Boom der Robotik

Die Arbeitswelt steht vor einem Umbruch – einerseits wegen des Fachkräftemangels aufgrund des demografischen Wandels, andererseits wegen geopolitischer Spannungen und Störungen der Lieferketten. Vor diesem Hintergrund investieren Unternehmen weltweit massiv in Automatisierungstechnik, um ihre Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, ihre Widerstandsfähigkeit und Flexibilität zu erhöhen oder einfach nur, um mit der steigenden Nachfrage Schritt zu halten.

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Entwicklung des Robotermarktes in Deutschland und weltweit

Zum ersten Mal überstieg im Jahr 2021 die Zahl der Neuinstallationen von Industrierobotern die Marke von 500.000 Stück. 517.000 Einheiten übertreffen mit einem Plus von 31 Prozent das bisherige Rekordniveau von 2018, wie die International Federation of Robotics (IFR) in ihrem jährlichen Marktbericht World Robotics feststellt. Asien ist der weltweit größte Markt für Industrieroboter mit 381.000 installierten Einheiten (+38 %), was einen Anteil von 74 Prozent des Weltmarktes ausmacht. Die Roboterinstallationen in Europa stiegen um 24 Prozent auf 84.000 Stück, während Amerika mit 51.000 Einheiten (+31 %) den drittgrößten Markt ausmacht.

Die fünf größten Märkte China, Japan, die Vereinigten Staaten, Südkorea und Deutschland allein decken 78 Prozent der Gesamtinstallationen ab. Deutschland konnte seinen Absatz um 6 Prozent auf etwa 24.000 Einheiten ausbauen.

Weltweit hat die Elektronikindustrie den ersten Platz unter den Abnehmerbranchen erreicht und gegenüber dem Automobilsektor weiter ausgebaut. In Deutschland ist nach wie vor die Automobilindustrie die wichtigste Kundenbranche (38 % Anteil), gefolgt von Metall und Maschinenbau (18 % Anteil), Kunststoff- und Chemieindustrie (8 %). Gerade in Deutschland sehen Robotik-Experten einen Trend zur sogenannten Low-Cost-Robotik, die ein neues Kundensegment anspricht, für die der Preis entscheidender ist als Präzision und Langlebigkeit.

Daneben verzeichnet die Branche einen wachsenden Trend zur Nutzung sogenannter kollaborativer Roboter (Cobots). Diese Roboter können direkt Hand in Hand mit den Menschen arbeiten. In der Realität werden allerdings viele dieser Roboter doch klassisch hinter Schutzzaun eingesetzt und überzeugen die Kunden vielmehr mit einfacherer Installation und Programmierung, während an anderer Stelle klassische Industrieroboter mit der entsprechenden Sensorik ausgestattet werden, um den Arbeitsplatz mit menschlichen Kollegen teilen zu können. Im Jahr 2021 wurden weltweit 39.000 neue Cobots eingesetzt, das entspricht einem Anteil von 7,5 Prozent aller neuen Industrieroboter. Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl um 50 Prozent gewachsen und damit stärker als die Industrieroboter insgesamt.

Die großen Trends der Branche

Für das laufende Jahr betrachtet die IFR vor allem fünf Trends, die den Markt maßgeblich beeinflussen werden:

Trend 1: Die Nachfrage nach nachhaltigen, insbesondere energie- und ressourceneffizienten Robotiklösungen steigt. Der Einsatz von Robotern trägt entscheidend dazu bei, den Energieverbrauch in der Fertigung zu senken – zum Beispiel durch höhere Produktionsraten, sodass die Fertigung insgesamt zeit- und energieeffizienter wird. Daneben werden aber auch die Roboter selbst immer effizienter, etwa mit intelligenten Stromsparmodi und Bremsenergierückgewinnung.

Trend 2: Resilienz ist in verschiedenen Branchen ein wichtiger Grund für eine Rückverlagerung der Produktion näher an den Kunden – als Konsequenz der Pandemie und der ­Unsicherheiten in den Lieferketten. So setzen zum Beispiel Automobilhersteller Roboterautomatisierung ein, um leistungsstarke Batterien kostengünstig und in großen Stückzahlen herzustellen.

Trend 3: Die Vereinfachung der Roboterprogrammierung und -bedienung, die mittlerweile auch Nicht-Experten zugänglich ist. Anbieter von softwaregesteuerten Automatisierungsplattformen unterstützen die Unternehmen, indem Industrieroboter von den Nutzern ohne vorherige Programmiererfahrung bedienbar sind. Daneben werden vermehrt Plattformlösungen angeboten mit vorkonfigurierter Software und vereinfachter Integration von Komponenten wie Greifern.

Trend 4: Künstliche Intelligenz (KI) bietet der Robotik großes Potenzial und ermöglicht eine Reihe von Vorteilen in der Fertigung: Das Hauptziel des KI-Einsatzes besteht darin, Schwankungen und Unvorhersehbarkeiten in der äußeren Umgebung besser zu bewältigen. Aktuelle Einsatzgebiete in der Robotik sind Prozessoptimierung, vorausschauende Wartung oder bildverarbeitungsbasiertes Greifen. Außerdem ist KI in Umgebungen nützlich, in denen mobile Roboter Objekten oder Personen begegnen. Diese müssen voneinander unterschieden werden und die Roboter müssen lernen, unterschiedlich zu reagieren.

Trend 5: Reparierbarkeit und Refurbishment erhöhen die Lebensdauer von Industrierobotern auf bis zu 30 Jahre. Alten Robotern ein zweites „Leben“ zu geben, spart Kosten sowie Ressourcen und ist ein wichtiger Beitrag für die Kreislaufwirtschaft.

Steigende Nachfrage auch im Servicesektor

Nicht nur das produzierende Gewerbe profitiert vom Einsatz der Robotik, auch im Dienstleistungssektor und in der Landwirtschaft steigt infolge des Fachkräftemangels die Nachfrage nach autonomen Helfern. Die fünf wichtigsten Bereiche mit zweistelligen Wachstumsraten sind die Logistik (E-Commerce), das Hotel- und Gastgewerbe (einschließlich Einzelhandel), das Gesundheitswesen, die Gebäudereinigung sowie die Inspektion und Instandhaltung. In dieser noch vergleichbar jungen Servicerobotikbranche wandeln sich die Fähigkeiten der Roboter noch sehr rasch und passen sich stetig den Kundenwünschen neu an. Sicherheit und Sensorik haben in diesem Bereich eine besondere Bedeutung, da anders als im Fertigungsbereich in der Regel auch ungeschulte Kunden und Patienten auf die Technik treffen und die Roboter sich stetig an eine sich verändernde Umgebung anpassen müssen.

Infolge des ­Fachkräftemangels steigt die Nachfrage nach autonomen Helfern

Ausblick

Jährliche Installationen von Industrierobotern 2016-2021 und 2022*-2025*
Jährliche Installationen von Industrierobotern 2016-2021 und 2022*-2025*

Auch wenn steigende Kosten für Energie und Vorprodukte sowie der Mangel an elektronischen Bauteilen sämtliche Branchen der Weltwirtschaft vor Herausforderungen stellen: Die Auftragsbücher sind derzeit gut gefüllt und die Nachfrage nach Industrierobotern ist so hoch wie nie zuvor. Nach einem prognostizierten Wachstum der weltweiten Roboterinstallationen um etwa 10 Prozent im Jahr 2022 rechnet die IFR mit durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten im mittleren bis oberen einstelligen Bereich bis 2025.

DIE AUTORIN

Dr. Susanne Bieller ist seit 2019 Generalsekretärin der IFR (International Federation of Robotics). Der Weltroboterverband ist der internationale Dachverband aller nationalen Verbände und versteht sich als Sprachrohr der Robotik-Industrie.

Text: Dr. Susanne Bieller