Schrauben für die Zukunft

Kann eine Schraube die Welt retten? Wohl kaum. Aber sie kann einen kleinen Teil dazu beitragen. Erst recht, wenn die Produktion in ein Konzept zur Nachhaltigkeit, Ressourcen- und Energieeffizienz eingebettet ist. Davon ist die Arnold Umformtechnik GmbH & Co. KG überzeugt.

Die Schraube des Anstoßes hat ein Volumen von exakt 8.733 Kubikmillimetern und ein Gewicht von 23,58 Gramm. Die Aufgabe, vor die ein Kunde aus der Automobilindustrie die Arnold Umformtechnik stellte: Diese Sonderschraube aus Aluminium sollte in der Produktion günstiger und klimaschonender werden. Bisher wurde sie traditionell spanabhebend hergestellt, so die Bezeichnung im Fachjargon. Also: Durch Schleifen, Fräsen und / oder Drehen werden so lange Späne vom Werkstück abgetragen, bis das Produkt fertig ist. In dem konkreten Fall handelte es sich um einen Drehteilrohling mit einem Ausgangsvolumen von 25.630 Kubikmillimetern und 69,2 Gramm Gewicht pro Stück.

Die Lösung: eine Schraube, die nach einem speziellen Verfahren der Kaltumformung hergestellt wird. Das Verfahren funktioniert – ganz vereinfacht ausgedrückt – so: In die Presse kommt der Draht rein, raus kommt nach verschiedenen Umformstufen die Schraube. Der energetische Aufwand des Erhitzens entfällt also im Gegensatz zur Warmumformung, ­beispielsweise beim ganz klassischen Schmieden. Weitere Vorteile sind eine bessere Oberflächenbeschaffenheit und eine höhere Präzision, was Form und Maße der Werkstücke betrifft. Ein Nachteil besteht darin, dass eine höhere mechanische Kraft aufgebracht werden muss und dass nicht jedes Metall für die Kaltumformung geeignet ist. Das ganz große Plus ist aber die Optimierung des Ressourceneinsatzes.

Kosten gesenkt, Ressourcen gespart – Ziel erreicht

Bei der Sonderschraube aus Aluminium ließ sich das verbesserte Verfahren anwenden. So hergestellte Schrauben und Verbindungselemente firmieren bei Arnold unter dem Label „Conform Next“. Sie eignen sich für den Einsatz im Bereich der E-Mobilität – am Fahrwerk, in der Batteriestruktur, beim Thermomanagement und in der Leistungselektronik. Ein Anforderungsprofil, das auf die Schrauben zutrifft, die der Kunde in verschiedenen Bereichen seines Fahrzeugs verwendet.

Schrauben für die Zukunft: Rohlinge
Die verschiedenen Stufen der Kaltumformung: So wird aus dem Rohling die fertige Schraube. Foto: Arnold Umformtechnik

Nach der Umstellung auf „Conform Next“ benötigt Arnold zur Herstellung nun nur noch einen Umformrohling, der ein Volumen von 9.135 Kubikmillimetern und ein Gewicht von 24,82 Gramm aufweist – also fast ein Drittel weniger an Material als bei der herkömmlichen Produktion. Zudem entsteht kaum Abfall. Kosten gesenkt, Ressourcen gespart – Ziel erreicht. Arnold erklärt in einer Pressemitteilung dazu: „Durch die Reduzierung des Einsatzgewichts, den geringeren Ausschuss und die somit effizientere Fertigung konnten alle CO2-Emissionen, die durch diese Schraube bei der Produktion entstehen, um 45 Prozent reduziert werden.“

Eine Schraube allein hält die Erderwärmung nicht auf. Und auch andere Unternehmen produzieren mit Kaltumformtechnik. Das wissen sie natürlich am Firmensitz im baden-württembergischen Forchtenberg-Ernsbach. Deshalb legt Arnold großen Wert auf ein Gesamtkonzept visionären Unternehmertums, das auch die Nachhaltigkeit als ein wichtiges Anliegen miteinschließt.

„Nachhaltigkeit besteht für uns aus einem ökonomischen, einem sozialen und einem ökologischen Teil“, führt Geschäftsführer Frank Agner aus. Ökonomisch müsse ein Unternehmen erfolgreich sein, um investieren zu können und in Zukunft ein sicherer Arbeitgeber zu sein. „Damit die Kinder unserer Kinder unserer Kinder auch noch einen sicheren Arbeitsplatz bei Arnold haben.“ Die soziale Ebene beinhaltet regionale Projekte wie Gewässerschutz oder die Unterstützung von Kitas. Für die Hilfe im überfluteten Ahrtal stellte Arnold sogar Mitarbeiter frei. Und auch die Arbeitssicherheit gehört für den Geschäftsführer als wichtiges Element dazu – vom HSE-Beauftragten (Health, Safety und Environment = Gesundheit, Sicherheit und Umwelt) bis zum Leiterbeauftragten. „Ökologisch konzentrieren wir uns sehr auf den Bereich CO2, ohne jedoch die anderen Dinge aus dem Blick zu verlieren wie beispielsweise Verpackungen oder Wassereinsparung“, sagt Agner.

Nachhaltigkeit hatte in der Firmenhistorie schon immer einen hohen Stellenwert. Der erste Produktionsstandort des Unternehmens war 1898 in einer alten Mühle, angetrieben von der regenerativen Energie Wasserkraft. Heute gehört die Arnold Umformtechnik GmbH & Co. KG zur Arnold-Gruppe, die wiederum Teil der Würth-Gruppe ist. Die Arnold-Gruppe hat etwa 1.300 Beschäftigte, die im vergangenen Jahr einen Umsatz von knapp 275 Millionen Euro erwirtschaftet haben. Das Kerngeschäft sind Schrauben – wobei das Unternehmen selbst von „innovativen Verbindungselementen“ spricht. Die Produkte sind nicht im Baumarkt zu finden. Vielmehr stellt Arnold die Teile als ­individuelle Lösungen für die Kunden aus der Automobilindustrie und deren Zulieferer her.

Das Thema Energie hat Arnold nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine und der daraus resultierenden Energiekrise auf die Agenda gesetzt. Schon seit mehr als zehn Jahren setzt der Schraubenhersteller auf ein zertifiziertes Umwelt- und Energiemanagement. „Für uns hat sich also nicht viel geändert, weil wir uns schon vorher auf den Weg gemacht haben“, sagt Agner.

Arnold plant, künftig noch mehr Energie selbst zu erzeugen

Arnold erstellt regelmäßig eine Klimabilanz nach dem Greenhouse-Gas-Protokoll. Mit diesem Standard lassen sich Treibhausgasemissionen berechnen und vergleichen. Darin werden drei sogenannte Scopes unterschieden. Scope 1 sind die direkten Emissionen, die das Unternehmen etwa bei Produktion, Wärmeeinsatz oder Kühlung selbst verursacht. Was Arnold nicht vermeiden kann, kompensiert das Unternehmen mit dem Kauf von CO2-Zertifikaten. Scope 2 sind die indirekten Emissionen aus eingekaufter Energie. Hier setzt Arnold ausschließlich regenerative Energien ein. „Durch die Neutralisation in den Scopes 1 und 2 produzieren wir klimaneutral“, sagt Agner.

Beim Kauf von CO2-Zertifikaten soll es aber nicht bleiben. „Das bringt der Umwelt an der Stelle nichts“, weiß Agner. Deshalb plant Arnold, mit Windrädern, Photovoltaik und Wasserkraft künftig noch mehr eigene Energie zu erzeugen, um den Eigenbedarf weitgehend zu decken, unabhängiger zu werden und den CO2-Ausstoß weiter zu senken.

Weniger Einfluss hat Arnold auf den Scope 3. Das sind die indirekten Emissionen des Unternehmens, die entlang der Wertschöpfungskette entstehen. Also durch eingekaufte Waren und Dienstleistungen zum Beispiel. Man sei zwar für Stahlwerke ein eher kleinerer Kunde. Aber Agner kündigt an: „Wir werden über Lieferantenmanagement mehr nachhaltige Standards einfordern, um unseren Scope 3 in Richtung CO2-Neutralität zu entwickeln.“

Neue Fertigungshalle ist ein Plusenergiegebäude

Auch die Kunden von Arnold spüren den Druck, CO2-neutral zu produzieren, und geben das an die Lieferanten weiter. „Unsere Kunden sind beeindruckt, wie weit Arnold in diesen Bereichen ist“, hat Agner festgestellt. Und das kommt seinem Unternehmen zugute. Denn die CO2-Bilanzen der einzelnen Zulieferer fließen in die Gesamt-CO2-Bilanz der Autohersteller mit ein. Mit intelligenter Verbindungstechnik versetzt Arnold seine Kunden in die Lage, den CO2-Fußabdruck zu verkleinern. Zum Beispiel durch eine Schraube, die ohne Mutter eingedreht werden kann, dadurch Material einspart, aber in puncto Sicherheit und Stabilität keine Abstriche macht. Oder auch durch die eingangs erwähnte kleine Aluminium-Sonderschraube aus der „Conform Next“-Reihe, die weniger Ressourcen verbraucht als die Schraube aus herkömmlicher Herstellung. Leichtere und mit weniger Material hergestellte Schrauben tragen in der Summe dazu bei, dass die CO2-Bilanz der Autobauer besser ausfällt.

Die Produkte der besonders ressourcenschonenden „Conform Next“-Reihe, die vor allem für die E-Mobilität verwendet werden, bekommen nun ein eigenes Zuhause. Im Mai soll die neue ­Fertigungshalle im Forchtenberger Gewerbegebiet Rauhbusch eröffnet werden. Etwa 20 Millionen Euro hat sich Arnold Umformtechnik das Werk, das an der Adresse mit dem vielsagenden Namen „Im Weitblick 1“ entsteht, kosten lassen. „Es ist ein Plusenergiegebäude“, sagt Frank Agner. In der Halle und auf dem Außengelände soll auf einer Fläche von mehr als 60.000 Qua­dratmetern (mehr als acht Fußballfelder) also mehr Strom erzeugt werden, als die Gebäude verbrauchen.

Das geschieht durch eine Vielzahl von baulichen Kniffen. „Wir haben das Gebäude nach dem höchsten Energiestandard mit dem Zusatz erneuerbare Energien errichtet“, sagt der Energiemanagementbeauftragte Erwin Germann, der bei Arnold das Rauhbusch-Projekt mit einem weiteren Kollegen leitet. Das beinhalte Anforderungen an die Gebäudehülle, aber auch an die verbaute Energietechnik.

Die stark isolierte Fassade besteht aus Stahlbeton. In den Büroräumen sorgt Holz für ein angenehmes Raumklima. Zu einem guten Klima trägt auch das Dach dabei. Ein Teil wird begrünt. „Dadurch, dass Wasser verdunstet, führt es im Sommer zu einer besseren Gebäudekühlung und wir müssen weniger mit Klimaanlagen kühlen.“ Im Winter fungieren die Gräser und Pflanzen als zusätzliche Wärmedämmung. Außerdem hält das Dachgrün das Regenwasser zurück, wodurch der Fluss Kupfer entlastet und die Natur geschont wird. Positiver Nebeneffekt: Die Abwasserkosten sinken ebenfalls.

Geheizt wird weder mit Öl noch mit Gas, sondern mit Wärmepumpen. Die erhalten den Strom von den Photovoltaik-Anlagen, die auf einem anderen Teil des Daches installiert sind. „Es war uns wichtig, dass wir den Strom vor Ort produzieren und verbrauchen können“, erklärt Germann. „Dadurch hat man geringere Transportverluste und entlastet die Stromnetze.“

An digitalen Zählern lassen sich die Verbrauchswerte – sei es Strom, Wasser, Wärme oder Druckluft – live ablesen und erfassen. „Wir können dadurch die Spitzenlast reduzieren. Auch das entlastet die Stromnetze“, erklärt Germann. „Digitalisierung und Energiemanagement gehen Hand in Hand.“

Abwärme kühlt die Maschinen und beheizt das Gebäude

Zur Belüftung und Temperierung der Produktionshallen gibt es Wärmerückgewinnungsanlagen. Die Abwärme an den Produktionsanlagen kühlt die Maschinen und heizt gleichzeitig das Gebäude, sodass sowohl Kühl- als auch Heizenergie eingespart werden.

Für die Beleuchtung der Räume setzt Arnold auf LED-Leuchten. Ein Sensor stellt fest, ob das Tageslicht in der Halle ausreicht oder ob und wie viel künstliches Licht hinzugeschaltet werden muss. Zusätzlich tragen kleine Neuerungen zur Verbesserung der Energiebilanz bei, etwa das künftig eingesetzte Kältemittel in Wärmepumpen und Kühlanlagen sowie der Sonnenschutz an den Fenstern. „Alle Maßnahmen bewirken in der Summe, dass wir 72 Prozent unseres Primärenergiebedarfs einsparen“, fasst Germann zusammen.

„Alle Maßnahmen bewirken in der Summe, dass wir 72 Prozent unseres Primärenergiebedarfs einsparen“

Auf dem Außengelände soll darüber hinaus ein Regenauffangbecken entstehen, welches das Wasser zurückhält und kontrolliert ans Klärwerk leitet. Schließlich sind die Überflutungen im Ahrtal noch im kollektiven Gedächtnis. Arnold will seinen Teil dazu beitragen, dass das im ­Kocher­tal nicht passiert. Derzeit schützt bereits ein sogenanntes Mulden-Rigolen-System, durch das Wasser versickert und abgeleitet wird, bei Starkregen vor Überschwemmungen.

Wer für die E-Mobilität produziert, bietet auch Ladestationen für E-Autos an. Die Kunden, die zu Besuch kommen, und die bis zu 400 Beschäftigten, die künftig am Standort arbeiten sollen, können ihre Fahrzeuge an drei Ladestationen mit Strom betanken. Die Nachrüstung weiterer Stationen ist möglich, wenn der Bedarf steigt.

Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Plänen, um noch nachhaltiger zu werden. Der Einsatz von Mehrweg- statt Einwegverpackungen zum Beispiel. Oder die Optimierung des Recyclings von Stahl-, Aluminium- und Kupferabfällen, die bei der Produktion anfallen. Der Schraubenhersteller wird die Welt damit zwar nicht retten. Aber sie wollen bei Arnold zumindest ihr Möglichstes dazu beitragen.

Text: Holger Schmidt