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Chancen und Risiken hochautomatisierter Maschinen in der Landwirtschaft

Foto: Adobe Stock / scharfsinn86
Hochautomatisierte Maschinen, sogenannte Roboter, halten auch in der „grünen Branche“ zunehmend Einzug. Dadurch ergeben sich Chancen, aber auch Gefährdungen am Arbeitsplatz. Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) steht der neuen Entwicklung aufgeschlossen gegenüber. Sie beteiligt sich an der Gestaltung der neuen Technologien und beeinflusst den Wandel der Arbeitswelt im Sinne der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes.
Keine Frage – neue Technologien können den Arbeitsalltag sehr erleichtern. Schwere, unfallträchtige Arbeiten können Roboter zunehmend ohne Zutun des Menschen ausführen. Sie füttern Tiere, misten und melken. Sie bestellen Felder, ernten und jäten. Laufen die Systeme rund, haben Unternehmerinnen und Unternehmer mehr Zeit, weniger Stress und weniger Sorgen. Insbesondere sehr arbeitsintensive Betriebe profitieren, denn Arbeitskräfte sind immer weniger verfügbar. So gesehen ist die Hochautomatisierung ein Plus für die körperliche und seelische Gesundheit in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau.
Allerdings entstehen durch die neuen Technologien auch bislang nicht gekannte Risiken. Das Präventionsziel der SVLFG ist es, Gefahren, die durch den Einsatz hochautomatisierter Maschinen entstehen können, bereits jetzt – das heißt zu einem frühen Zeitpunkt – zu erkennen und die Entwicklung so zu beeinflussen, dass Menschen auch künftig geschützt arbeiten.
Insbesondere die Übergangsphasen in der Entwicklung von personengesteuerten über hochautomatisierte bis hin zu autonomen Fahrzeugen stellen Herausforderungen dar, weil Landmaschinen und Personen während der Arbeit immer wieder aufeinandertreffen. Das zeigen die derzeit laufenden Testreihen mit Prototypen von autonom agierenden, hochautomatisierten Fahrzeugen und Maschinen.
Neue Maschinenverordnung bringt Rechtssicherheit
Fehlende Vorschriften und mangelnde Rechtssicherheit in Bezug auf Arbeitssicherheit verunsichern derzeit Hersteller und Nutzer gleichermaßen. Risikobeurteilung und Gefährdungsbeurteilung werden zur Herausforderung. Derzeit erarbeiten EU-Parlament, EU-Rat und EU-Kommission eine verbindliche Maschinenverordnung sowie eine Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Maschinen. Davon erhofft sich die SVLFG mehr Rechtssicherheit für Hersteller und Versicherte. Bis diese Vorschriften in Kraft treten, gibt es für die Hersteller eine Übergangsphase von 42 Monaten, um diese verbindlich umsetzen zu müssen.
Problem in der Praxis: Überschneidungen der Arbeitsplätze
In der Landwirtschaft werden die Arbeitsbereiche „Hofgelände mit Stallungen, Hoffläche und Futterlagerplätze“ und „Feld“ unterschieden. In beiden Bereichen arbeiten Personen und Maschinen gleichermaßen. Schon jetzt treten dabei Gefährdungen für die Beschäftigten auf, die sich durch den Einsatz hochautomatisierter Fahrzeuge verschärfen und verändern können.
Gefährdungen können sich durch den Einsatz hochautomatisierter Fahrzeuge verschärfen
Beispiele: Hoffläche und Stallungen
Mögliche Bereiche, in denen automatisierte Fahrzeuge oder Maschinen zeitgleich mit Personen arbeiten, sind auf dem Hofgelände die Stallungen, Silolagerplätze und die Hoffläche.
In den Stallungen arbeiten schon jetzt automatische Fütterungssysteme (AFS), Mistschieber, Futteranschieber oder Melkroboter. Auf dem Hofgelände arbeiten auch betriebsfremde Personen, wie zum Beispiel Tierärztinnen und Tierärzte oder Fachkräfte für Besamungstechnik. Sie sind mit den hochautomatisierten Arbeitsabläufen kaum vertraut und können unwissentlich in den Gefahrenbereich der Maschinen kommen. Das macht die Risikobewertung sehr komplex.
Ein weiteres Thema ist die Störungsbeseitigung an hochautomatisierten Maschinen. Kommt es zu Störungen, müssen Personen in den Gefahrenbereich treten, um diese zu beseitigen. Hier sind vorgegebene Abläufe gefragt, die verhindern, dass hochautomatisierte Maschinen nach der Störungsbeseitigung Gefahr bringende Bewegungen ausführen.
Risiken richtig einschätzen – die Gefährdungsbeurteilung
Die Anforderungen an den Einsatz autonom arbeitender Fahrzeuge in Innenräumen unterscheiden sich von denen, die im Freien eingesetzt werden. Der Outdoor-Bereich ist wesentlich komplexer. Denn die Sensorik zur Umfelderkennung muss auf wechselnde äußere Einflüsse wie Sonne, Regen und Staub zuverlässig reagieren. Versagen Kameras, zum Beispiel wegen Blendlicht oder Frost, entstehen Gefahren für Personen. Hier muss die hochautomatisierte Maschine selbst ihre Grenzen erkennen und abschalten.
Bei hochautomatisierten Fahrzeugen handelt es sich häufig um miteinander verbundene Komponenten. Ein Beispiel sind Futterbehälter mit Förderbändern, Mischbehältern, Austragsystemen und weiteren Bauteilen. Die Inbetriebnahme erfordert aktuell und auch gemäß der zukünftigen Maschinenverordnung eine Konformitätserklärung für die Gesamtanlage, die dem Betrieb entsprechen muss. Fehlt diese, darf die Anlage nicht arbeiten. Hier ist es die Aufgabe der Unternehmer, bei der Beschaffung die Zuständigkeiten vorab zu klären. Im Kaufvertrag eine Konformitätserklärung festzulegen, die für die gesamte Anlage gilt, stellt Rechtssicherheit her.
Roboter auf dem Acker

Für Arbeiten auf dem Feld ist die Bandbreite der Fahrzeuge, die für einen autonomen Betrieb infrage kommen, groß. Sie reicht von Traktoren mit über 300 PS bis hin zu winzigen Robotern, die Feldarbeiten hochautomatisiert durchführen. Für diesen Einsatzbereich stehen hochautomatisierte Traktoren mit und ohne Fahrerplatz zur Verfügung. Neben den Traktoren gibt es weitere selbstfahrende, hochautomatisierte Maschinen ohne Fahrerplatz. Aktuell werden zunehmend Fahrzeuge vorgestellt, die auf dem Feld Beikräuter jäten. Dadurch werden Pflanzenschutzmittel eingespart – ein Gewinn für den Gesundheitsschutz und die Arbeitssicherheit.
Für die Risikoabschätzung sind besonders schnell fahrende, hochautomatisierte landwirtschaftliche Fahrzeuge und Gespanne relevant. Außerdem müssen in die Abwägung auch Anforderungen an den Zugang von Dritten einfließen. Denn Ackerflächen sind als öffentlicher Raum anzusehen.
Lösungsansatz Umfelderkennung
Zur Risikominimierung ist die automatische Umfelderkennung besonders wichtig. Wo aktuell noch Menschen auf dem Feld oder im Hofgelände Entscheidungen treffen, agieren künftig hochautomatisierte Fahrzeuge gemäß ihrer Programmierung selbsttätig. Die Verantwortung für die Sicherheit aller Menschen im Umfeld der Maschine liegt nun beim Hersteller. Bordcomputer, Kamerasysteme, Laser oder Radar müssen zuverlässig Personen, Objekte und Hindernisse im gesamten Bereich der durchzuführenden Arbeiten erkennen. Je nach Tätigkeit muss das Gelände in Fahrtrichtung oder auch in andere Richtungen überwacht werden. Im Einwirkungsbereich der Maschinen oder Fahrzeuge dürfen keine Gefährdungen für Menschen entstehen.
Die SVLFG hat insbesondere Fahrzeuggespanne, also Traktoren mit Anbaumaschinen, im Visier. Es reicht aus Sicht der landwirtschaftlichen Sozialversicherung nicht aus, wenn die Herstellerfirma des Traktors die Umfelderkennung auf die Fahrtrichtung auslegt und eine wesentlich breitere Anbaumaschine kombiniert werden kann oder wenn Anbaugeräte ausschwenken. In diesen Fällen kann es zu Gefährdungen von Personen kommen, die von der Umfelderkennung nicht erfasst werden.
Auch der Beginn des Fahrprozesses kann zu Risiken führen. Vor jeglicher Bewegung des Fahrzeugs muss sichergestellt sein, dass sich sowohl in Fahrtrichtung als auch zwischen Traktor und Anbaumaschine keine Personen befinden. Hierzu ist es erforderlich, dass nicht nur das Umfeld des Trägerfahrzeugs überwacht wird, sondern die gesamte Kombination.
Eine Schlüsselrolle kommt bei der Umfelderkennung der Sensortechnik zu. Nach Auffassung der SVLFG sollten dabei grundsätzlich nur Systeme zum Einsatz kommen, die für die Personenerkennung zertifiziert sind. Hier gibt es noch Entwicklungsbedarf. Die meisten der derzeit angebotenen Systeme zur Objekterkennung sind ungeeignet, um hochautomatisiert fahrende Fahrzeuge zuverlässig und sicher zu betreiben. Weiterhin muss zwischen Personenerkennungssystemen für den Einsatz im Indoor-Bereich und Systemen für den wesentlich herausfordernderen Outdoor-Bereich unterschieden werden. Wechselnde Lichtverhältnisse, Regen, Schnee, Laub und Staub sind nur einige Faktoren, die die Umfelderkennung zuverlässig erfassen und bewerten muss. In vielen Fällen kann dies nur durch eine Sensorfusion, das heißt einer Kombination mehrerer Sensoren, erreicht werden.
Einsatz in Bereichen ohne Zutritt
Automatisiert fahrende Fahrzeuge, die in abgeschlossenen betrieblichen Bereichen ohne Zutritt von Personen eingesetzt werden, sind mit automatisierten Fertigungseinrichtungen vergleichbar. Maßnahmen zum Schutz von Personen im abgeschlossenen Bereich sind erforderlich, wenn Beschäftigte diesen Teilbereich zum Beispiel zur Störungsbeseitigung oder zur Instandhaltung betreten. Dann sind Fahrzeuge und andere automatisierte Anlagenteile in einen sicheren Ruhezustand zu versetzen. Sie dürfen maximal einzeln und mit reduzierter Geschwindigkeit durch manuelle Steuerung im Instandhaltungsmodus bewegt werden. Erst wenn die Personen den Bereich verlassen haben und die Zugänge geschlossen sind, darf es durch manuelle Zustimmung von außen möglich sein, den Instandhaltungsmodus aufzuheben.
Präventionsziele in der Normung verankern
Die SVLFG beteiligt sich an der aktuellen Überarbeitung der Norm „Landwirtschaftliche Maschinen und Traktoren – Sicherheit hochautomatisierter Maschinen – Konstruktionsgrundsätze“ (EN ISO 18497:2018). Die Norm soll neu aufgeteilt und wie folgt weiterentwickelt werden:
- Im Teil 1 werden Konstruktionsgrundsätze festlegt,
- im Teil 2 Grundsätze für die Objekterkennung beschrieben,
- im Teil 3 Gestaltungsprinzipien für autonome Betriebszonen und
- im Teil 4 Verifizierungs- und Validierungsmethoden erarbeitet.
Das zentrale Präventionsziel ist die zuverlässige Erkennung von Personen
Das zentrale Präventionsziel ist die zuverlässige Erkennung von Personen. Bumper, also Schutzeinrichtungen, die Kontakt mit einer Person erfordern, um eine Maschine abzuschalten, sind heute als alleinige Sicherung nicht mehr akzeptabel. Das gilt insbesondere bei höheren Fahrgeschwindigkeiten. Angesichts der heutigen Möglichkeiten, die KI und modernste Umfelderkennung bieten, ist ein Kontakt von Personen mit einer solchen Maschine aus Sicht des Arbeitsschutzes nicht hinnehmbar.
Die ISO 3991 zur Sicherheit automatischer Fütterungssysteme wird aktuell erarbeitet. Auch an diesem Projekt sind die Präventionsexperten der SVLFG beteiligt, um Sicherheit und Gesundheitsschutz auch für die Zukunft zu erreichen.
Fazit:
Die Aufgaben zum Thema Sicherheit von hochautomatisierten Maschinen sind derzeit beschrieben. Zukünftig wird sich zeigen, wie schnell diese Technologien Einzug in die Betriebe halten, welches Unfallgeschehen sich dadurch entwickelt und welche zusätzlichen Maßnahmen erforderlich sein werden. Die SVLFG steht den neuen Technologien offen gegenüber. Sie sieht die Vorteile für Sicherheit und Gesundheitsschutz sowie die Arbeitserleichterung für die Versicherten.
DER AUTOR:
Präventionsexperte Sebastian Dittmar ist bei der SVLFG unter anderem als Fachreferent für Pflanzenbau und Anwenderschutz tätig.