Was Sifas können müssen

Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Sifas) sind das Rückgrat jeder Arbeitsschutzorganisation. Welche Fähigkeiten muss man für diesen Beruf mitbringen?

Technisches und analytisches Verständnis sind die Voraussetzung, um Mängel erkennen und beheben zu können. Darüber hinaus sind weitere Fähigkeiten wichtig, um die Rolle als Sifa gut ausfüllen zu können. Arbeitsschutzexpertin Anna Ganzke stellt in diesem Gastbeitrag die zehn wichtigsten Fähigkeiten vor, über die Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit verfügen sollten.

1. ANALYTISCHES DENKEN UND STRUKTURIERTES ARBEITEN

Eine der grundlegenden Qualifikationen von Sicherheitsingenieuren und Fachkräften für Arbeitssicherheit ist analytisches Denken. Sie sollten über eine schnelle Auffassungsgabe verfügen und damit in der Lage sein, Prozessen zu folgen und sie zu verstehen. Dies betrifft sowohl technische Fachgebiete als auch Abläufe innerhalb ihres Unternehmens. Damit einhergehend ist strukturiertes Arbeiten ebenfalls eine Fähigkeit, über die Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit verfügen sollten. Schließlich ist für einen derart verantwortungsvollen Beruf eine gewisse Struktur vonnöten, um den sich ständig verändernden Anforderungen gerecht werden zu können und um nicht den Überblick zu verlieren.

2. ÜBER DIE EIGENEN FEHLER SPRECHEN KÖNNEN

Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit sollten auf ihre Kollegen glaubwürdig wirken. Dafür ist es notwendig, offen und ehrlich mit Fehlern umzugehen – unabhängig davon, ob sie selbst, Führungskräfte oder Mitarbeiter die Schuld dafür tragen. Haben sie beispielsweise in Bezug auf eine Arbeitsschutzmaßnahme eine Fehlentscheidung getroffen, sollten sie dies gegenüber den Betroffenen einräumen. Ebenso gilt es, selbst verschuldete Missstände anzusprechen und sie zu beheben. Auf diese Weise erscheinen sie in ihrer Funktion als Sicherheitsingenieur und Fachkraft für Arbeitssicherheit authentisch.

3. SELBSTREFLEXION UND -EINSCHÄTZUNG

Damit das Eingeständnis eigener Fehler überhaupt möglich ist, müssen Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit dazu fähig sein, sich selbst zu hinterfragen. Besonders wichtig für sie ist es, objektiv beurteilen zu können, wie sie von Führungskräften und Mitarbeitern wahrgenommen werden. Nur wenn sie ihre persönliche Wirkung auf ihr Umfeld sachlich und präzise einschätzen, können sie die Menschen im Unternehmen besser erreichen. Im Besonderen sollten Fachkräfte für Arbeitssicherheit einschätzen können, ob sie als Arbeitsschutzpolizei oder als Vorbild, Partner und Coach im Arbeitsschutz wahrgenommen werden.

Letzteres sollte stets das Ziel sein. Um es zu erreichen, dürfen sie die Schuld für Fehler und Missstände nicht bei anderen suchen. Vielmehr müssen sie sich hinterfragen und herausfinden, in welchen Situationen sie womöglich selbst nicht optimal gehandelt haben. Durch diese Fähigkeit entwickeln sich auch die Arbeitsschutzexperten selbst anhand von Erfahrungen kontinuierlich weiter. Zudem können sie kritische Gespräche oder auch Konflikte besser nachbearbeiten.

4. DIE MOTIVATION, TEIL DER LÖSUNG ZU SEIN

Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit müssen stets offen dafür sein, sich am Lösungsprozess zu beteiligen – sie müssen ein elementarer Bestandteil davon sein. Sie dürfen im Unternehmen nicht als jemand wahrgenommen werden, der nur Mängel aufzeigt, ohne sich weiter damit zu beschäftigen. Stattdessen müssen sie sich als jemand präsentieren, der aktiv nach Schutzmaßnahmen sucht und Vorschläge unterbreitet.

Das Ziel sollte es sein, den gemeldeten Mangel gemeinsam mit den Mitarbeitern unter die Lupe zu nehmen. Dabei sollten Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit den Betroffenen in Aussicht stellen, innerhalb eines bestimmten Zeitraums gemeinsam eine Lösung zu finden. Auf diese Weise vermitteln sie allen Führungskräften und Mitarbeitern ein Gefühl des Miteinanders. Gleichzeitig signalisieren sie ihnen damit, dass es sich auszahlt, etwaige Missstände und Mängel zu melden.

5. SPRACHE DER MITARBEITER SPRECHEN

Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit müssen ihre Gesprächspartner verstehen. Es ist essenziell, dass sie allen Betroffenen auf Augenhöhe begegnen. Um die Sprache ihres Gegenübers zu sprechen, sollten sie andere Menschen bestens einschätzen können. So müssen sie beispielsweise analysieren, wie sie die jeweiligen Führungskräfte und Mitarbeiter am besten erreichen. Es muss Klarheit darüber herrschen, ob Storytelling oder Daten und Fakten der Schlüssel zum Erfolg sind.

Weiterhin müssen Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit verstehen, ob die Menschen für Wahrnehmungskanäle wie Bilder und Emotionen empfänglich sind. Schließlich hegen wir die größten Sympathien für jene Menschen, die uns am ähnlichsten sind. Beherrschen Arbeitsschutzexperten diese Fähigkeiten, können sie den Arbeitsschutz ohne den Verlust von Authentizität und Autorität vermitteln.

6. AUSDRUCKS- UND VERKAUFSFÄHIGKEIT

Für zielführende Gespräche ist eine durchdachte Vorbereitung nötig. Dabei müssen sie sich mit den Gesprächspartnern und deren Problemen auseinandersetzen. Hierfür ist ein umfassendes Verständnis dafür nötig, aus welchen Gründen Führungskräfte und Mitarbeiter vorgesehene Änderungen und Maßnahmen ablehnen könnten. Das Ziel ist es also, sich auf mögliche Einwände vorzubereiten – ein wichtiger Aspekt, um Kollegen von bestimmten Maßnahmen überzeugen zu können.

7. OFFENHEIT FÜR GEMEINSAME ENTSCHEIDUNGS­FINDUNGEN

Arbeitsschutzexperten sollten stets auf dem neuesten Stand bleiben. Es ist daher ihre permanente Aufgabe, sich mit dem Geschehen innerhalb ihres Unternehmens zu beschäftigen und aktuelle Entwicklungen im Blick zu behalten. Dies gilt insbesondere für das Verhalten der Führungskräfte und Mitarbeiter in Bezug auf den Arbeitsschutz. Zudem ist es sinnvoll, andere Menschen in Entscheidungsprozesse und deren Umsetzung zu integrieren. Nehmen Menschen im Unternehmen an diesen Vorgängen aktiv teil, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie damit einhergehende Veränderungen akzeptieren. Statt Entscheidungen aus dem „Elfenbeinturm“ heraus zu treffen, ist es daher ratsam, dass Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit gemeinsam mit den Betroffenen Lösungen erarbeiten und umsetzen.

8. KOMMUNIKATION UND FEEDBACK

Positives Feedback ist der Motor, der die Arbeitssicherheit am Laufen hält. Entsprechende Rückmeldungen motivieren die Mitarbeiter, sich an ihre Vorschriften zu halten und sicherheitsbewusst zu arbeiten. Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit sollten zum Beispiel während ihrer Begehungen nicht nur negative Auffälligkeiten im Blick haben. Stattdessen kommt es gut an, wenn sie die korrekte Umsetzung von Schutzmaßnahmen und sicheres Verhalten lobend hervorheben. Ferner sollten sie in direkten Gesprächen mit den Führungskräften und Mitarbeitern zum Ausdruck bringen, wenn sie über die Behebung eines bestimmten Mangels erfreut sind. Es ist daher äußerst wichtig, dass Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit ein Auge für das Positive haben – und dies entsprechend kommunizieren.

9. FREUDE UND MOTIVATION

Freude an der Arbeit ist auch für Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit eine wichtige Grundlage. Schließlich ist ihr Job mit großer Verantwortung verbunden. Ferner gehen damit auch unangenehme Gespräche und stressige Aufgaben einher. Umso wichtiger ist es, Spaß an diesem Beruf zu haben und den tieferen Sinn zu erkennen. Nur so können sie sich ihrer Aufgabe mit voller Hingabe widmen und im Bedarfsfall die notwendige „Extrameile“ gehen. Demnach ist es eine Voraussetzung, dass Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit ein ausgeprägtes Interesse daran haben, an ihren Herausforderungen zu wachsen. Ihr Fokus sollte auf der Senkung der Unfallzahlen sowie der Förderung sicheren Verhaltens und der hierfür erforderlichen Maßnahmen liegen.

10. BEREITSCHAFT, AN DER BASIS MITZUWIRKEN

Ein wichtiger Schritt, um die Sorgen und Nöte an den Arbeitsplätzen noch besser zu verstehen, ist die Mitarbeit vor Ort. Schließlich dürfen sich Arbeitsschutzexperten nicht aus dem Tagesgeschäft ihrer Firma herausnehmen. Im Gegenteil: Sie müssen sich regelmäßig am Betrieb beteiligen. Insbesondere wenn Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit einen neuen Job übernehmen, empfiehlt es sich, ein paar Tage in der Produktion oder in anderen Bereichen mitzuwirken. Die Aussage, der Arbeitsschützer vor Ort kenne sich nicht aus, ist damit kein Argument mehr.

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Foto: WandelWerker

Anna Ganzke ist zusammen mit Stefan Ganzke Gründerin und Geschäftsführerin der WandelWerker Consulting GmbH. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, gemeinsam mit ihrem Team die Einstellung von Führungskräften und Mitarbeitern hinsichtlich des Arbeitsschutzes im Unternehmen zu verbessern. Hierfür trainieren sie sowohl mit den Sicherheitsingenieuren und Fachkräften für Arbeitssicherheit als auch mit den Führungskräften. ­Zudem arbeiten sie mit ihnen strategisch am betrieblichen Arbeitsschutz.

Weitere Informationen unter: www.wandelwerker.com

Text: Anna Ganzke