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Laborversuche zeigen, wie Chemikalienschutzhandschuhe reagieren, wenn sie mit Desinfektionsmitteln in Kontakt kommen.

Viele Anwender desinfizieren ihre Schutzhandschuhe, um den Verbrauch von Handschuhen zu verringern oder auch Zeit einzusparen. Zwischendurch wird immer mal wieder Desinfektionsspray auf die Handschuhe gesprüht oder die Hände samt Handschuh mit Händedesinfektionsmittel eingerieben. Doch sind Chemikalienschutzhandschuhe überhaupt dafür geeignet? Hält das Material dem Kontakt mit Desinfektionsmitteln stand?

WIE WIRKEN DESINFEKTIONSMITTEL AUF EINMALHANDSCHUHE?

Das wollte der Hersteller AMPri wissen, der Einmalprodukte für die Bereiche Arbeitsschutz, Hygiene und Pflege anbietet. Das in Winsen an der Luhe ansässige Unternehmen verfügt über eine eigene Forschungseinrichtung, das AMPri-Kompetenzzentrum, das über die notwendigen Prüfgeräte verfügt, wie beispielsweise spezielle Gaschromatographen zur Messung der Durchbruchzeit. Das Gerät vermag auch geringe Mengen einer Chemikalie nach dem Durchbruch durch das Handschuhmaterial zu erkennen.

Die Ergebnisse der Studie sollen die Grundlage für eine verbesserte Nutzerinformation bieten. Wie lange beispielsweise darf ein Handschuh verwendet werden, wenn er mit Desinfektionsmitteln in Kontakt gekommen ist? Für die Versuche wurden Nitril-Einmalhandschuhe verwendet. Naturlatex- und Vinyl-Einmalhandschuhe sind bei Kontakt mit Desinfektionsmitteln (Handdesinfektionsmittel und Flä­chen­desinfektionsmittel) unbeständig.

Ziel der Untersuchung war, die Degradation des Handschuhmaterials zu messen, wenn es Desinfektionsmitteln ausgesetzt wird. Darunter versteht man bei Schutzhandschuhen die schädliche Veränderung einer oder mehrerer Eigenschaften des Materials durch Chemikalienkontakt. Diese Materialermüdung kann sich beispielsweise durch Aufquellen, Auflösung, Versprödung oder Verfärbung zeigen. Das Team vom AMPri-Kompetenzzentrum hat dazu die Reißkraft der Handschuhe vorher und nachher ermittelt und untersucht, ob und wie sich die Durchbruchzeit verändert.

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Desinfektionsmittel enthalten meist Alkohole wie Isopropanol, die die Schutzwirkung von Einmalhandschuhen beeinträchtigen können. Foto: stock.adobe.com/Marc Wiegelmann

Um die Reißkraft von Nitril-Handschuhen mit einer Schichtstärke von 0,08 Millimetern zu ermitteln, entnahmen und vermaßen die beteiligten Forscherinnen Proben von acht Handschuhen im unbehandelten Zustand und Proben von acht Stück, die der Alterung von sieben Tagen bei 70 Grad Celsius ausgesetzt waren. Zur Ermittlung der Reißkraft wurde ein Schulterstab nach Angaben der Norm EN 455-2 ausgestanzt, in eine Reißmaschine eingespannt und einer bestimmten Kraft ausgesetzt, bis das Material nachgab.

Danach wurden die Proben mit verschiedenen Desinfektionsmitteln in Kontakt gebracht. Es zeigte sich im Verlauf des Experiments, dass bereits nach zehnminütiger Exposition die Reißkraft um 50 Prozent sank. Der Handschuh wird zunehmend physikalisch instabil und kann bei weiterem Einsatz reißen. Der Anwender könnte sich dann mit Erregern infizieren.

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DIE REISSKRAFT SINKT UM 50 PROZENT

Bei der Ermittlung der Ergebnisse für die Durchbruchzeit wurden typische Parameter und Chemikalien aus der Praxis genommen, in dem Fall wurden jeweils drei Handschuhe mit einem Handdesinfektionsmittel beziehungsweise mit Isopropanol – einem Alkohol, der in vielen Desinfektionsmitteln enthalten ist – für zehn Minuten kontaminiert. Dann kamen die Handschuhe für 15 Minuten zum Abdampfen unter den Abzug und danach wurde mithilfe eines Gaschromatographen die Durchbruchzeit bestimmt.

Bei der Originalprobe (unbehandelter Handschuh) ermittelten die Forscherinnen eine Durchbruchzeit von zwölf Minuten. Bei Proben, die zehn Minuten mit Isopropanol in Kontakt waren, wurde dagegen eine Durchbruchzeit von weniger als einer Minute gemessen.

Die Ergebnisse zeigen eindeutig, das Desinfektionsmittel in allen untersuchten Fällen grundsätzlich die Degradation stark beschleunigen, die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Einmalhandschuhe verschlechtern sich. Die Reißkraft ist reduziert, die chemische Beständigkeit ebenfalls. Die Schutzwirkung der Handschuhe nach dem Desinfizieren lässt stark nach, sie sollten daher nicht mehr verwendet werden.

Allgemein durchdringen Alkohole in Abhängigkeit von der konkreten Zusammensetzung und der Wanddicke der Handschuhe schnell Handschuhmaterialien. Neben der Verschlechterung des festgelegten Leistungsverhaltens des ursprünglichen Produkts kann der ­Alkohol Handschuhadditive, wie beispielsweise Vulkani­sationsbeschleuniger, lösen. Beide, der Alkohol und die potenziell allergenen gelösten Materialbestandteile, können stärkere Hautprobleme wie verzögerte Kontaktdermatitis hervorrufen.

Text: Franz Roiderer