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Kopfsache Klimaschutz
So erreichen Sie die Beschäftigten

Grafik: Adobe Stock / BillionPhotos.com
Die Temperaturen steigen, der Markt verändert sich und die rechtlichen Rahmenbedingungen ebenfalls. Das Thema Klimaschutz ist in vielen Unternehmen deshalb aktueller denn je. Gleichzeitig treffen am Arbeitsplatz unterschiedliche Weltanschauungen und Werte aufeinander. Auch zum Klimaschutz gibt es verschiedenste Einstellungen im Unternehmen.
Was ist zielgruppenorientierte Klimakommunikation?
Unter diesem Begriff versteht man eine Form von Kommunikation, bei der man sich besonders stark an der Zielgruppe ausrichtet und die Kommunikation dem Gegenüber anpasst. Doch dafür müssen wir wissen: Welche Zielgruppen gibt es überhaupt in der Klimadebatte und im eigenen Unternehmen? Das ist alles andere als einfach. Damit Klimakommunikation also gelingen kann, braucht es einige Hilfestellungen.
Warum kommt es auf die Werte an?
Doch wieso ist es überhaupt wichtig zu wissen, welche Werte unser Gegenüber hat? Wie eine Vielzahl von Studien zeigt, reicht es nicht aus, nur Fakten und Wissen zu vermitteln. Klimakommunikation sollte zum Ziel haben, Menschen vom Wissen zum Handeln zu begleiten.
AUF DEN PUNKT
- Fakten zu vermitteln reicht nicht aus, um Menschen zum Handeln zu bringen
- Die Ansprache muss auf die jeweilige Einstellung des Beschäftigten zugeschnitten sein
- Alle Klima-Typen teilen bestimmte Werte
Damit das möglich wird, sollten wir uns für eine aktivierende Klimakommunikation vorab die folgenden vier Fragen stellen: (1) Wer bin ich, was macht mich als Kommunikator besonders? (2) Wer ist mein Gegenüber? (3) Was sind meine Kernaussagen? (4) Welchen Effekt möchte ich erzielen?
Gehen wir nicht auf die Werte und Einstellungen unserer Zielgruppen ein, werden wir sie nicht direkt erreichen. Das Wissen über die Werte von unterschiedlichen Gruppen im Unternehmen sollte daher unbedingt genutzt werden.
Was für Klima-Typen gibt es im Unternehmen?
Eine hilfreiche Orientierung bieten die gesellschaftlichen Typen nach der Forschungseinrichtung „More in Common“. Dabei handelt es sich um sechs gesellschaftliche Gruppen, die sich bezüglich ihrer Werte unterscheiden, aber die auch einige Gemeinsamkeiten haben.
Diese sechs Typen wurden nach ihren Kernmerkmalen benannt: die Offenen, die Involvierten, die Etablierten, die Pragmatischen, die Enttäuschten und die Wütenden. In Deutschland sind diese Gruppen ungefähr gleich verteilt. Alle Gruppen beinhalten also zwischen 14 und 19 Prozent der Gesellschaft. Welche Gruppen in Ihrem Unternehmen besonders stark vertreten sind, hängt von der Geschichte, der Personalauswahl und den Werten Ihres Unternehmens ab.
Wie gehen Sie mit den verschiedenen Klima-Typen im Unternehmen um?
Sie wissen nicht, welche Typen Sie im Unternehmen haben? Dann fragen Sie einmal nach, was Ihrem Gegenüber beim Thema Klimakrise und Klimaschutz wichtig ist, was die Person im Leben besonders umtreibt. Oder starten Sie eine Mitarbeiterbefragung und sammeln Sie in diesem Rahmen Daten darüber, wie die Beschäftigten zum Klimaschutz denken, fühlen und handeln.
Schon längst aktiv: Die Offenen
Die Offenen sind überwiegend jüngere, gut gebildete Menschen. Sie legen viel Wert auf die freie Entfaltung Einzelner in einer offenen, vielfältigen und nachhaltigen Gesellschaft. Klimaschutz ist ein essenzieller Teil ihres Gerechtigkeitsverständnisses. Sie engagieren sich daher oft selbst, sehen aber auch Unternehmen und Personen in politischen Führungspositionen in der Pflicht, zum Klimaschutz beizutragen. In Ihrem Unternehmen erkennen Sie die Offenen daran, dass diese ambitionierten Einsatz für ökologische und soziale Fragen einfordern und selbst als Vorbild vorangehen.
Tipps für Ihre Kommunikation:
- Im Gespräch sollten Sie sich auf die globale Gerechtigkeit fokussieren. Thematisieren Sie dabei besonders den Wert der Zusammenarbeit Einzelner zur Lösung der Klimakrise.
- Vermeiden Sie eine zu starke Betonung der Verantwortung des Individuums. Die Offenen sind häufig schon selbst aktiv und erwarten systemische Veränderungen.
- Zeigen Sie keine negativen Zukunftsszenarien auf, sondern erzählen Sie von Erfolgsgeschichten im Klimaschutz. Klimaschutz sollte Spaß machen – kommunizieren Sie daher das gute Gefühl, wenn man gemeinsam aktiv wird.
Beispiel: „Die Klima-AG in unserer Firma ist nebenbei noch wirklich toll für das Teambuilding. Wir haben schon viel geschafft und können gemeinsam noch mehr erreichen!“
Machen gern mit: Die Involvierten
Die eher älteren, gut gebildeten Involvierten glauben an das bürgerliche Potenzial von einem lebendigen Miteinander in einer modernen, demokratischen Gesellschaft. Klimaschutz ist für sie eine Frage der Verantwortung.
Tipps für Ihre Kommunikation:
- Setzen Sie auf Moral und Verantwortung. Denn für die Involvierten ist Klimaschutz im Unternehmen eine notwendige Erfüllung moralischer Pflichten.
- Berichten Sie von Erfolgen und geben Sie Möglichkeiten der Mitgestaltung. So wirken Sie Frustration entgegen.
- Sprechen Sie davon, dass es alle braucht. Denn dieser Klima-Typ scheut Komplexität nicht. Bei den Involvierten geht es um Klimaschutz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es braucht alle verschiedenen Positionen – wie beim Fußball.
Beispiel: „Klimaschutz stellt unser Unternehmen vor komplexe Herausforderungen. Deshalb ist es wichtig, dass wir an unsere bisherigen Erfolge anknüpfen und gemeinsam erarbeiten, wie wir unser Unternehmen noch klimafreundlicher gestalten können.“
Konservative Klimaschützer: Die Etablierten
Die Etablierten sind ältere, gut gebildete und eher konservative Menschen, die durch ihre hohe Zufriedenheit herausstechen. Sie blicken optimistisch auf die eigene Lebenswirklichkeit und in die Zukunft. Außerdem haben sie ein hohes Vertrauen in das Gemeinwesen und seine Institutionen, bemängeln jedoch zum Beispiel, dass Klimaschutz oft zulasten der persönlichen Freiheit gehe.
Tipps für Ihre Kommunikation:
- Die Etablierten engagieren sich noch eher selten. Es lohnt sich aufzuzeigen, wie sie im Unternehmen schnell und leicht aktiv werden können.
- Sprechen Sie von moderaten Möglichkeiten des Klima-Engagements. Sie werden die Etablierten nicht so einfach von anderen Protestformen überzeugen.
- Setzen Sie auf das Gefühl von Fairness. Denn das spricht die Etablierten an. Sie legen Wert darauf, dass in der Klimapolitik angemessen reguliert wird und Deutschland keine vermeintlich unverhältnismäßige Last trägt.
Beispiel: „In unserem Unternehmen gibt es die Klima-AG, in der man zu jedem Treffen neu dazukommen kann. Wie wäre es, wenn Sie sich dort zu den Klimathemen engagieren, die Sie am meisten beschäftigen?“
Werte sind nicht alles: Die Pragmatischen
Das Denken der Pragmatischen ist nur wenig von moralischen Grundsätzen geprägt. Sie legen Wert auf eine starke Wirtschaft. Einen Konflikt zwischen erfolgreicher Wirtschaft und Klimaschutzmaßnahmen sehen sie nicht. Sie haben einen Blick für das Potenzial von Innovationen, um beide Ziele zu vereinen. Sie beteiligen sich gern, wenn akut Hilfe gebraucht wird, sind aber nicht der Typ für ein längerfristiges Engagement. Eine aktive Rolle in Entscheidungsprozessen zu spielen, ist ihnen eher wenig wichtig.
Tipps für Ihre Kommunikation:
- Schaffen Sie kompakte Angebote. Denn die Pragmatischen sind gut für spontane, zeitlich begrenzte Klimavorhaben zu aktivieren, insbesondere, wenn sie von der Freude anderer bei ähnlichen Aktionen hören.
- Stellen Sie das Innovationspotenzial durch ökologische Nachhaltigkeit im Unternehmen heraus. Denn Klimaschutz, der Arbeitsplätze schafft und mit Innovation einhergeht, ist für diese Menschen erstrebenswert.
- Vermitteln Sie den Mehrwert von Klimaschutzmaßnahmen faktenbasiert und greifbar. Das bedient den rationalen Charakter der Pragmatischen.
Beispiel: Für die Pragmatischen bietet sich die Produktion von Kurzvideos an, die faktenbasiert über den Nutzen von Klimaschutzmaßnahmen für alle Mitarbeiter und fürs Unternehmen aufklären.
Schon abgehängt? Die Enttäuschten
Die Enttäuschten sind Menschen verschiedenen Alters, die eher ein geringeres Einkommen haben, wenig politischen Halt in der Gesellschaft finden und von Abstiegsängsten geplagt sind. Sie werden in der Gesellschaft selten mitgedacht und häufig übersehen. Ihnen fehlt es an positiven Zukunftsvisionen.
Tipps für Ihre Kommunikation:
- Legen Sie den Fokus auf positive Veränderungen, die im Klimaschutz bereits erreicht wurden. So wecken Sie ein bisschen Zuversicht.
- Seien Sie besonders empathisch und interessiert. Denn die Enttäuschten haben schon viele Erfahrungen gemacht, bei denen ihnen nicht richtig zugehört wurde. Geben Sie im Gespräch ihren Wünschen und Bedenken Raum.
- Die Enttäuschten haben einen Wunsch nach Gemeinschaft, der ernst genommen werden sollte. Es ist in dieser Gruppe besonders wichtig, zuzuhören und auf ihre Lebensrealität und Sorgen einzugehen.
Beispiel: „Vielen Dank für Ihr wertvolles Feedback zu unserem Klimavorhaben. So habe ich das noch nie betrachtet. Ich denke, Sie können da eine interessante Perspektive hinzufügen. Wie wäre es, wenn Sie sich beim nächsten Arbeitstreffen einbringen? Dort ist immer Raum für Austausch.“
Häufig dagegen: Die Wütenden
Die Wütenden sind meist in höherem Alter und verfügen über ein durchschnittliches Einkommen. Sie sind unzufrieden mit dem gesellschaftlichen Miteinander und beklagen ein mangelndes Mitspracherecht bei politischen Entscheidungen. Sie halten wenig von Aktivismus für Klimaschutz und haben den Eindruck, dass Deutschland in Sachen Klimaschutz schon genug tut und nun andere Länder an der Reihe sind. Sie fühlen sich häufig von rechtspopulistischen Parteien angesprochen.
Tipps für Ihre Kommunikation:
- Im Gespräch mit ihnen sollten Sie sich nicht zu sehr um eine negative Resonanz sorgen, da auch die Wütenden an sich Klimamaßnahmen unterstützen.
- Wichtig ist, dass die Wütenden aktiv in entsprechende Entscheidungsprozesse im Klimaschutz eingebunden werden, damit sie sich nicht bevormundet fühlen.
- Gesprächsformate sollten so gewählt werden, dass die lauten Stimmen der Wütenden nicht überbetont werden und Debatten weiterhin lösungsorientiert verlaufen können.
Beispiel: „Welche Form der Beteiligung wünschen Sie sich, wenn wir in unserem Unternehmen Klimaschutzmaßnahmen erarbeiten wollen?“
Was eint alle Klima-Typen im Unternehmen?
Alle genannten Tipps in jeder Situation spontan parat zu haben, ist nahezu unmöglich. Zum Glück gibt es einige gemeinsame Werte, die die unterschiedlichen Klima-Typen teilen.
Klimaschutz als Aufgabe für alle
Zum einen sollte Klimaschutz, egal in welchem Gespräch, als gesamtgesellschaftliche Aufgabe herausgestellt und die geteilte Verantwortung zur Bildung eines Gemeinschaftsgefühls genutzt werden. Zum Beispiel: „Unser Unternehmen ist selbstverständlich Teil der Gesellschaft. Wie unsere Kunden und die Politik müssen auch wir unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten.“
Gerechtigkeitsempfinden
Geteilt wird von allen Klima-Typen ein Gespür für soziale Gerechtigkeit und das Anliegen der Bezahlbarkeit von Klimaschutzmaßnahmen. Dabei wird in der Regel ein Modell bevorzugt, bei dem Beiträge zum Klimaschutz an das Einkommen angepasst werden. Zudem kann die Möglichkeit von finanzieller Entlastung durch sozial-gerechte Klimapolitik thematisiert werden. Zum Beispiel: „Durch ambitionierten Klimaschutz können wir mittel- und langfristig Kosten einsparen. Denn der CO2-Preis steigt stetig an. Verursachen wir wenig CO2, sind wir hiervon nicht so stark betroffen. Die Unternehmen, die dagegen viel CO2 verursachen, werden mit höheren Kosten rechnen müssen.“
Ohnmachtsgefühl und Wunsch nach Handlungsmöglichkeiten
Da wir als Einzelne die systemische Krise nicht lösen können, empfinden alle eine gewisse Ohnmacht. Durch Geschichten über Erfolge, die gemeinsam im Unternehmen erreicht wurden, sollte diesem Verdruss entgegengewirkt werden. Tatsächlich wurde nämlich schon viel bewegt in den vergangenen Jahren.
Beispiel: „Ich bin oft frustriert, weil wir als Unternehmen noch so weit von der Klimaneutralität entfernt sind. Aber ich habe mich mal damit auseinandergesetzt, wie viele Emissionen wir schon einsparen konnten. Das sieht gar nicht so schlecht aus und hat mir gezeigt, dass es in anderen Unternehmensbereichen noch viel Potenzial ist.“
FAZIT
Sie sollten sich darüber bewusst werden, welchem Klima-Typ die Führungskraft, die Kollegin oder der Praktikant im Unternehmen angehört. Das ermöglicht es Ihnen, die Kommunikation passgenau auf die Zielgruppe auszurichten und die oben genannten Tipps anzuwenden. Dadurch können Sie es schaffen, verschiedenste Mitarbeiter für den Klimaschutz zu aktivieren und schließlich eine breite Bewegung für Klimaschutz im Unternehmen zu initiieren und aufrechtzuerhalten.
DIE AUTOREN:
Janna Hoppmann und Fabian Hirt sind Klima- und Organisationspsychologen. Das Social Start-up ClimateMind trainiert und berät Führungspersönlichkeiten darin, zu authentischen und inspirierenden Entscheidern für Klimaschutz zu werden. In den letzten zwei Jahren haben sie rund 3.500 Menschen mit Trainings, Workshops, Beratungen und Online-Kursen zu Klimapsychologie gestärkt. www.climatemind.de