Was ist Arbeitshygiene?

Der Begriff „Arbeitshygiene“ ist selbst Akteuren im Arbeitsschutz nicht immer geläufig. Meist wird darunter nur Hygiene im engeren Sinn verstanden wie beispielsweise Sauberkeit am Arbeitsplatz oder persönliche Hygienemaßnahmen.

Text: Redaktion PRÄVENTION AKTUELL

Auf internationaler Ebene ist „Occupational Hygiene“ beziehungsweise „Industrial Hygiene“ weitverbreitet hat einen umfassenden Anspruch und verfügt oft über eigene, auch akademische Ausbildungsgänge. Laut der International Occupational Hygiene Association (IOHA) ist die Aufgabe der Arbeitshygiene die Antizipation, Erkennung, Bewertung und Kontrolle von Gesundheitsgefahren in der Arbeitsumgebung mit dem Ziel, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Arbeitnehmer und die Gemeinschaft insgesamt zu schützen.

Die 1990 gegründete Deutsche Gesellschaft für Arbeitshygiene (DGAH) übernimmt im Wesentlichen die Aufgabenbeschreibung der IOHA: „Arbeitshygiene befasst sich mit dem voraussehen, erkennen, ermitteln, bewerten und überwachen von Belastungen am Arbeitsplatz, die die Gesundheit, die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden des Menschen am Arbeitsplatz beeinträchtigen können.“ Arbeitshygiene schließt aus dieser Sicht die Lücke zwischen „Technik“ und „Medizin“ innerhalb des Arbeitsschutzes.

Aus Sicht der DGAH ist Arbeitshygiene eine der drei Säulen des Arbeitsschutzes

  1. Arbeitssicherheit
  2. Arbeitshygiene
  3. Arbeitsmedizin

Gesetzliche Grundlagen hat diese Sichtweise in Deutschland nicht. Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) definiert den Arbeitsschutz als Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit. Arbeitshygiene kommt als eigenständiger Begriff im Gesetz nicht vor. Dennoch kann sich die DGAH zumindest mittelbar auf das Arbeitsschutzgesetz berufen. In § 4 Nr. 3 ArbSchG heißt es: „bei den Maßnahmen [des Arbeitsschutzes] sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen“.

Im Mittelpunkt der Betrachtungen der Arbeitshygiene steht der Mensch in seinem konkreten Arbeitsumfeld. Arbeitshygieniker bezeichnen sich als Generalisten auf dem Gebiet gegenüber allen Formen der Arbeitsbelastung und müssen daher mit Spezialisten zusammenarbeiten, beispielsweise mit Toxikologen, um chemische Gefährdungen zu untersuchen, mit Physikern für physikalische Gefährdungen sowie mit Ärzten und Mikrobiologen bei biologischen Gefährdungen.

Als arbeitshygienische Belastungen gelten:

Chemische Einwirkungen

  • Stoffe mit negativen Auswirkungen auf die Gesundheit (akut und chronisch)

Physikalische Einwirkungen

  • ionisierende Strahlung
  • nichtionisierende Strahlung (Laser/UV-Strahlen/elek­tromagnetische Felder)
  • Schall und Vibrationen (Dauerschall [Lärm]/impulsartiger Schall/Ultraschall/Infraschall/Vibrationen)
  • Kälte, Nässe, Hitze (Umgebungstemperaturen, ­Wärmestrahlung), hyperbare Umgebung (Arbeiten unter Überdruck)
  • Arbeiten in Räumen mit sauerstoffreduzierter Atmosphäre

Biologische Einwirkungen

  • Mikroorganismen mit negativen Auswirkungen auf die Gesundheit

Ergonomische Einwirkungen

  • physische Belastungen wie das Tragen von Lasten oder unergonomische Körperhaltungen

Psychosoziale Einwirkungen

  • psychische Belastungen durch überfordernde Arbeitssysteme, taktgebundene Arbeit.

Um die Exposition der Beschäftigten gegenüber ­Belastungen zu messen, zu bewerten und zu reduzieren, steht dem Arbeitshygieniker ein breit gefächertes Arsenal an ­Methoden zur Verfügung:

  • Überprüfung der Einhaltung von Arbeitsplatzgrenzwerten (zum Beispiel klimatische Parameter, Schadstoffkonzentration, Lärmpegel, Beleuchtungsstärke)
  • Analyse und Überprüfung von Umgebungseinflüssen (zum Beispiel Luft, Lärm, Licht)
  • Arbeitsplatz- und Arbeitsbereichsanalysen, Erstellen von Arbeitshygienekonzepten
  • Überprüfung der Wirksamkeit und Optimierung technischer Schutzmaßnahmen (zum Beispiel Absaugsysteme)
  • Berufskrankheitenprophylaxe
  • Optimierung von Arbeitsprozessen beziehungsweise Arbeitsabläufen, Anpassungen in der Arbeitsorganisation
  • ergonomische Beratung
  • Begleitung bei Umbauten und Neubauten im Genehmigungsverfahren, bei Investitionen in Maschinen und Anlagen

Fallbeispiel

Eine Frau, 45 Jahre alt, klagt über Hautreizungen und Hautausschläge sowie Kopfschmerzen und meldet sich daher häufig krank. Verantwortlich dafür macht sie den Stress bei ihrer Arbeit und die in ihrem Büro vorhandene Klimaanlage, denn im Urlaub beispielsweise träten die Symptome nicht auf. Die Frau ist in ärztlicher Behandlung, die Symptome werden medikamentös behandelt, medizinische Ursachen dafür werden nicht gefunden. Auch Allergien sind bei der ­Patientin nicht bekannt.

Daraufhin wird eine Firma beauftragt, die arbeitshygienische Dienstleistungen anbietet. Als Erstes sehen sich die Experten den Arbeitsplatz an. Mögliche Auslösequellen für die Symptome sollen so gefunden werden. Nicht nur der Arbeitsplatz selbst wird begutachtet, sondern auch die Küche und die Toiletten. Dabei wird auch in Erfahrung gebracht, wie die Räumlichkeiten gereinigt werden.

Anschließend werden Messungen durchgeführt. Dabei wird die Temperatur am Arbeitsplatz erfasst, die Luftfeuchtigkeit, die Beleuchtung und die elektrische Verkabelung. Zudem wird der Arbeitsplatz äußerlich auf Schimmelspuren untersucht und die Ergonomie überprüft. Staubproben werden genommen und mikroskopisch untersucht. Ergebnis der Begehung: Bis auf eine etwas zu niedrige Luftfeuchtigkeit und eine etwas zu dunkle Beleuchtung ist der Arbeitsplatz so weit in Ordnung und nicht ursächlich für die Symptome. Auch Tiere und Pflanzen können als Auslöser ­ausgeschlossen werden, da weder das eine noch das andere vorhanden ist.

Nach der Begehung wird der weitere Prüfumfang festgelegt:

  • Quellen aus Abfällen und der Küche auf Schimmel überprüfen
  • Überprüfen der Lüftungsanlage
  • Feinstaubmessung
  • Überprüfung der verwendeten Reiniger beispielsweise auf Allergene

Auch diese umfangreichen Prüfungen und Messungen erbringen keine Hinweise auf etwaige Auslöser. Der nächste Schritt ist die Analyse der psychologischen Belastungen. Dazu werden die Mitglieder des Teams, in dem die Frau arbeitet, befragt und die Frau selbst. Dabei verdichten sich nach und nach die Hinweise, dass es im Team Spannungen gibt. Die Frau fühlt sich von ihren Kollegen nicht respektiert und gemobbt und leidet daher unter hohem psychischem Stress. Nachdem die Frau auf Empfehlung der Arbeitshygieniker in eine andere Abteilung versetzt wird, treten die Symptome nicht mehr auf.