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Wie Unterweisungen online gelingen
DIGITAL & LIVE

Foto: Adobe Stock / Gorodenkoff
Das persönliche Unterweisungsgespräch – idealerweise im Team, auf der Schicht oder im Arbeitsbereich – sollte stets die bevorzugte Form der Unterweisung sein. Dennoch gibt es Situationen, in denen Menschen an unterschiedlichen Orten sind (oder sein müssen) und der Aufwand, um physisch am selben Ort zusammenzukommen, nicht im richtigen Verhältnis zum Nutzen steht.
Text:: Dr. Stefanie Schöler und Katja Haufe
Für welche Situationen können digitale Unterweisungen sinnvoll sein?
In den vergangenen Jahren haben viele Sicherheitsfachkräfte Erfahrungen mit digitalen Live-Unterweisungen gesammelt. In bestimmten Situationen kann das eine äußerst nützliche Methode sein. Zum Beispiel:
- Mitarbeiter sind teilweise im Homeoffice oder an verschiedenen Standorten.
- Außendienstmitarbeiter sollen unterwiesen werden.
- Ein externer Experte, der sich an einem anderen Ort oder in einem anderen Land befindet, soll für eine kurze Sequenz oder ein Fachgespräch in die Unterweisung einbezogen werden.
- Details der Anlage oder eines Gerätes vor Ort müssen besprochen werden, doch es ist nicht ausreichend Platz für alle, die unterwiesen werden müssen.
- Mitarbeiter in Kurzarbeit sollen vor ihrer Rückkehr in den Betrieb über Änderungen informiert werden.
AUF DEN PUNKT
- Für digitale Live-Unterweisungen gelten die gleichen Rechtsgrundlagen wie für analoge Unterweisungen
- Eine gründliche Vorbereitung, durchdachte Durchführung und sinnvolle Nachbereitung sind wichtig
- Interaktion und Spaß tragen zum Lernerfolg der Unterweisungen bei
In digitalen Live-Unterweisungen sind viele Themen denkbar. Praktische Übungen an Maschinen oder Fahrzeugen sind zwar nicht möglich, jedoch können sicheres Verhalten und gesundes Arbeiten mithilfe von Fotografien oder Kurzvideos gut besprochen werden. Viele betriebliche Themen können nicht warten, bis alle Personen wieder an einem Ort zusammenkommen – etwa wenn es um Brandschutz oder den Umgang mit Gefahrstoffen geht.
Was ist rechtlich zu beachten?
Die Verwendung digitaler Kommunikationsmöglichkeiten hat seit dem Beginn der Corona-Pandemie stark zugenommen. Doch sind Online-Unterweisungen rechtskonform? Bisher gibt es nur begrenzte Erfahrungen mit Rechtsprechungen in diesem Bereich und die Berufsgenossenschaften zögern teilweise mit konkreten Antworten. Dennoch gibt es klare rechtliche Vorgaben für Unterweisungen:
- Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) fordert, dass die Beschäftigten „während der Arbeitszeit ausreichend und angemessen zu unterweisen“ sind ( § 12 Abs. 1 ArbSchG). Es kann je nach Situation angemessen sein, sich für den digitalen Kommunikationsraum zu entscheiden.
- Maßnahmen sind auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen ( § 3 ArbSchG) und zu dokumentieren – so auch die Ergebnisse der Überprüfung ( § 6 ArbSchG). Das ist bei digitalen Live-Unterweisungen möglich.
- Unterweisungen sind aufgaben-, arbeitsmittel-, tätigkeitsbezogen durchzuführen ( § 12 Abs. 1 ArbSchG).
- Unterweisungen haben in verständlicher Form zu erfolgen (geregelt z. B. in DGUV Vorschrift 1, GefStoffV, BetrSichV).
- Teilweise ist geregelt, dass bestimmte Unterweisungen mündlich zu erfolgen haben (z. B. § 14 Abs. 2 GefStoffV).
Kurzum: Wenn digitale Unterweisungen geschickt mit kurzen praktischen Übungen in Präsenz kombiniert werden, sollten sich rechtlich keine Probleme ergeben. Die rechtlichen Aspekte für digitale Live-Unterweisungen sind letztendlich die gleichen wie für analoge Unterweisungen.
Vorgefertigte E-Learning-Module
Digitale Unterweisungsmodule oder E-Learning-Module – Formate also, die nicht live durchgeführt werden – können problematisch sein, wenn sie für Themen genutzt werden, die mündlich unterwiesen werden müssen. Die Anpassung der Module an betriebliche Bedingungen und die betriebliche Praxis ist ebenfalls wichtig, wird aber nicht bei allen Unternehmen immer konsequent durchgeführt. Auch die Berufsgenossenschaften nehmen dazu Stellung, so betont die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) in ihren Ausführungen zu digitalen Unterweisungen die Notwendigkeit dialogischer Unterweisungen und die Verbindung zur betrieblichen Gefährdungsbeurteilung.1, 2
Die Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) erachtet Wissensfragen in fertigen E-Learning-Modulen nicht als ausreichende Wirksamkeitskontrolle.3
Diese Probleme entfallen bei digitalen Live-Unterweisungen, da mündlich unterwiesen wird und Rückfragen möglich sind. Beachtet werden sollten jedoch grundsätzlich die Einbindung von Betriebsräten bei der Einführung neuer Systeme und natürlich der Datenschutz der Teilnehmer. Für konkrete Rechtsfragen ist die zuständige Berufsgenossenschaft der richtige Ansprechpartner.
Sind die rechtlichen Aspekte geklärt, geht es um inhaltliche und vor allem didaktische Fragen. Denn bei der digitalen Kommunikation und Moderation von Unterweisungen sind einige Besonderheiten zu beachten:
- Gute Vorbereitung legt den Grundstein für Wirksamkeit.
- Fragen, Absprachen und Regeln helfen bei der Zusammenarbeit.
- Teilnehmeraktivierung ist wichtig und gelingt durch Umfragen, Abfrage von Vorwissen, das Einbinden von Filmen usw.
- Die Nutzung von Kameras und das Teilen des Bildschirms können hilfreich sein.
- Auf Technikprobleme achten und Geduld zeigen.
- Vorherige Erfahrungen als Teilnehmer reflektieren.
- Zweimoderatoren-Team kann unterstützen.
- Nachbereitung inklusive Dokumentation ist wichtig.
DIE DREI PHASEN DER UNTERWEISUNG
1. Vorbereitung:
Eine solide Vorbereitung legt den Grundstein für eine effektive Unterweisung. Vor allem im digitalen Raum werden Mängel stärker und deutlicher spürbar, da sie dort schwerer auszugleichen sind als in Präsenz-Unterweisungen.
Neben den üblichen Fragen zur Vorbereitung – Was ist das Thema? Warum? Für wen? Wie? Mit welchen Medien? – sind die folgenden Fragen speziell für die Planung von digitalen Live-Unterweisungen hilfreich:
- Haben alle Teilnehmer Erfahrung mit dem Videokonferenztool oder sollte ein Technik-Check vor Beginn eingeplant werden?
- Welche Absprachen oder Regeln fördern eine effektive Zusammenarbeit während der Unterweisung (z. B. Mikro aus, Kamera an)?
- Unterweist eine Person allein oder ein Team?
- Wie sieht das Drehbuch/der Ablaufplan aus?
- Wie groß ist die Gruppe? (je kleiner, desto mehr Interaktion und desto mehr Aufmerksamkeit)
- Wie können die Teilnehmer aktiv einbezogen werden? Wo können Diskussionen oder Lösungserarbeitungen eingebaut werden?
- Welche Feedback-Möglichkeiten bietet das Videokonferenztool (z. B. Emojis)?
- Können Umfragen im Tool erstellt werden? Vorab oder spontan? Oder sollte auf externe Optionen zurückgegriffen werden?
- Gibt es Gruppenräume, die genutzt werden können?
- Wie werden Ergebnisse dokumentiert?
- Wie behält man im Auge, wer sich zu welchem Zeitpunkt aktiv beteiligt?
- Wie wird das Verständnis während der Unterweisung überprüft?
- Welche technischen Alternativen haben die Teilnehmer bei Internet- oder Technikproblemen?
- Wie kann die Teilnahme verbindlich gemacht werden? Termine sollten feststehen und rechtzeitig kommuniziert werden.
2. Durchführung:
Die Kommunikation über Videokonferenztools unterscheidet sich erheblich von der in Präsenz. In der digitalen Umgebung fehlt uns das Feedback von Teilnehmern durch Mimik, Gestik und Körperhaltung. Dies erfordert häufigeres Nachfragen, um sicherzustellen, dass alles verständlich ist. Wenn Sie eine Online-Unterweisung durchführen, nehmen Sie Rücksicht auf Teilnehmer, die weniger vertraut mit digitaler Kommunikation oder zurückhaltender sind, und binden Sie sie mit ein.
Bieten Sie klare Absprachen und Regeln für die Unterweisung, betonen Sie Kernpunkte und verwenden Sie redundante Kommunikation – Wiederholung führt zu besserem Lernerfolg.
Technische Probleme sind normal, daher sind Vertrauen und Geduld wichtig. Ein Moderatoren-Duo kann in Live-Unterweisungen hilfreich sein, um technische Unterstützung und inhaltliche Konzentration zu ermöglichen. Zugleich erfordert die Zusammenarbeit klare Absprachen und Aufgabenverteilungen im Vorfeld. Für eine sichere Handhabung des Konferenztools üben Sie diese schrittweise mit allen Teilnehmern, haben Sie dabei Geduld. Gerade wenn häufiger digital unterwiesen werden soll, lohnt es sich, anfangs etwas mehr Zeit in reibungslose (technische) Abläufe zu investieren.
Bitten Sie außerdem am Ende der Unterweisung um Feedback, um die Durchführung kontinuierlich zu verbessern. So können Sie auch erfahren, welche der eingesetzten Methoden hilfreich waren.
Ideen für die Interaktion:
- Fragen stellen: In digitalen Unterweisungen sollte das Fragenstellen Vorrang vor monologischem Sprechen haben. Statt Erklärungen bieten sich offene Fragen an. Mitarbeiter sollten nach ihren Erfahrungen, Problemen und Möglichkeiten zur Verbesserung gefragt werden.
- Kurzumfrage: Nutzen Sie einfache Zustimmungs- oder Ablehnungsfragen, um direktes Feedback zu erhalten. Dies kann durch Daumen hoch/runter oder Plus/Minus-Symbole geschehen. Beispiel: „Bin ich mit der Lösung zufrieden?“, „Sehe ich noch andere Gefahren?“
- Umfragen: Neben Ja/Nein-Fragen können Sie auch Multiple-Choice-Umfragen nutzen, entweder intern oder mithilfe von Plattformen wie Mentimeter.com. Themen können vorab oder zur Wissensabfrage gestaltet werden.
- Bildschirm teilen: Zeigen Sie Bilder von Anlagen oder Gefährdungen, auch Betriebsanweisungen, Protokolle usw. können eingeblendet werden.
- Vorwissen abfragen: Der Chat kann wie ein Flipchart genutzt werden, um Ideen zu sammeln oder Zustimmungen/Ablehnungen zu diskutierten und Ideen zu geben.
- Kamera nutzen: Mitarbeiter können live vorzeigen, wie bestimmte Handlungen durchgeführt werden. IT-Abteilungen können bei Datensicherheit unterstützen.
- Filme einbinden: Externes Filmmaterial, etwa von Berufsgenossenschaften, kann eingebunden werden. Testen Sie vorab, ob der Ton mitübertragen wird.
- Miteinander diskutieren: Nutzen Sie die Handhebe-Funktion oder Chat-Namen für Wortmeldungen. Schriftlicher Austausch im Chat fördert Diskussionen.
- Überprüfen des Verständnisses: Schließen Sie mit einem Quiz ab, das interaktiv gestaltet sein kann, zum Beispiel „Wer wird Millionär?“, digitales Glücksrad oder Quiz-Apps. Spaß und Interaktivität fördern das Lernen.
3. Nachbereitung
Der Hauptteil der Unterweisung ist natürlich ihre Durchführung, doch auch die Nachbereitung ist wichtig. Dabei steht die Dokumentation der Inhalte und Teilnahmen im Fokus. Ein vorbereitetes Drehbuch oder ein Ablaufplan bildet eine solide Basis dafür, ebenso wie die Einbindung von Betriebsanweisungen.
Die Art der Teilnahmedokumentation sollte im Vorfeld gut überlegt sein. Möglichkeiten sind beispielsweise Empfangsunterschriften im Haus oder digitales Signieren. Auch das Herunterladen der Teilnehmerliste von Konferenztools ist eine Option, idealerweise zu verschiedenen Zeitpunkten für Kontinuität.
Bei der Nutzung von Screenshots sollte die Einwilligung der Teilnehmer beachtet werden. Das Ausschalten der Kamera während des Screenshots kann dies umgehen. Die Unterschrift muss nicht unbedingt am selben Tag vorliegen, sollte jedoch in zeitlicher Nähe zur Unterweisung erfolgen.
Ein wichtiger Aspekt ist die Wirksamkeitsprüfung im Alltag und durch Führungskräfte. Unterweisungen sind nie abgeschlossen, die Überprüfung und Anpassung im Betriebsalltag sind essenziell. Dies erhöht die Verbindlichkeit, die Rechtssicherheit und den Wissenstransfer in die Praxis.
Qualitätssicherung
Neben dem Feedback der Teilnehmer stellt sich die Frage: Wie kann die Qualität von Unterweisungen gemessen werden, um sie zielgerichtet weiterzuentwickeln? Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) schlägt in ihrem IAG Report 1/2017 „Erfolgsfaktoren für Arbeitsschutzunterweisungen – Identifikation und Messung“4 vor, sich an dem Drei-Ebenen-Modell von Avedis Donabedian aus dem Jahr 1980 zu orientieren, das bis heute vielfach Anwendung in Qualitätskonzepten findet. Die drei Ebenen sind Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität.5
Spaß und Mut
Technische Möglichkeiten, rechtliche Rahmenbedingungen und konkrete Durchführung sind das eine. Nicht zuletzt darf und soll eine digitale Live-Unterweisung allen Beteiligten aber Spaß machen. Dadurch erhält das Thema Arbeitsschutz einen höheren Stellenwert, das Lernen wird verbessert und neue Methoden werden leichter von Mitarbeitern angenommen. Daher: Überlegen Sie selbst auch immer, was Sie gern tun, wie es Ihnen und den Teilnehmern Spaß machen kann. Haben Sie den Mut, neue Ideen auszuprobieren und dabei festzustellen, was digital alles möglich ist.
DIE AUTORINNEN:
Dr. Stefanie Schöler bringt mit ihrer Unternehmensberatung „Arbeitsschutz Universum“ mit Spaß und großem Praxisbezug den Arbeits- und Gesundheitsschutz in die Betriebe. Die Psychologin beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel von Innovationen, Digitalisierung, New Work und Arbeitsschutz. Sie gründete den ersten digitalen Sifa-Stammtisch Deutschlands – zusammen mit Katja Haufe, die als Moderatorin, Coach, Trainerin sowie Organisationsberaterin tätig ist und im Jahr 2016 die „transfer Organisationsberatung“ für freiberufliche Berater aus der Taufe hob. www.arbeitsschutz-universum.de, www.transfer-organisationsberatung.de
1 Konermann, Dagmar: E-Learning. Modernes und rechtssicheres Werkzeug für die betriebliche Unterweisung?! BG RCI.magazin, 9/10, 2020. S. 12–13.
2 BG RCI: A 038 Wegweiser Corona-Pandemie. Zielgerichtet und effizient handeln für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit. 2020.
3 BG ETEM: www.bgetem.de/medien-service/interaktiv-lernmodule-sicherheit-und-gesundheit-am-arbeitsplatz/hinweise-zur-persoenlichen-nutzung (zuletzt geprüft 10.03.2021)
4 DGUV: IAG Report 1/2017. Erfolgsfaktoren für Arbeitsschutzunterweisungen – Identifikation und Messung. 2017.
5 Donabedian, Avedis. The definition of quality and approaches to its assessment. Health Administration Press 1980.