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Wie viel Atemschutz ist nötig?
Nicht immer kann gemessen werden, welcher Menge an Gefahrstoffen die Beschäftigten am Arbeitsplatz ausgesetzt sind. Manchmal liegt auch gar kein Grenzwert vor. Wie können trotzdem das erforderliche Mindestschutzniveau und das eventuell notwendige Atemschutzgerät ermittelt werden?
Ob und welches Atemschutzgerät an einem bestimmten Arbeitsplatz verwendet werden muss, hängt vom „Mindestschutzniveau“ ab, das dort gefordert wird. Eine Methode zu dessen Ermittlung basiert auf dem „Control-Banding-Ansatz“. Dieser englische Fachbegriff wird so auch im Deutschen verwendet, eine Übersetzung ist nicht gebräuchlich. Mit dieser nichtmesstechnischen Methode lässt sich ein Mindestschutzniveau ermitteln, auch wenn keine Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) oder Messwerte vorliegen.
Atemschutzgeräten werden in Abhängigkeit von ihrer Funktionsweise, Klasse und Bauform unterschiedliche Schutzniveaus zugewiesen. Eine handelsübliche FFP2-Maske erreicht ein Schutzniveau von 10, eine Vollmaske oder Mundstückgarnitur mit Partikelfilter der Klasse P3 erreicht dagegen ein Schutzniveau von 400 (siehe Tabelle 1). Die Originaltabelle der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) ist weit umfangreicher und listet auf vier Seiten sämtliche marktgängigen Atemschutzgeräte auf.
TABELLE 1: SCHUTZNIVEAU VON ATEMSCHUTZGERÄTEN (AUSZUG)
Das Schutzniveau eines Atemschutzgerätes ist der numerische Grad des Atemschutzes, der einem Atemschutzgerät zum Zweck der Auswahl zugewiesen wird. Bei korrektem Gebrauch ist eine Person damit entsprechend geschützt. Bei der Festlegung des Schutzniveaus werden neben der in der jeweiligen Norm angegebenen höchstzulässigen Leckage weitere Einflussgrößen berücksichtigt, wie beispielsweise der Atemwiderstand oder der verbleibende Schutz bei Störung am Gerät.
Wird ein solches Verfahren bei der Verwendung von Chemikalien am Arbeitsplatz eingesetzt, lässt sich die Exposition abschätzen und Arbeitsschutzmaßnahmen können abgeleitet werden. Nach vier zu absolvierenden Schritten erhält man als Ergebnis das Mindestschutzniveau, das Atemschutzgeräte an dem zu untersuchenden Arbeitsplatz erfüllen müssen.
TABELLE 2: ERFORDERLICHES MINDESTSCHUTZNIVEAU
01
Gruppeneinteilung der Gesundheitsgefährdung
Jeder Hersteller von Chemikalien ist verpflichtet, seinem Produkt ein Sicherheitsdatenblatt beizufügen. Dort sind unter anderem H-Sätze verzeichnet, die Gefährdungen (engl. hazard) beschreiben, die von den chemischen Stoffen oder Zubereitungen ausgehen. H330 beispielsweise bedeutet Lebensgefahr bei Einatmen. Anhand der H-Sätze und der aus einer umfangreichen Matrix ersichtlichen Einordnung erfolgt die Zuweisung je nach der Höhe der Gesundheitsgefährdung in eine von fünf Gruppen (von A „Reizstoff“ bis D „sehr giftig“, Gruppe E ist für „Sonderfälle“ wie mutagene oder karzinogene Wirkungen). H330 beispielsweise gehört zur Gruppe D.
02
Bestimmung der Menge des verwendeten Schadstoffes
Für jeden Gefahrstoff wird die Verwendung betrachtet und die die dabei eingesetzte Gesamtmenge notiert. Und anschließend wird der Stoff in eine von drei Gruppen eingeordnet:
- klein: wenn die Mengen in Gramm oder Milliliter bemessen werden
- mittel: Kilogramm oder Liter
- groß: Tonnen oder Kubikmeter
Die Einteilung mag relativ grob erscheinen, aber für den Zweck ist sie hier ausreichend.
Weitere Informationen sowie die erwähnten Tabellen und Diagramme:
DGUV Information 112-190 „Benutzung von Atemschutzgeräten“
03
Bestimmung des Staubungsverhaltens beziehungsweise der Flüchtigkeit der verwendeten Stoffe
Stoffe, die Stäube freisetzen, werden ebenfalls in drei Gruppen eingeteilt. Pellets oder wachsartige Flocken beispielsweise haben ein niedriges Staubungsverhalten, kristalline körnige Feststoffe ein mittleres, feines Pulver oder Rauch ein hohes.
Bei partikelförmigen Schadstoffen oder Flüssigkeiten, die Gase oder Dämpfe erzeugen können, kann die Flüchtigkeit nach einem Flüchtigkeitsdiagramm bestimmt werden. Auch hier gibt es die Stufen niedrig, mittel und hoch. Gase werden immer der hohen Flüchtigkeit zugeordnet.
04
Bestimmung des Mindestschutzniveaus
Nachdem die drei ersten Schritte absolviert sind, liegen für jeden eingesetzten Stoff drei Informationen vor: die Einteilung in Gefährdungsgruppen, die verwendete Menge sowie das Staubungsverhalten beziehungsweise die Flüchtigkeit. In Tabelle 2 werden nun die Informationen zueinander in Beziehung gesetzt und das Mindestschutzniveau angezeigt.
Hat man es mit einem sehr giftigen Stoff (Gruppe D) zu tun, dessen Staubungsverhalten niedrig ist und der nur in kleinen Mengen verwendet wird, wird ein Schutzniveau von 10 benötigt – derselbe Mindestschutz wie bei einem Stoff mit geringer Gesundheitsgefährdung (Gruppe A), der aber in mittelgroßen Mengen eingesetzt wird und kräftig staubt.