- Editorial
- Schwerpunkt
- Sicher und gesund arbeiten
- Gut führen
- Nachhaltig und innovativ arbeiten
- Alles, was Recht ist
- Produkte & Märkte
- Damals
- Ausblick
Blechteile bewegen
sicher und effizient mithilfe von KI
Die Beladung von Maschinen zur Blechteilbearbeitung ist meist monoton, anstrengend und zeitraubend. Das sorgt für Fehlzeiten, Fluktuation und Personalmangel und wirkt sich negativ auf die Produktivität aus. Der Prozess lässt sich aber auch automatisieren: durch flexible und einfach zu bedienende Beladelösungen.
Text: Franz Roiderer (Redaktion) und J. Schmalz GmbH
AUF DEN PUNKT
- Der demografische Wandel sowie wachsende Ansprüche an die Qualität des Arbeitsplatzes führen zu starkem Mangel an Arbeitskräften
- Automation kann gerade kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bei der Bewältigung der Herausforderungen helfen
- Das „Solution Kit ivOS Sheet Metal“ von Schmalz zur Blechbearbeitung zeigt, wie Robotik und KI zukunftssichere Arbeitsplätze schaffen können
Schon heute ist jede zweite Person in Deutschland älter als 45, jede fünfte älter als 66 Jahre. Der demografische Wandel ist also längst angekommen. Mit Folgen für Unternehmen: Sie sind bereits heute auf qualifizierte Fachkräfte angewiesen – und in Zukunft mehr denn je. Denn wenn zwischen 2025 und 2035 die Babyboomer in Rente gehen, wird sich dieser Trend weiter verstärken. Dann fehlen dem Arbeitsmarkt Millionen von Arbeitskräften.
Gleichzeitig steigt der Druck, den Mitarbeitenden gute Arbeitsbedingungen zu bieten. Dazu zählen beispielsweise attraktive Arbeitsplätze, bei denen die Beschäftigten ihrer Arbeit möglichst gesundheitsschonend nachgehen können. Dagegen dürfte es immer schwieriger werden, das passende Personal für körperlich belastende Arbeit zu finden. Automatisierung dürfte eine Antwort darauf sein, wie Unternehmen dem Fachkräftemangel begegnen können. Roboter sind mittlerweile immer besser in der Lage, Aufgaben zu übernehmen, die bisher von Hand erledigt werden mussten. Bereits heute sind in Deutschlands Industriehallen so viele Roboter im Einsatz wie in keinem anderen europäischen Land.
KMU haben bei Automatisierung Nachholbedarf
Aber vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU; Jahresumsatz von bis zu 50 Millionen Euro, weniger als 250 Mitarbeitende) scheuen sich davor, Prozesse zu automatisieren. Dabei sind 99 Prozent der Unternehmen in Deutschland KMU, insgesamt rund 2,5 Millionen Unternehmen. 700.000 davon sind im produzierenden Gewerbe tätig. Aber nur fünf bis sieben Prozent der Arbeitsplätze in diesen Unternehmen sind automatisiert, denn KMU sorgen sich oft, dass sich Automatisierung nicht lohnen würde, dass sie unflexibel sei und dass sie mit den steigenden Anforderungen an die Produktion nicht mitwachsen könnte. Den geringen Automatisierungsgrad von KMU verdeutlicht auch ein Vergleich mit der Automobilindustrie, dem Vorreiter der Industrie 4.0. Während dieser Wirtschaftszweig mittlerweile einen Automationsgrad von rund 90 Prozent aufweist, setzen viele kleine und mittelständische Betriebe immer noch auf manuelle Prozesse.
Das „Solution Kit ivOS Sheet Metal“ der J. Schmalz GmbH soll Unternehmen diese Sorgen nehmen: Laut dem Hersteller ist es wirtschaftlich einsetzbar, nimmt den Mitarbeitenden körperlich belastende Arbeiten ab und lässt sich sehr einfach in das Produktionsumfeld von kleinen und mittleren Blech verarbeitenden Betrieben integrieren.
Erkennen, greifen, ablegen
Metall bearbeitende Betriebe stehen vor mehreren Herausforderungen: Die Werkstücke unterscheiden sich häufig sehr stark und die Losgrößen sind nur klein. Die Betriebe stehen unter hohem Kostendruck und finden immer weniger Personal, das die anstrengenden und nicht selten monotonen Tätigkeiten in der Blechbearbeitung übernehmen will. Der Einsatz von Robotern könnte hier Abhilfe schaffen und nachhaltig für eine Verbesserung sorgen. Doch die klassischen Robotersysteme und Bin-Picking-Lösungen haben sich oft als wenig erfolgreich erwiesen. Die bislang eingesetzten Roboter haben meist die Aufgabe, ein Werkstück mit immer derselben Bewegung von Position A nach Position B zu transportieren. Für eine Vielzahl von praktischen Anwendungen aber reichen diese starren Bewegungsmuster nicht aus.
Somit ist die menschliche Arbeitskraft für das anstrengende und zugleich monotone Be- und Entladen von Blechbearbeitungsmaschinen weiterhin unverzichtbar. Aber auch das Einlernen neuer Werkstücke ist aufwendig und erfordert meist zwei Spezialisten: zum einen die Fachkraft für Bildverarbeitung beziehungsweise 3-D-Sensorik und zum anderen den Roboter-Profi für die Programmierung, denn auch die Greifer müssen je nach Bedarf gewechselt und die Steuerung angepasst werden.
Eigenes Betriebssystem steuert die Komponenten
Die Schmalz GmbH will mit ihrem „Solution Kit ivOS Sheet Metal“ das Blechteile-Handling automatisieren. Das „Solution Kit“ der Vakuum-Experten aus dem Schwarzwald besteht aus neuester 3-D-Kamera-Technik, dem Vision-Operating-System ivOS sowie einem hochflexiblen Matrixgreifer. „ivOS“ ist ein eigens entwickeltes Betriebssystem, mit dem verschiedene Komponenten wie Greifer, Kameras, Pick-Software und Roboter unterschiedlicher Hersteller einfach verbunden und gesteuert werden können. Das Betriebssystem verfügt über Schnittstellen, die einen effizienten Datenaustausch in Echtzeit beispielsweise mit Lagerverwaltungssystemen ermöglichen.
Der adaptive Matrixgreifer besteht aus sieben Modulen mit jeweils zwölf Saugern, die zu einem flexiblen Flächengreifer verblockt sind. Die insgesamt 84 Saugstellen passen sich automatisch an wechselnde Geometrien der Werkstücke an, jede Saugstelle wird dabei einzeln angesteuert. Das bietet Anwendern maximale Flexibilität beim Handling von unterschiedlichen Blechen, aufwendige Greiferwechsel lassen sich auf ein Minimum reduzieren. Die Software übernimmt die komplette Prozessplanung, berechnet den nächstbesten Greifpunkt und steuert den Roboter kollisionsfrei vom Greifen des Werkstücks bis zum Ablegen am Zielort.
Der Anwendungsbereich des Systems umfasst das automatisierte Be- und Entladen von Schleif-, Entgrat- und Richtmaschinen mit Blechteilen nahezu jeglicher Form. Bis zu 500 Blechteile können pro Stunde bewegt werden bei einem Werkstückgewicht bis zu 24 Kilogramm und einer Werkstückdicke von 0,8 bis 20 Millimeter. Das Größenspektrum reicht von der Visitenkarte bis hin zur Europalette.
Ein lernendes System
Da die Ansteuerung dieses universell einsetzbaren Greifsystems komplex ist, übernimmt eine lernende KI (Künstliche Intelligenz) die Aufgabe. Sie erkennt über ein Kamerasystem die unbekannten Werkstücke und steuert den Greifer so an, dass er das Blech bestmöglich aufnehmen kann. Anschließend überwacht das Betriebssystem ivOS die Griffqualität während des Handhabungszyklus und navigiert den Roboter mit dem Produkt kollisionsfrei an die Zielablage. Das alles passiert autonom, ohne dass die Nutzerinnen und Nutzer Fachkenntnisse zur Bedienung der Anlage benötigen.
Die Software-Plattform ivOS arbeitet dabei mit Greifern, Kameras, Pick-Software und Robotern unterschiedlicher Hersteller zusammen, die sich so einfach verbinden und in Echtzeit steuern lassen. Damit können zukünftig auch weitere Anwendungen leichter automatisiert werden. Einzelne Softwaremodule wie beispielsweise die Pick-Software können zur kontinuierlichen Verbesserung – auch nachträglich – ausgetauscht werden.
Laut Schmalz amortisiert sich die Investition in „ivOS Sheet Metal“ innerhalb von zwei Jahren bei einer Steigerung der Produktivität um 90 Prozent, da statt zwei Personen nur noch eine zur Bedienung und Beladung der Maschine erforderlich ist. 85 Prozent des Teilespektrums seien automatisierbar, dadurch dass unbekannte Blechteile ohne vorheriges Anlernen der Maschine erkannt werden könnten. Nicht zuletzt kann die Automatisierung die Beladungsprozesse auch sicherer machen. „ivOS Sheet Metal“ scannt kontinuierlich die Umgebung, nimmt jedes Bauteil zuverlässig auf und legt es sicher und kollisionsfrei auf der Maschine ab.
Zum Unternehmen
Die Produkte der J. Schmalz GmbH kommen in Anwendungen der Logistik genauso zum Einsatz wie in der Automobilindustrie, der Elektronikbranche oder der Möbelproduktion. Zum Geschäftsfeld Vakuum-Automation zählen einzelne Komponenten wie Sauggreifer oder Vakuum-Erzeuger, komplette Greifsysteme und Spannlösungen zum Festhalten von Werkstücken, beispielsweise auf CNC-Bearbeitungszentren. Im Geschäftsfeld Handhabung bietet Schmalz mit Vakuumhebern und Kransystemen Handhabungslösungen für Industrie und Handwerk. Mit dem Geschäftsfeld Energiespeicher gibt es zukünftig ein weiteres Standbein im Bereich der stationären Energiespeicher. Das Familienunternehmen mit Hauptsitz in Glatten im Schwarzwald beschäftigt an 30 Standorten weltweit rund 1.800 Mitarbeiter.