Arbeitssicherheitsreport: Nachholbedarf in allen Bereichen

Im Auftrag von Dekra hat das Markt- und Meinungsforschungsunternehmen Forsa eine repräsentative Befragung zur Sicherheit am Arbeitsplatz und zum Gesundheitsschutz durchgeführt. Befragt wurden hierfür rund 1.500 repräsentativ ausgewählte Arbeitnehmer in Deutschland aus den unterschiedlichsten Branchen.

Text: Franz Roiderer (Redaktion)

Für die Prüforganisation Dekra ergibt sich aus den Umfrageergebnissen, dass der Arbeits- und Gesundheitsschutz ausbaufähig ist. Das würden auch die aktuellen Zahlen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zeigen. So ereigneten sich im Jahr 2022 bundesweit rund 790.000 Arbeitsunfälle und rund 170.000 Wegeunfälle, also Unfälle, die Beschäftigte auf dem Weg zur oder von der Arbeit erleiden.

Nach Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) ergaben sich für 2021 in Deutschland dadurch knapp 700 Millionen Erwerbsunfähigkeitstage. Die volkswirtschaftlichen Produktionsausfälle beliefen sich dabei auf 89 Milliarden Euro. Besonders bei kleinen und mittleren Betrieben ist der Arbeitsschutz laut Dekra-Arbeitssicherheitsreport oft mangelhaft.

Unterweisungen

AUF DEN PUNKT

  • Arbeitsschutz hängt stark von der Firmengröße ab
  • Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastungen werden vernachlässigt
  • Sicherheitskultur zu oft keine gelebte Praxis

Nach dem berufsgenossenschaftlichen Regelwerk sind Unternehmen verpflichtet, ihre Beschäftigten mindestens einmal jährlich zu Arbeitsschutzthemen zu unterweisen. Dadurch sollen diese in die Lage versetzt werden, sich bei der Arbeit sicherheitsgerecht zu verhalten. In dieser Hinsicht ergab die Befragung, dass bei 89 Prozent der Beschäftigten Unterweisungen zum Arbeitsschutz und zum Brandschutz durchgeführt werden. Diese finden zu 72 Prozent regelmäßig statt, zu 13 Prozent unregelmäßig und zu vier Prozent zumindest einmalig – beispielsweise für neue Mitarbeiter.

Bei den regelmäßigen Unterweisungen liegen Unternehmen und Betriebe in den ­Bereichen Bau, Handwerk, Industrie und Lager / Logistik deutlich vorn. Die Befragung zeigte allerdings auch, dass die Durchführung der Unterweisungen stark von der jeweiligen Firmengröße abhängt. Während laut der Beschäftigten von Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern die Unterweisungen zu 87 Prozent regelmäßig erfolgen, geben dies von den Beschäftigten aus Betrieben mit weniger als 50 Mitarbeitern nur 46 Prozent an. Rund ein Viertel der Beschäftigten bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) erhielt überhaupt keine Unterweisung.

Psychische Gefährdungsbeurteilungen

Seit dem Jahr 2013 ist die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung gesetzlich vorgeschrieben, denn chronischer psychischer Stress kann Burn-out, Depressionen oder Rückenleiden zur Folge haben, zudem wächst bei zu großem Stress auch die Wahrscheinlichkeit von Unfällen. Wie akut dieses Problem ist, zeigt unter anderem der AOK-Fehlzeitenreport 2022: Danach ist die Häufigkeit von Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen zwischen 2012 und 2021 um 53,2 Prozent angestiegen.

Allerdings gaben nur rund ein Viertel der Beschäftigten an, dass es eine psychische Gefährdungsbeurteilung in ihrem Betrieb gibt. Mehr als die Hälfte der Befragten hingegen sagten, dass in ihrem Betrieb keine derartige Beurteilung vorgenommen wird. Die restlichen 17 Prozent konnten dazu keine Angaben machen. Schlusslichter sind wieder Betriebe mit weniger als 50 Mitarbeitern: Hier gaben 81 Prozent der Beschäftigten an, dass keine psychischen Gefährdungsbeurteilungen stattfinden. In Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern gehören sie dagegen eher zur Regel – jedenfalls laut Einschätzung von 38 Prozent der Beschäftigten.

Sicherheitskultur

Hinsichtlich der Sicherheit am Arbeitsplatz gibt es eine Vielzahl von Regeln und Vorschriften. Diese sind zumindest bei den für den Dekra-Report befragten Beschäftigen in hohem Maße bekannt. Mehr als 70 Prozent der Mitarbeiter kennen die für ihren Arbeitsplatz geltenden Sicherheitsregeln vollständig. Einem Viertel sind sie zumindest teilweise bekannt.

Jedoch sagten 39 Prozent der Befragten, dass die Sicherheitsregeln nicht immer eingehalten würden, fünf Prozent gaben an, dass sich in ihrem Betrieb niemand um den Arbeitsschutz kümmere. Aus Sicht der Dekra ergibt sich daraus für die Unternehmen die Aufgabe, Sicherheits- und Gesundheitsstandards so zu kommunizieren, zu vermitteln und vorzuleben, dass sie wirklich in der gelebten Praxis ihre Wirkung entfalten.

Arbeitsmedizinische Vorsorge

Eine wirksame Vorsorge und gute medizinische Versorgung für die Mitarbeiter liegen im Interesse jedes Arbeitgebers. Aber nutzen die abhängig Beschäftigten hierfür das Angebot einer betriebsärztlichen Untersuchung? Laut der Befragung nehmen nur etwa die Hälfte der Beschäftigten das Angebot einer arbeitsmedizinischen Vorsorge an. Auch hier zeigt sich, dass die Zahlen von der Betriebsgröße abhängen. Die Zahl der Mitarbeiter, die zum Betriebsarzt gehen, nimmt mit der Größe des Unternehmens zu – von 27 Prozent (Betriebe mit weniger als 50 Mitarbeitern) über 43 Prozent (Firmen mit 50 bis unter 250 Mitarbeitern) bis hin zu 58 Prozent (Unternehmen mit 250 bis unter 500 Mitarbeitern) und 59 Prozent (Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern).

Arbeitszufriedenheit

Wohlbefinden, Gesundheit und Motivation der Mitarbeiter sind wichtige Faktoren für den Erfolg eines Unternehmens. Das Bewusstsein hierfür ist in vielen Firmen vorhanden. Laut Befragung sind 58 Prozent der abhängig Beschäftigten der Ansicht, dass sich ihre Arbeitgeber sehr beziehungsweise eher stark um die Zufriedenheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz sowie deren Gesundheit und Sicherheit kümmern. Auf der anderen Seite gaben aber auch 40 Prozent der Befragten an, dass dies weniger stark bis gar nicht der Fall ist.

Auch hier zeigt sich ein Nachholbedarf bei den kleineren Betrieben. Arbeitnehmer aus Firmen mit mehr als 500 Mitarbeitern finden deutlich häufiger, dass sich ihr Arbeitgeber stark oder sehr stark um die Arbeitszufriedenheit kümmert, als Mitarbeiter aus kleineren Betrieben.

Dekra (Eigenschreibweise DEKRA) wurde im Jahr 1925 als „Deutscher Kraftfahrzeug-Überwachungs-Verein“ gegründet. Das Unternehmen, das zunächst ausschließlich im Automobilbereich tätig war, deckt heute vielfältige sicherheitsrelevante Dienstleistungen ab. Derzeit arbeiten für die Dekra rund 48.600 Beschäftigte in über 60 Ländern und erzielten 2022 einen Umsatz von 3,8 Milliarden Euro.