Warum Zeiterfassung und Homeoffice nur schwer zusammenpassen

Arbeitgeber sind verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter zu erfassen. Bei Angestellten, die sich im Homeoffice befinden, ist das jedoch nicht ganz leicht. Welche Probleme entstehen dabei? Und was ist die beste Lösung für die Zeiterfassung von Mitarbeitern im Homeoffice?

Das sagt das neue Gesetz

Laut der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13. September 2022 ist der Arbeitgeber ab sofort dazu verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Diese Pflicht gilt für alle Unternehmen in Deutschland, einschließlich Start-ups. Die Debatte um die Arbeitszeiterfassung läuft bereits seit 2019, seitdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschied, dass Arbeitgeber dazu verpflichtet sind, die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten ordnungsgemäß zu dokumentieren. Diese Entscheidung wurde jetzt durch die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in nationales Recht umgewandelt.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts erfolgte im vergangenen September: Es genügt nicht mehr, lediglich die Überstunden zu protokollieren, wie es zuvor durch das deutsche Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vorgeschrieben wurde. Ab sofort ist es verpflichtend, die Arbeitszeiten von Beginn bis Ende festzuhalten. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Beschäftigte in der Woche mehr als 48 Stunden arbeiten. BAG-Präsidentin Inken Gallner begründet das Urteil damit, dass es als „Schutz vor Fremd- und Selbstausbeutung“ diene. Zudem betont das BAG, dass sich das Urteil auf die Entscheidung des EuGH im Jahr 2019 beruft, nach der EU-weit eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht. Dabei wird nicht nur die Anzahl der Stunden festgehalten, sondern auch die Anfangs- und Endzeit an jedem Arbeitstag.

Kein Mitbestimmungsrecht für Betriebsräte

Wichtig zu erwähnen ist die Rolle der Betriebsräte in der neuen Regelung, die besagt, dass sie kein Mitbestimmungsrecht in Bezug auf die Einführung eines Systems der Arbeitszeiterfassung im Betrieb haben. Dennoch können sie mitbestimmen, auf welche Art und Weise die Arbeitszeiterfassung umgesetzt wird, und eingreifen, sofern die Zeitbestimmung über den Gesetzeszweck hinausgeht.

Ursprünglich war es ein Fall zwischen Betriebsrat und Arbeitgebern aus Nordrhein-Westfalen, der zu diesem Urteil führte. Der Betriebsrat wollte in einem Unternehmen die Arbeitszeiterfassung erzwingen. Die Arbeitgeber klagten jedoch und laut BAG wurde dem Betriebsrat diese Entscheidung verweigert. Dadurch, dass das neue Gesetz die Zeiterfassung für Unternehmen als verpflichtend festlegt, hat der Betriebsrat ironischerweise indirekt gewonnen. Im Endeffekt ist die Zeiterfassung von nun an unumgänglich.

Ab wann besteht die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung?

Faktisch besteht bereits jetzt die Pflicht für Unternehmen, die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten zu erfassen. Die Dokumentation der Arbeitszeiten ihrer Angestellten ist für Arbeitgeber besonders wichtig, um beispielsweise bei Kontrollen durch Behörden die Protokolle vorzeigen zu können. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BAMS) plant, im ersten Quartal 2023 einen Gesetzesvorschlag vorzulegen. Dementsprechend sollten Unternehmer schon anfangen, nach einem geeigneten System für die Arbeitszeiterfassung aller Beschäftigten zu suchen und es einzuführen.

Sollten Unternehmen die Arbeitszeit nicht erfassen und das Gesetz missachten, müssen sie mit Konsequenzen für ihr rechtswidriges Handeln rechnen. Derzeit gibt es noch keine Rechtsverordnung, die die möglichen Verstöße und Bußgeldvorschriften beinhaltet. Es ist aber zu erwarten, dass der Gesetzgeber diese zeitnah schaffen wird.

Das sind die Vorteile der Zeiterfassung

Auch wenn die Meinungen vorerst auseinandergehen – das neue Gesetz bringt wichtige Vorteile für Arbeitgeber und Beschäftigte mit sich. Sowohl Personalverantwortliche eines Unternehmens als auch Mitarbeiter erhalten einen transparenten und nachvollziehbaren Überblick über die geleistete Arbeitszeit, einschließlich der Abwesenheiten. Überstunden werden automatisch ausgerechnet, Krankheits- und Urlaubstage schnell und einfach erfasst. Somit spart man massiv Zeit und Energie. Auch ist die Wahrscheinlichkeit, bei der Berechnung Fehler zu machen, ersichtlich gering. Die erfassten Daten werden nicht nur automatisch bewertet, sondern im besten Fall digital in ein Lohnabrechnungssystem übertragen. Somit sind die klaren Vorteile weniger Bürokratie, eine einheitliche Übersicht und ein Wegfall manueller Prozesse.

Weiterhin soll unbezahlten Überstunden ein Ende gesetzt werden. Doch oftmals beuten Arbeitnehmer sich auch selbst aus: Durch die Flexibilisierung der Büroarbeit tendieren viele Arbeitnehmer dazu, Ruhepausen zu überspringen und überarbeitet zu sein. Es treten immer häufiger Fälle auf, in denen bei Beschäftigten ein Burn-out-Syndrom diagnostiziert wurde. Dem soll nun mit einer klaren Regelung sowie der Einhaltung und Dokumentation der Arbeitszeiten vorgebeugt werden.

Entstehende Probleme und wie man diesen entgegenwirken kann

Eine digitale Zeiterfassung kann für Unternehmen auch Risiken mit sich bringen. Eine große Unwägbarkeit sind beispielsweise die Kosten, die die Einführung eines digitalen Zeiterfassungssystems verursacht. Insbesondere kleine Unternehmen könnten dadurch in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Die Kosten resultieren aus dem Kauf der notwendigen Technik und Software sowie den laufenden Betriebskosten. Papieraufzeichnungen oder manuelle Systeme wie Excel-Tabellen sind zwar eine günstigere Alternative, jedoch weniger genau und schwieriger zu verwalten.

Ein weiteres Risiko ist die Fehleranfälligkeit. Eine digitale Zeiterfassung ist nur so genau wie die Daten, die in sie eingegeben werden. Es kann zu Unstimmigkeiten in den Aufzeichnungen kommen, wenn Mitarbeiter falsche Informationen eingeben oder es technische Probleme gibt. Somit ist es wichtig, dass Mitarbeiter geschult und unterstützt werden, um das Verständnis für digitale Zeiterfassungssysteme und ihre effektive Nutzung zu gewährleisten.

Auch spielt die Sicherheit eine bedeutende Rolle. Digitale Zeiterfassungssysteme enthalten sensible Daten und sollten immer auf dem neuesten Stand der Technik sein. Eine Prüfung seitens Sicherheitsexperten ist notwendig, um sicherzustellen, dass sie vor Hackern und anderen Sicherheitsbedrohungen geschützt sind.

Letztlich sollte die Flexibilität für Mitarbeiter und Arbeitgeber berücksichtigt werden, um die Work-Life-Balance zu verbessern und die Produktivität zu erhöhen. Unternehmen sollte es ermöglicht werden, aus verschiedenen Optionen für die Zeiterfassung die für sie am besten geeignete Methode zu wählen.

Homeoffice und Zeiterfassung: Tasse
Abbildung: AdobeStock/Lazy Bear

Zeiterfassung im Homeoffice – passt das?

Gerade in der Pandemiezeit wurden New-Work-Modelle zunehmend zum Trend. Heute bieten immer mehr Unternehmen Homeoffice-Jobs mit weniger Kontrolle und „Papierkram“ an. Durch diese Flexibilität lassen sich Arbeit und Familie besser vereinbaren, was für viele Beschäftigte zu einer gesünderen Work-Life-Balance führt. Außerdem hat die Arbeit im Homeoffice während der Corona-Pandemie dazu beigetragen, das Infektionsrisiko innerhalb der Belegschaft erheblich zu senken.

Das neue Gesetz gilt aber ausnahmslos für alle Arbeitnehmer: Selbst im Homeoffice soll die Arbeitszeit erfasst werden. Hierfür werden die Erfassungsoptionen bestmöglich an die Arbeitssituation beziehungsweise den Arbeitsplatz angepasst.

Um die Anwesenheit der Mitarbeiter von Präsenzarbeitsplätzen zu erfassen, werden Zeiterfassungssysteme wie Fingerabdruckscanner oder RFID-Chips verwendet. Diese sind häufig auf physische Präsenz am Arbeitsplatz ausgelegt und eignen sich nicht für die Verwendung im Homeoffice. Jedoch gibt es auch Zeiterfassungssysteme, die bei Homeoffice-Jobs angewendet werden können. So können die Arbeitszeiten beispielsweise in eine Online-Plattform eingetragen oder über Apps, wie zum Beispiel Crewmeister oder Papershift, festgehalten werden.

Für einige Menschen kann die Pflicht zur Zeiterfassung eine Belastung sein. Viele Beschäftigte im Homeoffice empfinden die Überwachung ihrer Arbeitszeit im Homeoffice als Einschränkung ihrer Freiheit und haben das Gefühl, dass ihre Privatsphäre verletzt wird. Darüber hinaus ist noch nicht bekannt, auf welche Art und Weise Pausen erfasst werden. Einer der Hauptgründe für die Arbeit im Homeoffice ist die Flexibilität. Die meisten Arbeitnehmer arbeiten von zu Hause aus, um familiären Verpflichtungen oder anderen persönlichen Belangen nachzugehen, und teilen ihre Arbeit eigenständig ein. Eine strikte Zeiterfassung könnte jedoch diese Flexibilität einschränken und dazu führen, dass Mitarbeiter gezwungen sind, sich an feste Arbeitszeiten zu halten.

Homeoffice und Flexibilität gehören zusammen, das neue Gesetz verhindert dies jedoch in Zukunft. Das ist auch der Grund, warum Zeiterfassung und Homeoffice nicht zusammenpassen. Eine Lösung muss also schnell her.

So gelingt die Zeiterfassung im Homeoffice

Wie bereits erwähnt, kann es unterschiedliche Methoden geben, die sich zwar von den Zeiterfassungssystemen in Präsenzarbeit unterscheiden, jedoch eine Zeiterfassung im Homeoffice ermöglichen.

Die Grundlage einer Lösung bieten zunächst spezielle Zeiterfassungssoftwares, die über Desktop oder mobile Geräte genutzt werden können. In der Regel haben diese Art von Softwares viele Funktionen und Möglichkeiten, wie beispielsweise Projekte und Aufgaben zu verfolgen, Berichte zu erstellen und Überstunden zu verwalten. Darüber hinaus können Online-Tools verwendet werden, die es Mitarbeitern ermöglichen, ihre Arbeitszeiten über das Internet zu erfassen. Über den Webbrowser haben Arbeitnehmer die Möglichkeit, auch hier einige Funktionen wie das Verwalten von Überstunden zu nutzen.

Was solche Systeme beinhalten müssen, um sie vollends homeofficetauglich zu machen, ist eine Funktion für die kurzzeitige Unterbrechung der Arbeit. Per Knopfdruck lässt sich so anzeigen, dass der Beschäftigte die Arbeit unterbrochen hat, wenn er beispielsweise gerade die Kinder von der Schule abholt oder sich Essen zubereitet. Nach dieser Unterbrechung kann die Arbeitszeit in der App dann mit einem erneuten Klick wieder gestartet werden. So kommt der Arbeitnehmer am Ende des Tages auf seine vollen Stunden, ohne auf die Flexibilität verzichten zu müssen.

Letztendlich hängt die beste Lösung für die digitale Zeiterfassung im Homeoffice von den individuellen Bedürfnissen und Ressourcen des Unternehmens ab. Unternehmen sollten sorgfältig abwägen, welche Option am besten geeignet ist, um sicherzustellen, dass sie ihre Nachweispflichten erfüllen und gleichzeitig die Flexibilität und Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter gewährleisten. Wichtig ist, dass ein angemessenes Zeiterfassungssystem verwendet und das Gesetz somit eingehalten wird.

Fazit

Für eine abschließende Bewertung des BAG-Urteils fehlen noch viele Antworten. An sich ist die Idee nachvollziehbar und gut, Arbeitnehmer vor Selbst- und Fremdausbeutung zu schützen. In manchen Unternehmen werden Beschäftigte beauftragt, Überstunden zu leisten, die nicht bezahlt werden. Auch sind Burn-out-Fälle keine Seltenheit mehr. Das Bundesarbeitsgericht sah hier – wie zuvor der Europäische Gerichtshof – Handlungsbedarf.

Das Gesetz hat jedoch auch Kehrseiten. Die Anschaffung eines digitalen Zeiterfassungssystems ist kostspielig und die Homeoffice-Möglichkeit könnte gefährdet werden. Daher ist es unabdingbar, ein Zeiterfassungssystem exklusiv für im Homeoffice arbeitende Angestellte einzuführen. Mit einem „Pause-Button“ könnte die Arbeit beliebig unterbrochen werden, Mitarbeiter wären demnach nicht an feste Arbeitszeiten gebunden. Nur so kann die Flexibilität im Homeoffice bewahrt werden.

Homeoffice und Zeiterfassung passen also in ihrer jetzigen Form nur schwer zusammen. Wird jedoch ein entsprechendes System genutzt, kann eine vertrauensvolle Zeiterfassung auch im Homeoffice möglich werden.

DER AUTOR

Dominik Sedlmeier ist CEO der PR-Agentur El Clasico Media GmbH und Experte in den Bereichen Kommunikation, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit. Er gehört zu den medial gefragtesten PR-Managern und betreut die größten Marktführer verschiedener Branchen. https://www.elclasico-media.de/

Text: Dominik Sedlmeier