Mehr Nachhaltigkeit durch Energie­management

Nachhaltiger Umgang mit Energie ist heute eine der drängendsten Aufgaben der Gesellschaft. Die Auflistung globaler Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen enthält unter anderem die hoch priorisierte Vorgabe, bezahlbare, verlässliche, nachhaltige und zeitgemäße Energie bis 2030 allen zugänglich zu machen. Können Unternehmen mit der Einführung eines Energiemanagementsystems nach ISO 50001 einen sinnvollen Beitrag dazu leisten?

Was sind SDGs?

Die Sustainable Development Goals (SDGs) wurden im Jahr 2015 von den 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen im Rahmen der Agenda 2030 einstimmig verabschiedet. Diese Ziele für nachhaltige Entwicklung sollen dazu beitragen, allen Erdenbewohnern ein menschenwürdiges Leben in einer intakten Umwelt zu sichern.

Die weltweit gültigen SDGs sind in 17 allgemein formulierte Ziele und 169 konkretisierte Unterziele gegliedert, die bis 2030 erreicht werden sollen; die Unterziele bestehen aus 107 inhaltlichen Zielen und 62 Umsetzungsmaßnahmen. Alle SDGs beziehen sich auf die drei Säulen der Nachhaltigkeit: Ökologie, Soziales und Ökonomie. Die Vereinten Nationen sprechen mit ihren Zielvorgaben Regierungen, Wirtschaft, Wissenschaft und die Zivilgesellschaft gleichermaßen an. Den Regierungen kommt dabei die zentrale Aufgabe zu, im Rahmen ihrer Möglichkeiten die SDGs in nationale Aktionspläne zu übertragen.

SDGs im Netz

Eine ausführliche Liste aller SDGs inklusive Unterzielen findet sich auf der Webseite der Vereinten Nationen (sdgs.un.org / goals) oder im empfehlenswerten „SDG Compass“, einem Leitfaden für zielführende Unternehmenstätigkeiten zum Thema (sdgcompass.org).

Die 17 Nachhaltigkeitsziele lösen die je nach Blickwinkel relativ erfolgreichen Millennium Development Goals (MDGs) ab, die für den Zeitraum von 2000 bis 2015 angesetzt waren. Die MDGs beschränkten sich weitgehend auf soziale Themen wie Arbeit, Gesundheit und Bildung in Entwicklungsländern, während die SDGs weiter gefasst sind und das Thema Nachhaltigkeit umfassend abdecken.

Erreichung der Ziele bis 2030 ungewiss

Ob es jedoch weltweit gelingt, alle oder einen Gutteil der SDGs bis 2030 zu erreichen, ist ungewiss. Bereits im Jahr 2019 forderte die UN im Rahmen des SDG-Gipfels in New York die Staatengemeinschaft eindringlich dazu auf, ihre Bemühungen zur Erfüllung der Agenda 2030 zu verstärken und damit die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele wie geplant sicherzustellen. Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) von 2017 ist die Grundlage für die nationale Umsetzung der Agenda 2030. Darin wird die deutsche Wirtschaft ausdrücklich aufgefordert, sich mit Blick auf die Erreichung der SDGs (mehr) zu engagieren.

Der Europe Sustainable Development Report 2020 gibt für Deutschland dennoch nur einen durchschnittlichen Umsetzungsgrad der Ziele von 75 Prozent an, was innerhalb Europas lediglich für Platz sechs reicht. Bei mehreren Zielen ist sogar noch mehr Luft nach oben: Der Report nennt beispielsweise für das in diesem Beitrag näher betrachtete SDG 7 („bezahlbare und saubere Energie“) einen Umsetzungsgrad von etwa 65 Prozent. Der gemessene Trend weist auf eine „mäßige Verbesserung“ hin. Da die Auswirkungen des Ukraine-Konflikts noch gar nicht und die der Pandemie nur teilweise berücksichtigt werden konnten, muss eine Stagnation dieses ohnehin nur moderat positiven Trends befürchtet werden.

Einer der wesentlichen Gründe für die mäßigen Umsetzungsgrade dürfte – neben Ukraine-Konflikt und Pandemie – vor allem der geringe Bekanntheitsgrad der UN-Ziele sein. Eine repräsentative Umfrage aus dem Jahr 2020 ergab, dass in Deutschland nur 46 Prozent der Antwortenden je von der Existenz der Nachhaltigkeitsziele gehört hat, noch weniger wussten, was es damit auf sich hat. Gerade auch in Unternehmen spielen die SDGs bislang nur eine untergeordnete Rolle. Die Agenda 2030 mit ihren Zielen in der Wirtschaft überhaupt erst einmal bekannt zu machen, ist eine der wesentlichen Aufgaben von staatlichen Stellen ebenso wie von Nichtregierungsorganisationen.

Unternehmen in der Pflicht

Unternehmen können in vielerlei Hinsicht einen Beitrag zum Erreichen der UN-Ziele leisten. Nicht immer in allen Bereichen. Aber dort, wo Verbesserungen im Sinn umfassender Nachhaltigkeit in den Händen der Geschäftsführung liegen und die Verhältnisse in der jeweiligen Branche es zulassen, ist das durchaus möglich.

Seit vielen Jahren etwa stehen Unternehmen auf Effizienz und Wirksamkeit ausgerichtete ISO-Managementsystemnormen zur Verfügung, zum Beispiel ISO 14001 (Umwelt), ISO 45001 (Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit) und ISO 50001 (Energie). Mit der Implementierung eines entsprechenden (auch integrierten) Managementsystems können Entscheider zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: das Schaffen einer wirksamen, auf Ökonomie ausgerichteten Prozesslandschaft, die gleichzeitig einen Beitrag zu sozial und/oder ökologisch nachhaltigem Wirtschaften leistet.

Gemeinsamkeiten von SDG 7 und ISO 50001

Mit SDG 7 bezieht sich eines der 17 UN-Ziele auf den nachhaltigen Umgang mit Energie. Mit Blick auf dieses Ziel bietet sich nicht nur für besonders energieintensiv wirtschaftende Unternehmen, sondern auch für Dienstleister unterschiedlicher Branchen oder öffentliche Einrichtungen die Implementierung eines Energiemanagementsystems (EnMS) nach ISO 50001:2018 an. Um zu erkennen, in welchen Bereichen die ISO-Norm die Zielerreichung von SDG 7 unterstützt, müssen dessen Unterziele näher betrachtet werden.

Das SDG 7 fordert, dass im Jahr 2030 jeder Mensch „Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und zeitgemäßer Energie“ hat. Die Untergliederung von SDG 7 in Einzelziele offenbart, wo das UN-Ziel die ISO-Norm trifft:

  • Unterziel 7.1 Sicherung des allgemeinen Zugangs zu bezahlbaren, verlässlichen und modernen Energiedienstleistungen
  • Unterziel 7.2 deutliche Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien am globalen Energiemix
  • Unterziel 7.3 Verdopplung der Steigerungsrate der Energieeffizienz
  • Unterziel 7.a Ausbau der internationalen Zusammenarbeit (Erleichterung des Zugangs zu Forschung und Technik für saubere Energie und Investitionen in die Energieinfrastruktur und Förderung sauberer Energietechnik)
  • Unterziel 7.b Ausbau der Infrastruktur und Modernisierung der Technik (Bereitstellung nachhaltiger Energiedienstleistungen an Entwicklungsländer)

Der Vergleich mit der ISO-Norm zeigt, dass es Gemeinsamkeiten nur bei Unterziel 7.3 gibt. Hier geht es um die signifikante Steigerung der Energieeffizienz, eine zentrale Anforderung von ISO 50001. Die Energiemanagementnorm fordert dabei nicht, dass Normanwender – wo irgend möglich – erneuerbare Energien einsetzen; sie gibt dazu lediglich eine Empfehlung ab und weist ausdrücklich darauf hin, dass der Einsatz von erneuerbaren Energieformen die Energieeffizienz von Prozessen nicht zu erhöhen vermag.

Implementierung von ISO 50001 im Überblick

Die Energiemanagementnorm ISO 50001 wurde erstmals im Jahr 2011 veröffentlicht. 2018 kam eine überarbeitete Version heraus, die auf der damals für alle ISO-Managementsystemnormen verbindlichen High Level Structure (HLS) aufbaut. Die HLS erfuhr 2021 eine Revision zur sogenannten Harmonized Structure (HS), die erst zur Anwendung kommt, wenn eine ISO-Managementsystemnorm überarbeitet wird.

Ein EnMS nach der ISO-Norm eignet sich für Unternehmen jeder Art und Größe, also durchaus auch für kleine und mittelständische Unternehmen. Laut aktuellem ISO Survey (jährliche Erhebung der ISO zur Zahl der Zertifizierungen ihrer Managementsystemstandards) verfügten weltweit knapp 22.000 Unternehmen mit insgesamt etwa 55.000 Standorten über ein EnMS nach ISO 50001, in Deutschland rund 5.500 Unternehmen mit knapp 23.000 Standorten.

Das zentrale Anliegen von ISO 50001 ist die fortlaufende Verbesserung der energiebezogenen Leistung. Diese basiert auf der Identifikation von Energieeinsparpotenzialen, bei der die Steigerung der Energieeffizienz im Mittelpunkt steht. Hat sich ein Unternehmen zur Implementierung und Zertifizierung eines EnMS entschlossen, legt die Unternehmensleitung zunächst eine langfristige Energiepolitik, entsprechende Energieziele und geeignete Aktionspläne fest. Es folgen die Erfassung und Analyse aller Energieträger im Unternehmen, womit die energetische Ausgangsbasis ermittelt und zentrale Kennzahlen (EnPI) zur Messung der Erreichung der Energieziele festgelegt werden (hilfreich: die praxisbezogenen Anforderungen aus ISO 50006 und ISO 50015).

Das zentrale Anliegen von ISO 50001 ist die fortlaufende Verbesserung der energiebezogenen Leistung

Auf dieser Grundlage werden sowohl grundsätzliche Veränderungen als auch Verbesserungen im Detail entwickelt, was etwa in eine Um- oder Neuorganisation energieintensiver Prozesse, gegebenenfalls auch in die Anschaffung deutlich effizienterer Maschinen mündet. Oft haben auch einfache und kostengünstige Anpassungen im Kleinen einen großen Effekt. Ein wesentlicher Aspekt ist zudem die Sensibilisierung beziehungsweise Schulung mindestens jenes Personals, das Verantwortung für energierelevante Prozesse trägt.

Nutzen einer Zertifizierung nach ISO 50001

Die Zertifizierung eines EnMS nach ISO 50001 durch einen von der DAkkS (Deutsche Akkreditierungsstelle) akkreditierten Zertifizierer dient als aussagekräftiger Nachweis für die Erfüllung der Normforderungen und damit auch der ­tatsächlich erfolgten signifikanten Steigerung der Energieeffizienz. Die Vorteile eines zertifizierten EnMS liegen auf der Hand (Auswahl):

  • erhebliche Steigerung der Energieeffizienz
  • signifikante Kostenreduzierung durch geringeren Energieverbrauch
  • Grundlage möglicher Steuererleichterungen
  • Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen
  • Beachten gesetzlicher Anforderungen
  • Verbesserung des Unternehmensimages

Messung des Umsetzungsgrades

Das Statistische Bundesamt gibt für Deutschland alle zwei Jahre einen Bericht heraus, der die Entwicklung der Zielerreichung der vorrangig nach politischen Gesichtspunkten ausgewählten Indikatoren betrachtet. Ein Indikator, an dem die Entwicklung der Zielerreichung des Unterziels 7.3 direkt abgelesen werden könnte, wurde nicht festgelegt; es existiert jedoch ein Indikator 7.3.1, der die zeitliche Entwicklung der Energieintensität, gemessen in Primärenergie in Relation zum realen BIP (Megajoule pro Euro), darstellt und so indirekt Aussagen über die Steigerung der Energieeffizienz ermöglicht (sdg-indikatoren.de/7-3-1/). Demnach nimmt die Energieintensität in Deutschland über die Jahre langsam ab, von 5,0 Megajoule/Euro im Jahr 2011 auf 3,4 Megajoule/Euro 2021 (vorläufig). Fachleute vermuten, dass die Energie­intensität in Deutschland weniger wegen zunehmender Energieeffizienz, sondern vor allem aufgrund des wachsenden tertiären Sektors (Dienstleistungen) zurückgeht.

Motivation ist nachrangig

Ob Unternehmen vorrangig aus der Überlegung heraus, den Umsetzungsgrad von SDG-Unterziel 7.3 zu erhöhen, ein EnMS nach ISO 50001 implementieren und zertifizieren lassen, erscheint eher unrealistisch, orientieren sich Unternehmen bei entsprechenden Entscheidungen doch eher an den oben genannten wirtschaftlichen Nutzen. Es reicht aber vollkommen aus, wenn sich eine Erhöhung des Umsetzungsgrades des Energieziels als ­Synergieeffekt ergibt. Welche Motivation am Ende dahintersteckt, ist im Prinzip nachrangig.

Zusammenfassung

Die im Jahr 2015 veröffentlichte Agenda 2030 der UN enthält 17 globale Nachhaltigkeitsziele (SDGs) mit 169 Unterzielen, die bis zum Jahr 2030 erfüllt werden sollen. An der Erreichung der Ziele sollen sich alle beteiligen, vor allem Regierungen, Wirtschaft, Wissenschaft und private Verbraucher. Der Umsetzungsgrad ist bis heute jedoch niedrig, was unter anderem an dem geringen Bekanntheitsgrad der SDGs liegt. Unternehmen haben die Möglichkeit, etwa mit der Implementierung und Zertifizierung von Managementsystemen nach geeigneten ISO-Normen an der Zielerreichung mitzuwirken. Für das Erreichen des Energieziels SDG 7 eignet sich ein Energiemanagementsystem nach ISO 50001. Die Energienorm kann dabei auf das Unterziel 7.3 einzahlen, das eine Verdoppelung der Energieeffizienz zum Inhalt hat – eine signifikante Steigerung der Energieeffizienz ist auch das zentrale Anliegen von ISO 50001.

DER AUTOR:

Normexperte Tyrone Adu-Baffour arbeitet als Produktmanager für Energie- und Klimamanagement sowie Auditor für die Regelwerke ISO 9001, ISO 14001 und ISO 50001 bei der Deutschen Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen (DQS). Er ist zudem in zwei Gremien des DIN-Normenausschusses Umweltschutz vertreten, dem Arbeitsausschuss „Klimawandel“ und dem Arbeitskreis „Treibhausgasemissionen von Transportoperationen“.

Text: Tyrone Adu-Baffour