungen festgestellt werden, kommen zunächst nach der TOP-Regel technische Maßnahmen zur Lärmreduktion zum Einsatz. In Büros arbeitet man hier vorrangig mit der Beeinflussung der Raumakustik. Dabei sind jedoch technische und organisatorische Maßnahmen nicht immer trennscharf.

Der erste Schritt zur Verbesserung der Raumakustik ist daher weniger eine technische als eine organisatorische Maßnahme: die Planung der Arbeitsbereiche. Beispielsweise können tragende Elemente wie Säulen dazu genutzt werden, die Arbeitsbereiche oder die einzelnen Arbeitsplätze zu separieren. Gespräche überlagern sich allein dadurch schon weniger stark. Raumecken eignen sich für Geräte wie Drucker, weil hier der Schall besser „hängen“ bleibt. Die Schreibtische sollten zudem abseits häufig genutzter Laufwege zu Küche, Kopierer oder WC positioniert werden.

Wichtig ist außerdem die klare Definition von Arbeitsbereichen. Einerseits sollten Kommunikationsflächen für Telefonate und Meetings abseits der Schreibtische eingerichtet, andererseits Flächen für konzentriertes und ungestörtes Arbeiten ausgewiesen werden. Auch sollten Mitarbeiter, die untereinander viel kommunizieren müssen, nahe beieinandersitzen. Durch die Trennung in Arbeitsbereiche wird erreicht, dass Geräuschquellen gebündelt werden und damit leichter gedämmt werden können.

Hierzu kombiniert man idealerweise unterschiedliche Maßnahmen und Produkte, die lärmmindernd wirken. Dabei kommen in der Regel schallabsorbierende Materialien zur Anwendung, die die Schallreflexion mindern. Besonders geeignet sind poröse Oberflächen, die die Schallenergie in Wärme umwandeln. Dabei reiben sich die bewegten Luftteilchen in den Poren des Absorbermaterials, geben ihre (Schall-)Energie an das Material ab und entziehen sie damit dem Raum. Ergebnis: Der Schallpegel sinkt.

Schnellhilfe: Raumteiler

Vorhandene Regale oder Aktenschränke werden zwischen die einzelnen Arbeitsplätze gestellt, damit fungieren diese als Raumteiler und absorbieren bereits einen Teil der Geräusche. Zusätzlich fördert die optische Trennung der Arbeitsplätze die Konzentration.

Akustikdecken

Weitverbreitet und bewährt sind gerasterte Raumdecken, deren Einlegeplatten aus Mineralwolle, Glaswolle, Steinwolle oder auch gelochtem Gipskarton bestehen und die effektiv Schall absorbieren. Wenn es nicht möglich ist, die Decke vollständig zu verkleiden, können sogenannte Baffeldecken zum Einsatz kommen. Sie bestehen aus akustisch wirksamen Elementen, die von der Decke abgehängt sind. Die abgehängten Elemente – Baffeln oder Lamellen genannt – bestehen zum Beispiel aus Mineralfaser, Akustikschaum oder perforierten Blechen.

Deckensegel

Deckensegel sind frei im Raum abgehängte schallabsorbierende Elemente. Sie werden ebenfalls aus verschiedenen schallabsorbierenden Materialien hergestellt, zum Beispiel aus Gipskartonplatten, textilen Materialien oder perforierten Folien.

Schallabsorbierende Wandverkleidungen

Die Wandverkleidungen bestehen meist aus geschlitzten oder perforierten Paneelen aus Holz, Metall oder anderen Materialien. Ebenfalls angeboten werden Paneele beziehungsweise Trennwände, die frei im Raum positioniert werden können.

Schallabsorbierende Möbeloberflächen

Möbeloberflächen wie zum Beispiel Schranktüren, Seiten- und Rückwände sind häufig sehr glatt und reflektieren dadurch den Schall. Daher empfiehlt es sich, schallabsorbierende Möbel einzusetzen. Sie bestehen meist aus gelochten oder geschlitzten Materialien, die mit schallabsorbierenden Schichten und/oder Vliesen hinterlegt sind.

Bodenbeläge

Teppichboden und Linoleum reduzieren vor allem den Schall, der beim Gehen entsteht. Daneben tragen sie zur Trittschalldämmung zwischen den Räumen innerhalb eines Gebäudes bei. Besonders geeignet sind textile Bodenbeläge aufgrund ihrer porösen Struktur. Teppiche mit speziellen Akustikrücken erhöhen die Wirkung. Bei der Auswahl solcher Bodenbeläge sollte auch auf die Eignung für Rollstühle, Rollatoren und andere Gehhilfen geachtet werden.

Aktive Systeme

Trotz umfangreicher lärmmindernder Maßnahmen kann die Konzentration weiter leiden. Selbst ein einzelner, nicht einmal lauter Sprecher in einem ansonsten leisen Büro kann äußerst störend sein. Das liegt vor allem an der menschlichen Sprache. Man nimmt Worte oder Satzteile wahr, das Gehirn versucht unwillkürlich, das Gehörte zu verstehen und schon ist man abgelenkt. Die Wissenschaft nennt das Phänomen „Irrelevant Speech Effect“ (ISE); selbst bei einer Fremdsprache, die man nicht spricht, zeigt sich derselbe Effekt. Das kann auf Dauer zu Konzentrationsstörungen führen, das Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen und die Produktivität mindern.

In der Büroakustik verwendet man hier die Begriffe „Sprachverständlichkeit“ oder „Hörsamkeit“. In Unterrichts- oder Konferenzräumen ist eine gute Sprachverständlichkeit wichtig, in Großraumbüros sollte sie möglichst niedrig sein. Sie wird bestimmt durch die Raumform, das Raumvolumen, die Platzierung von schallabsorbierenden Flächen, die Höhe des Grundgeräuschpegels und die Nachhallzeit des Raumes. Die Nachhallzeit ist eine wesentliche raumakustische Kenngröße und beschreibt die Halligkeit eines Raumes. Darunter versteht man die Zeit, die vergeht, bis sich der Schalldruckpegel – zum Beispiel von einem Knall – um 60 Dezibel reduziert hat. Bei langen Nachhallzeiten überlagern sich die Geräusche und die Sprachverständlichkeit verschlechtert sich.

Soundmasking

Abhilfe gegen ein zu hohes Maß an Sprachverständlichkeit im Großraum­büro versprechen sogenannte Soundmasking-Technologien, das sind Schallmaskierungen durch aktiven Gegenschall. Dabei erzeugen Lautsprecher­systeme ein Grundrauschen, das bei manchen Anbietern aus einem Mix von naturnahen Akustikelementen wie beispielsweise Wind, Wasser oder Feuer besteht. Die Lautsprecher werden je nach Hersteller direkt unter dem Schreibtisch installiert oder in Schallschutzwände integriert. Das Geräusch hat keinerlei Informationsgehalt und soll nicht ortbar sein. Die Wirkweise lässt sich vielleicht mit dem Meeresrauschen an einem belebten Strand vergleichen. Trotz vieler Stimmen kann man problemlos ein Buch lesen oder sogar einschlafen.

Was sagt das Regelwerk?

Hinsichtlich des Einsatzes von Soundmasking gibt es eine Fundstelle in den Technischen Regeln für Arbeitsstätten „Lärm“ (ASR A3.7) vom März 2021. Dort heißt es: „Das Einspielen von Hintergrundrauschen als Maskierer für die Hintergrundsprache soll vermieden werden.“

Allerdings lässt sich auf der Website der Bundesanstalt für Arbeitsschutz (BAuA) eine Anwendung namens „Auralisation zur Planung von Büroräumen“ finden, die eher auf das Gegenteil schließen lässt. In diesem Werkzeug zur Bewertung von akustischen Maßnahmen, entwickelt von der BAuA zusammen mit dem ehemaligen Institut für Rundfunktechnik (IRT) im Jahr 2018, wird Soundmasking positiv beurteilt: „Durch ein gleichmäßiges, informationsloses Hintergrundgeräusch lassen sich störende Sprachgeräusche verdecken oder ‚maskieren‘. Hierdurch sinkt der Sprachübertragungsindex (STI), so dass die störende Sprachverständlichkeit im Raum bei gleichem Abstand geringer ausfällt.“

Lärmampel

Eine weniger komplexe Möglichkeit, Einfluss auf die Lärmentwicklung im Büro zu nehmen, ist eine sogenannte Lärmampel. Ursprünglich für Kitas und Schulen entwickelt, hilft sie, für „lautes Verhalten“ zu sensibilisieren und Lärm objektivierbar zu machen: Die Kinder kennen die Verkehrsampel und wissen: Rot ist verboten, Gelb heißt Vorsicht, Grün ist erlaubt. Die Lärmampel ist ein Mittel, die Lärmbelastungen erzieherisch zu reduzieren, und ermöglicht, Lärm auf leicht verständliche Weise sichtbar zu machen. Die Empfindlichkeit der Geräte ist einstellbar und ermöglicht damit eine Anpassung an räumliche Gegebenheiten und das individuelle Lärmempfinden. Die Ampel schaltet, wenn die eingestellten Lärmwerte überschritten werden, wie im Straßenverkehr zunächst auf Gelb und dann auf Rot.

Mittlerweile haben die Geräte auch den Weg in die Büros gefunden. Sie sind leicht zu handhaben und können überall aufgestellt werden. Der Anbieter Soundear beispielsweise liefert seine Produkte zusätzlich mit einer Auswertungssoftware aus.